# taz.de -- Kommentar EU-Flüchtlingsabkommen: 72.000? Hallo? | |
> Die EU will 72.000 Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen. Das ist zynisch. | |
> Allein in Berlin kamen im vergangenen Jahr mehr Menschen an. | |
Bild: Kontingente sind der richtige Weg – nicht aber in dieser Dimension | |
Merken die da eigentlich noch irgendwas in ihrem Brüssel? Da tagen die | |
Regierungschefs der 28 EU-Staaten mal wieder durch Nacht und Nebel, um sich | |
am Ende auf was genau zu einigen? | |
72.000 Flüchtlinge sollen demnächst aus der Türkei in die EU Staaten | |
aufgenommen werden, während ebenso viele aus Griechenland in die Türkei | |
abgeschoben werden sollen. Und diese 72.000 sollen wohlgemerkt nicht | |
weitere, extra neu zu schaffende Plätze für Menschen in Not sein. Es | |
handelt sich um längst zugesagte, aber „noch nicht ausgeschöpfte“ | |
Kontingente, wie die Kanzlerin betont. | |
72.000? Das sind etwas weniger, als im vergangenen Jahr in der Stadt Berlin | |
angekommen sind. Und diese Zahl soll nun das Flüchtlingsproblem in ganz | |
Europa lösen? Dieses unglaubliche Angebot der 28 EU-Staaten soll die | |
Menschen, die sich aus den Kriegsgebieten und den zunehmend unhaltbaren | |
Umständen in den Flüchtlingslagern in der Türkei aufmachen, davon abhalten, | |
ohne Genehmigung durch die Ägäis nach Griechenland zu schippern? | |
Diese Zahl ist alles andere als ein Angebot der Europäischen Union. Und sie | |
ist nur auf zwei Arten erklärbar. Entweder die EU-Regierungschefs leiden an | |
kompletter Realitätsverweigerung. Oder – und das ist leider | |
wahrscheinlicher – an grenzenloser Inhumanität. | |
Im Prinzip wäre die Kontingentlösung das beste aller Modelle. Denn es | |
erspart Menschen in Not den oft tödlich endenden Versuch, sich zwar | |
legitim, aber „illegal“ auf die Flucht zu begeben. Stattdessen werden sie | |
quasi vor Ort abgeholt. | |
Wäre die Kontingentlösung vor, sagen wir, zwei Jahren mit entsprechend | |
großen Kapazitäten realisiert worden, hätten Menschen in Not damals eine | |
reale, legale Möglichkeit bekommen, in die EU einzureisen, dann hätte das | |
die Massenflucht des letzten Jahres vielleicht nicht verhindern können. | |
Aber die Zahl der Ankommenden wäre deutlich kleiner geblieben. | |
Jetzt aber geht es nicht mehr darum, irgendwelche Menschen neu aufzunehmen, | |
sondern möglichst viele loszuwerden. Nämlich all die, die jetzt schon in | |
Griechenland sind. | |
18 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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