Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flüchtlingskrise der EU: Nichts geht ohne Ankara
> Immer lauter wird vor einem Scheitern in der Flüchtlingskrise gewarnt.
> Dabei liegen die Positionen in der EU gar nicht so weit auseinander.
Bild: Schon jetzt kommen kaum noch Flüchtlinge über die bayerische Grenze (Ar…
Brüssel taz | Wir schaffen das – davon ist Bundeskanzlerin Angela Merkel
weiterhin überzeugt. Wobei mit „wir“ nicht mehr nur Deutschland, sondern
nun auch ganz Europa gemeint ist. Doch das sehen viele in Brüssel ganz
anders. In der Flüchtlingskrise mache sich „Anarchie“ breit, so Luxemburgs
Außenminister Jean Asselborn. Der griechische Migrationskommissar Dimitris
Avramopoulos geht noch weiter: Der EU-Staat Griechenland steuere auf ein
„Desaster“ zu.
Ist die Lage wirklich schon so ernst? Oder dient die alarmierende Rhetorik
vor allem dazu, die 28 EU-Staaten vor dem nächsten Sondergipfel mit der
Türkei am 7. März zur Ordnung zu rufen? Bis zu diesem Datum müssten sich
alle Beteiligten zusammenraufen, da sind sich Merkel, Asselborn und
Avramopoulos einig.
Auf den ersten Blick scheint dies fast unmöglich. Seit Mazedonien seine
Grenze zu Griechenland abgeriegelt hat, gerät die Lage zunehmend außer
Kontrolle. Österreich hat Merkels „Koalition der Willigen“ verlassen und
macht nun mit den Balkanländern gemeinsame Sache, teilweise auch mit den
Osteuropäern.
De facto allerdings liegen die Positionen in der EU gar nicht so weit
auseinander. Einigkeit besteht darüber, dass die Zahl der Flüchtlinge
drastisch reduziert werden soll – und zwar vor Beginn des Frühlings, wenn
wieder mehr Menschen die gefährliche Flucht übers Meer wagen dürften.
Unterschiede gibt es vor allem in der Methode. Österreich und die Staaten
entlang der Balkanroute glauben nicht mehr an die EU-Lösung, die Merkel und
Kommissionschef Jean-Claude Juncker versprechen. Daher haben sie selbst
Maßnahmen ergriffen, um den Zustrom zu begrenzen. Davon profitiert auch
Deutschland: Schon jetzt kommen kaum noch Flüchtlinge aus Österreich über
die bayerische Grenze – und wenn doch, dann nur noch die „richtigen“.
## Spiel mit dem Feuer
Schon vor Wochen hatte die Bundesregierung signalisiert, dass sie keine
Afghanen und keine Migranten mit Reiseziel Schweden mehr aufnehmen will.
Österreich und Mazedonien haben sich an diese Vorgabe gehalten – und sieben
die „falschen“ Migranten aus.
Was Asselborn als „Anarchie“ kritisiert, folgt also nachvollziehbaren
Mustern, deutschen Wünschen – und teilweise sogar EU-Beschlüssen. So
berufen sich sowohl Österreich als auch die Balkanländer auf das schon im
Herbst vereinbarte Ende der „Politik des Durchwinkens“, das auch Merkel
gefordert hatte.
Auch den „Schutz der Außengrenze“ hat die EU beschlossen. Allerdings war
damit die Seegrenze zwischen der Türkei und Griechenland gemeint – nicht
die Schengen-Außengrenze zwischen Griechenland und Mazedonien. Die völlig
dicht zu machen, wie es Wien jetzt offenbar plant, hätte fatale Folgen:
Griechenland würde zum Flüchtlingslager der EU, humanitäre und politische
Krisen wären vorprogrammiert.
Österreich und die Balkanstaaten spielen also mit dem Feuer – und die harte
Reaktion Athens ist durchaus verständlich. Selbst die Drohung von Premier
Alexis Tsipras, beim EU-Sondergipfel in einer Woche alle Beschlüsse zu
blockieren, ist nachvollziehbar.
## Ein Desaster droht
Schwer nachvollziehbar ist hingegen, worauf Merkel hinauswill. Sie setzt
mehr denn je auf die Türkei, um den Zustrom zu begrenzen. Doch Ankara
fordert im Gegenzug, dass die EU ihr Kontingente von Flüchtlingen abnimmt.
Von einer Million Menschen ist da die Rede – das kann selbst Merkel nie und
nimmer durchsetzen.
Sollte die Türkei auch beim Sondergipfel am 7. März auf dieser
Maximalposition beharren, dann wird es keine Einigung geben. Dann droht in
der Tat ein Desaster. Vielleicht wäre es deshalb an der Zeit, Druck auf
Ankara aufzubauen. Die Türkei muss endlich den Aktionsplan umsetzen, den
sie im November mit der EU vereinbart hat.
Doch darüber spricht derzeit niemand in Brüssel. Auch Merkel, die die
Türkei überhaupt erst ins Boot geholt hat, sagte davon kein Wort. Die
„türkisch-europäische Lösung“, die die Kanzlerin immer noch beschwört, …
bisher nicht viel mehr als ein frommer Wunsch.
29 Feb 2016
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Österreich
Europäische Union
Schwerpunkt Türkei
Griechenland
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vor dem EU-Türkei-Gipfel: Kontingente bleiben unkonkret
Bundeskanzlerin Merkel setzt auf enge Zusammenarbeit mit der Türkei, trotz
der Menschenrechtsverletzungen. Sie stellt sogar mehr Geld in Aussicht.
Flüchtlinge in Griechenland: Tsipras fordert Umverteilung
Die Odyssee der Migranten endet an der mazedonisch-griechischen Grenze. Und
immer mehr Menschen kommen nach.
Nach Merkels Auftritt bei Anne Will: Maas lobt, Seehofer kritisiert
Justizminister Maas (SPD) wertet Merkels Auftritt bei Anne Will als
Kampfansage an ihre Kritiker. CSU-Chef Seehofer ist weiter für eine
Obergrenze.
Flüchtlinge in Griechenland: Athen erwartet Refugee-Rückstau
Die Balkanroute ist teilweise blockiert. Griechenland stellt sich darauf
ein, dass im März 70.000 Menschen festsitzen könnten, bis zum Sommer sogar
200.000.
Flüchtlinge in Südosteuropa: Kettenreaktion am Balkan
Kroatien und Slowenien führen eine „Tages-Obergrenze“ für Flüchtlinge ei…
Serbien zieht nach. Ein Quoten-Referendum in Ungarn kommt wohl erst im
Sommer.
Rassistische Vorurteile gegen Flüchtlinge: Blondinen willkommen
Woher kommt die Angst vor „großen Veränderungen“? Einst kamen Millionen
Russlanddeutsche. Größer ist die jetzige Flüchtlingswelle auch nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.