# taz.de -- Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt: Land der Rechtsaufsteher | |
> In Sachsen-Anhalt schwächelt zwar die NPD, nicht aber deren | |
> extremistisches Gedankengut. Die Partei erodiert im Schatten der AfD vor | |
> sich hin. | |
Bild: Tröglitz ist zum Inbegriff für Hass und Gewalt gegenüber Flüchtlingen… | |
Magdeburg taz | Sachsen oder das nach Einwohnerzahl halb so große | |
Sachsen-Anhalt? Schwer zu sagen, wer die gefährlichere rechte Szene | |
vorweisen kann. Wie Sachsens Freital oder Heidenau wurden auch Ortsnamen im | |
Nachbarland durch fremdenfeindliche Übergriffe bekannt. Tröglitz im | |
Burgenlandkreis ist seit dem Ostersamstag 2015 zum Inbegriff für Hass und | |
Gewalt gegenüber Flüchtlingen geworden, als dort die [1][geplante | |
Asylunterkunft brannte]. Nach einer vorläufigen Statistik registrierte die | |
Mobile Opferberatung Sachsen-Anhalt in den ersten drei Quartalen 2015 122 | |
gewalttätige Übergriffe. | |
Markante Einzeltaten wie der [2][Überfall auf Schauspieler in Halberstadt] | |
2007, die Attacke auf einen jungen Israeli in Laucha 2010, die | |
[3][Angriffsserie auf Afrikaner in Merseburg] oder der [4][türkische | |
Imbissbetreiber in Bernburg] 2013, der nur knapp überlebte, stehen nicht | |
isoliert. Gerade Tröglitz zeigt, dass auch in der Bevölkerung ein | |
erhebliches Potenzial rassistischer, nationalistischer oder einfach nur | |
spießbürgerlicher Haltungen schlummert. | |
Monatelang hatten dort Einwohner demonstriert, Bürgermeister Markus Nierth | |
mit dem Tod bedroht und schließlich in den Rückzug getrieben, weil | |
lediglich 40 Asylbewerber in dem 2.700 Einwohner zählenden Ort | |
untergebracht werden sollten. Länger als ein Jahr zogen sich vergleichbare | |
Auseinandersetzungen im Dorf Insel hin, wo zwei ehemalige Sexualstraftäter | |
nach langen Haftstrafen eine Wohnung finden sollten. | |
Eine Ahnung von diesem Potenzial vermittelte die Landtagswahl 1998, als | |
völlig überraschend die DVU mit 12,9 Prozent in das Landesparlament einzog, | |
dort aber völlig zerfiel. In diesem Jahr tritt die AfD voraussichtlich ihr | |
Erbe an, die nach jüngsten Umfragen ein Rekordergebnis um 15 Prozent | |
erwartet. Nicht unpopulär war beispielsweise der Bezirksschornsteinfeger | |
und Hobby-Fußballtrainer [5][Lutz Battke aus Laucha]. | |
Zweieinhalb Jahre dauerte es, bis ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes | |
Ende 2012 ihm wegen seines NPD-Engagements als Stadt- und Kreisrat seine | |
Lizenz als Schornsteinfeger entzog und er schließlich gehen musste. Auch | |
der [6][ehemalige SPD-Bürgermeister Hans Püschel] aus Krauschwitz wurde | |
gestoppt. Nachdem er die NSU-Terrorzelle als „verfassungsmäßige | |
Widerständler“ bezeichnet hatte, wurde er wegen Volksverhetzung zu 3.000 | |
Euro Geldstrafe verurteilt und seines Amtes enthoben. | |
## „Durchaus typisch für Sachsen-Anhalt“ | |
Henriette Quade, in der Linksfraktion des Landtages mit Flüchtlingspolitik | |
und Rechtsextremismus befasst, hält solche Personalien und die | |
Ausschreitungen gegenüber Fremden für „durchaus typisch für | |
Sachsen-Anhalt“. In Bitterfeld oder in ihrer Heimatstadt Halle | |
beispielsweise gebe es mit den sogenannten Brigaden eine verfestigte rechte | |
Kameradschaftsszene. | |
Die NPD hingegen erodiert im Schatten der AfD weiter. Schon bei den | |
Kommunalwahlen 2015 konnte sie mit etwa 100 Kandidaten deutlich weniger | |
Bewerber nominieren als 2008. Bei der jüngsten Umfrage der Forschungsgruppe | |
Wahlen fällt sie nur noch unter sechs Prozent „Sonstige“ und wird nicht | |
extra aufgeführt. | |
Gescheitert ist der Versuch des rechten Konzertveranstalters Oliver Malina, | |
das [7][Schloss Groß Germersleben zu erwerben] und für Rechtsrockkonzerte | |
auszubauen. Im nahen Nienhagen finden solche aber weiterhin statt. Das | |
„Institut für Staatspolitik“, [8][intellektuelles Sprachrohr der Neuen | |
Rechten], hat ebenfalls seinen Sitz in Sachsen-Anhalt. Auf dem Rittergut | |
Schnellroda in der Unstrut-Weingegend bietet es Schulungen und Seminare an. | |
Gegen rechte Umtriebe versucht das Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt | |
und Weltoffenheit Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten sowie der | |
„Miteinander“-Verein und sein Netzwerk. | |
15 Feb 2016 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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