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# taz.de -- EU-Türkei-Abkommen beschlossen: Aggressiv abgeschottet
> Man ist sich einig: Alle in Griechenland ankommenden Flüchtlinge werden
> zurückgebracht. Die neue Regelung gilt schon ab Sonntag.
Bild: Merkel: Tür zu
Brüssel taz | Nach der Balkanroute wird nun auch der letzte Fluchtweg für
syrische Bürgerkriegsopfer über Griechenland nach Europa geschlossen.
Darauf haben sich die EU und die Türkei bei ihrem Gipfel in Brüssel im
Grundsatz geeinigt.
Damit schwenkt die EU auf einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik um.
Gleichzeitig treibt sie die umstrittene Annäherung an die Türkei weiter
voran – trotz der autoritären Wende unter Präsident Recep Erdoğan.
Der Deal, der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemeinsam mit dem
türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlueingefädelt worden war, soll
bereits am Sonntag in Kraft treten. Kurz danach würden alle Flüchtlinge,
die per Boot auf den griechischen Inseln ankommen, in die Türkei
zurückgeschickt. Selbst Kriegsflüchtlinge wären von der „Rückführung“
betroffen.
„Alle illegalen Migranten, die Griechenland von der Türkei aus erreichen,
werden ab 20. März zurückgeschickt“, schrieb der tschechische
Ministerpräsident Bohuslav Sobotka auf Twitter.
Die EU-Chefs versprechen sich davon eine abschreckende Wirkung und den
Stopp der „irregulären“ Fluchtbewegung. Gleichzeitig wollen sie eine legale
Einreisemöglichkeit aus der Türkei nach Europa schaffen. Für jeden
abgeschobenen „illegalen“ Syrer soll ein anderer, ordentlich gemeldeter
Syrer nach Europa ausreisen dürfen.
## Auf 72.000 Menschen beschränkt
Allerdings soll dieses „Eins-zu-eins“-Prinzip, mit der ein
türkisch-europäisches Flüchtlingskarussell in Gang käme, zunächst auf
72.000 Menschen beschränkt werden. Die Aufnahme soll bis auf ein schon im
letzten Jahr beschlossenes Kontingent von 18.000 Köpfen freiwillig sein.
Auch sonst konnten sich die Osteuropäer und andere „Unwillige“ durchsetzen:
Auf die früher geforderte verpflichtende Umverteilung auf alle EU-Länder
haben Merkel und die anderen Chefs verzichtet.
Als Gegenleistung für die Rücknahme aller Flüchtlinge soll die Türkei
weitgehende Visaerleichterungen für ihre 80 Millionen Bürger, schnellere
EU-Beitrittsverhandlungen und nochmals 3 Milliarden Euro EU-Hilfen
erhalten, doppelt so viel wie bisher. Mit Rücksicht auf das EU-Land Zypern,
das von der Türkei immer noch nicht anerkannt wird, will die EU zunächst
aber nur ein Beitrittskapitel öffnen.
Streit gab es über die Frage, ob und wie die systematische Abschiebung
aller Flüchtlinge in die Türkei mit den Menschenrechten und dem EU-Recht
vereinbar ist. Um zumindest nicht direkt dagegen zu verstoßen, soll allen
Ankömmlingen in Griechenland nun eine individuelle Prüfung zugesagt werden.
Massenabschiebungen werde es nicht geben, hieß es in Brüssel.
## Das Gegenteil der „europäische Lösung“
Allerdings wirft der Deal auch technische und politische Fragen auf. Die
Vereinbarungen sind so ziemlich das Gegenteil dessen, was Merkel als
„europäische Lösung“ versprochen hatte. Statt der deutschen
„Willkommenskultur“ verfolgt die EU nun eine aggressive
Abschreckungsstrategie.
Durch die Abschiebungen in die Türkei solle das „Geschäftsmodell der
Schlepper zerstört“ werden, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz
(SPD). In deutschen Regierungskreisen hieß es, damit könne man die Zahl der
„irregulären“ Fluchtversuche nach Griechenland in wenigen Wochen gegen null
drücken.
Funktionieren kann dies aber nur, wenn die Türkei und Griechenland
mitspielen. In Griechenland sollen nun in Windeseile neue Abschiebelager
aufgebaut werden. Dort sollen auch Staatsanwälte, türkische Beobachter und
UNO-Experten arbeiten, damit die Flüchtlinge aufgenommen und Asylanträge
bearbeitet werden können.
Wie dies innerhalb von nur zwei Tagen umgesetzt werden kann, blieb offen.
Hinter vorgehaltener Hand warnten EU-Diplomaten denn auch schon vor einem
praktischen Scheitern des Merkel-Plans.
18 Mar 2016
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
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