# taz.de -- Die Türkei als „sicherer Drittstaat“: Vorbehalte und Verbindun… | |
> Die Einstufung der Türkei als „sicherer Drittstaat“ ist rechtlich | |
> möglich. Abschiebungen dorthin werden aber nur eingeschränkt machbar | |
> sein. | |
Bild: Sicherer Hafen: ein Junge im griechischen Piräus. | |
BERLIN taz | EU und Türkei verhandeln derzeit darüber, wie das Schleusen | |
von Flüchtlingen über die Ägäis unattraktiv gemacht werden kann. Kommt es | |
zu einer Vereinbarung, könnte Griechenland alle irregulär aus der Türkei | |
eingereisten Flüchtlinge zurückschicken. Dafür würde die EU für jeden | |
zurückgeschickten Syrer einen bereits in der Türkei befindlichen syrischen | |
Flüchtling aufnehmen. | |
Bevor aber überhaupt mit Zurückschiebungen begonnen werden kann, muss | |
Griechenland die Türkei als „sicheren Drittstaat“ einstufen. Die | |
EU-Asylverfahrensrichtlinie von 2013 unterscheidet dabei zwei Formen: | |
„Europäische sichere Drittstaaten“ (Artikel 39) müssen die Genfer | |
Flüchtlingskonvention (GFK) ohne regionalen Vorbehalt ratifiziert haben, | |
ein gesetzliches Asylverfahren aufweisen, die Europäische | |
Menschenrechtskonvention ratifiziert haben und beachten. | |
Die Türkei hat zwar die GFK ratifiziert – aber mit regionalem Vorbehalt. | |
Daher können sich dort zwar Flüchtlinge aus Europa auf die Konvention | |
berufen, Syrer aber nicht. | |
In der EU-Richtlinie gibt es eine weitere Kategorie, die „sonstigen | |
sicheren Drittstaaten“ (Artikel 38). Hier muss die GFK nicht vorbehaltlos | |
ratifiziert sein; es genügt, dass ein Asylantrag gestellt werden kann und – | |
bei Anerkennung – entsprechend Schutz gewährt wird. Zudem darf im | |
Drittstaat selbst keine Gefahr bestehen. | |
## Einzelfallprüfung gewährleisten | |
Diese Anforderungen dürfte die Türkei erfüllen. Zwar wird immer wieder | |
berichtet, dass Flüchtlinge zurückgeschickt werden – die Regel ist das aber | |
nicht, wie die knapp drei Millionen Syrer in der Türkei belegen. Zudem | |
sollen anerkannte Flüchtlinge künftig mit EU-Geld besser in die türkische | |
Gesellschaft integriert werden. | |
Die mögliche Einstufung als sicherer Drittstaat führt aber zu rechtlichen | |
Anforderungen, die im griechischen Recht umzusetzen sind. So muss zwischen | |
dem Flüchtling und dem Drittstaat, in den er zurückgeschickt werden soll, | |
eine Verbindung bestehen, „so dass es vernünftig erscheint, dass diese | |
Person sich in diesen Staat begibt“. | |
Dies dürfte nur für solche Flüchtlinge zutreffen, die bereits eine Zeit in | |
der Türkei gelebt haben, bevor sie nach Griechenland aufgebrochen sind. Wer | |
die Türkei nur als Transitstaat nutzte, wird in der Regel nicht die | |
erforderliche „Verbindung“ haben. | |
Außerdem muss das griechische Recht eine Einzelfallprüfung gewährleisten. | |
Dabei muss jeder Flüchtling geltend machen können, dass die Türkei für ihn | |
persönlich nicht sicher ist. Außerdem muss auf Antrag geprüft werden, ob | |
der Flüchtling die erforderliche Verbindung zur Türkei hat. Im Streitfall | |
muss das die griechische Justiz entscheiden, auf deren Leistungsfähigkeit | |
sowohl Flüchtlinge als auch EU-Staaten hoffen müssen. | |
15 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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