# taz.de -- Kommentar Merkels Regierungserklärung: Non, je ne regrette rien | |
> Vor zwei Jahren hätte Angela Merkel gegenüber der Türkei machtvoller | |
> auftreten können. Ihr Herz für Syrer entdeckte sie erst im vergangenen | |
> Sommer. | |
Bild: Nach der Erklärung: Merkel wirft ihre Stimmkarte bei der namentlichen Ab… | |
Angela Merkel mag viele Stärken haben. Dazu gehört die Fähigkeit, die | |
eigene Politik kurzfristig zu ändern, wenn sie auf entschiedenen Widerstand | |
stößt. Selbstkritik aber kann sie nicht. So war auch am Mittwoch in ihrer | |
Regierungserklärung, drei Tage nach den Landtagswahlen, kein Wort über | |
eigene Fehler in der Flüchtlingspolitik zu vernehmen. | |
Dabei ist eine EU-Kontingentlösung für syrische Flüchtlinge, die mit der | |
Türkei im Gespräch ist, im Kern vernünftig. Sie ist so vernünftig, dass die | |
Kanzlerin sie schon vor mehr als zwei Jahren hätte anstreben sollen, als | |
Millionen Syrer nach Jordanien, Libanon und in die Türkei flohen. Damals | |
ließ Merkel die drei Staaten und die Flüchtlinge im Stich. Ihr Herz für | |
Syrer entdeckte sie erst im letzten Sommer, als diese massenhaft über die | |
Balkanroute Richtung Deutschland flohen. Merkels Politik der offenen | |
Grenzen erweckte den Eindruck, alle geflüchteten Syrer könnten nach | |
Deutschland beziehungsweise in die EU kommen. Es war absehbar, dass das | |
nicht lange durchzuhalten war. Merkel korrigierte, auch unter Druck aus | |
Bayern. Österreich und die Balkanstaaten machten dann die Balkanroute | |
dicht. | |
Vor zwei Jahren hätte sie nicht nur gegenüber der Türkei machtvoller | |
auftreten können, der sie jetzt freie Hand in den Kurdengebieten lässt, sie | |
hätte auch in der EU eine bessere Verhandlungsposition gehabt. In ihrer | |
Regierungserklärung schob sie aber erneut alle Verantwortung für das | |
Scheitern einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik ihren europäischen | |
Amtskollegen zu. | |
So wird es nicht gehen. Nicht in der EU – und auch nicht in Deutschland. | |
Spätestens wenn hier Kontingente syrischer Flüchtlinge eintreffen sollten, | |
wird Merkel über ihre politischen Schwenks und die Gründe dafür offen | |
sprechen müssen. Es sei denn, sie will das Anwachsen der AfD auf über 20 | |
Prozent riskieren. Politik ist auf Vertrauen angewiesen. Wer seine Politik | |
fortlaufend ändert, ohne dies zu begründen, sät Misstrauen. | |
16 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Schwerpunkt Türkei | |
EU-Flüchtlingspolitik | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
EU-Flüchtlingspolitik | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die kleine Schwester des Charisma: So gewinnt man Wahlen | |
Eine Haltung zu haben, ist prima. Sie sieht gut aus, bekennt sich zur | |
Schwere der Zeiten und erspart lästiges Argumentieren. | |
EU-Flüchtlingsgipfel in Brüssel: Davutoglu hat das letzte Wort | |
Die Türkei gibt sich hartnäckig und will Gegenleistungen für ein | |
Entgegenkommen in der Flüchtlingskrise. Die Forderungen haben es in sich. | |
Die Türkei als „sicherer Drittstaat“: Vorbehalte und Verbindungen | |
Die Einstufung der Türkei als „sicherer Drittstaat“ ist rechtlich möglich. | |
Abschiebungen dorthin werden aber nur eingeschränkt machbar sein. | |
Flüchtlingsabkommen EU-Türkei: Der Deal ist laut Pro Asyl illegal | |
Die Türkei sei kein „sicherer Drittstaat“, kritisiert Pro Asyl. Das Land | |
habe die Genfer Flüchtlingskonvention nicht umgesetzt und schütze manche | |
Flüchtlinge nicht. | |
Die CDU nach den Landtagswahlen: Verdammt spät dran | |
Angela Merkel rückt nicht von ihrer Flüchtlingspolitik ab. Schuld an den | |
Verlusten der CDU sei nicht ihre Politik. Man müsse sie nur besser | |
kommunizieren. |