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# taz.de -- NPD vor Verhandlung in Karlsruhe: Verboten gut vorbereitet
> In Kürze wird in Karlsruhe über das NPD-Verbot verhandelt. In
> Mecklenburg-Vorpommern kann man sehen, was es bewirken würde: wenig.
Bild: Unfreiwilliger Kronzeuge für ein NPD-Verbot: Udo Pastörs, Fraktionschef…
Lübtheen/Berlin taz | Die Neonazis haben sich ein idyllisches Städtchen
ausgesucht. Lübtheen mit seinen 5.000 Einwohner liegt am Westrand
Mecklenburg-Vorpommerns, zwischen Äckern und einem Biosphärenreservat. Rote
Backsteinhäuser, Linden, die Gehwege sind saniert. Nur die Glocken der
klassizistischen Kirche im Stadtzentrum durchbrechen die Stille.
Am alten Marktplatz liegt das Bürgerbüro der NPD. „Sozialberatung“ bietet
sie hier an, die Parteijugend hat hier ihren Bundessitz. Nebenan, in einem
ehemaligen Hotel, betreibt die NPD einen „Kulturraum“ mit Liederabenden,
Selbstverteidigungskursen und Vorträgen zur „Brauchtumspflege“. Dass es um
mehr als Freizeitvergnügen geht, verkündet ein großes Spruchband an der
Wand: „Organisierter Wille bedeutet Macht“.
Heute aber bleibt das Licht aus. Der Schaukasten mit dem „Kulturprogamm“
ist leer, seit Monaten schon. Die NPD will in Lübtheen nicht auffallen.
Nicht in dieser Zeit.
Am 1. März beginnt vor dem Bundesverfassungsgericht die Verhandlung über
das NPD-Verbot, ein historischer Termin. Erst fünfmal wurde in der
Bundesrepublik ein Parteiverbot beantragt, und nur zwei Parteien wurden am
Ende verboten: die Sozialistische Reichspartei 1952 und die KPD 1956. Nun
soll die NPD folgen.
Die NPD-Häuser in Lübtheen werden in Karlsruhe dabei eine große Rolle
spielen. Denn dort arbeitet Udo Pastörs, der NPD-Fraktionschef in Schwerin,
der frühere NPD-Bundeschef, einer der derbsten Hetzer der Partei.
Deutschland nannte er eine „Judenrepublik“, Flüchtlinge „entartete
Menschen“. Das Büro teilt er sich mit Stefan Köster, dem Landeschef der NPD
in Mecklenburg-Vorpommern.
## NPD-Kader zogen gezielt nach Lübtheen
Beide wohnen auch in Lübtheen, daneben haben weitere NPD-Kader in der
Gegend eine Heimat gefunden. Lübtheen ist eine wichtige Basis der
Rechtsextremen, deshalb lohnt es sich, hierhin zu schauen.
Gleich mehrere Seiten des NPD-Verbotsantrags widmen sich Lübtheen. Einer
der Autoren, ein Berliner Rechtsprofessor, reiste eigens in die Stadt, um
sich ein Bild zu machen. Der „gezielte Zuzug“ der Rechtsextremen sei der
Versuch der NPD, ihre „Dominanzansprüche durchzusetzen“, heißt es in dem
als Verschlusssache eingestuften Schriftsatz. In der Stadt verübe die NPD
„aggressive Einschüchterungsversuche“ mit einem klaren Ziel: „Am Ende so…
die Demokratie zugunsten des ‚nationalen Aufbaus‘ weichen.“
15,2 Prozent holte die NPD bei der Landtagswahl 2011 in Lübtheen, genauso
viel wie die CDU. Bei der jüngsten Kommunalwahl waren es 2014 immerhin noch
knapp 11 Prozent. Lübtheen, so freute sich die NPD schon vor Jahren, habe
„längst Modellcharakter“.
Die Bürgermeisterin von Lübtheen, Ute Lindenau, lehnt sich in ihrem Büro im
Rathaus weit in ihrem Stuhl zurück. „Ich bin schon lange für ein Verbot
dieser Partei“, sagt sie. „Vor zwölf Jahren wären hier noch alle
aufgeschreckt, wenn es um Neonazis gegangen wäre.“ Dann kam die NPD. „Und
jetzt sind die Rechtsextremen hier fast Normalität. Das kann nicht sein.“
Lindenau ist eine Frau, die es gewohnt ist, den Ton anzugeben. Im Büro
trägt die 55-Jährige Lederjacke, ihre Amtsgeschäfte erledigt sie mit einem
Tablet-PC. Lindenau ist in Lübtheen geboren, früher leitete sie das
Aussiedlerheim, seit 14 Jahren ist sie Bürgermeisterin. Ihre Partei, die
SPD, gewinnt hier seit Langem die Wahlen.
Lindenau gehört nicht zu den Kommunalpolitikern, die rechte Umtriebe
kleinreden. Auf ihrem Schreibtisch liegt auch ein Forschungsband über
rechtsextreme Einstellungen. Mit dem Zuzug der NPD-Leute, räumt sie offen
ein, habe sich ein unguter Geist eingeschlichen. „Viele trauen sich nicht
mehr, etwas gegen Pastörs zu sagen.“
Und immer wieder hört Lindenau einen Satz: Die NPD sei doch eine Partei wie
andere, schließlich sei sie nicht verboten. Schon wegen dieses Satzes, sagt
sie, sei sie für ein Verbot.
## Was, wenn die NPD gar nicht verschwindet?
Seit mehr als 50 Jahren gibt es die NPD, sie saß in neun Landtagen, heute
ist sie nur noch in dem von Mecklenburg-Vorpommern vertreten. Daneben aber
hält die Partei, trotz Krise und klammer Kassen, immer noch gut 360
Kommunalmandate in Deutschland, zählt 5.200 Mitglieder. In ein paar Tagen
könnte sie Geschichte sein. Was aber, wenn die NPD gar nicht verschwindet,
wenn sie verboten werden sollte?
In Lübtheen spricht viel dafür, dass es so kommen würde, sehr viel.
Es begann im Stillen. Ende der neunziger Jahre kam Udo Pastörs nach
Lübtheen. Zuvor war er Geschäftsführer eines Goldhandels bei Oldenburg. Die
Bewohner des Städtchens hätten damals schon stutzig werden können, denn der
Mann mit dem akkuraten Scheitel zog zehn Kilometer vor der Stadt
ausgerechnet in ein altes NS-Mustergehöft, mit einer langen Auffahrt hinter
einem schmiedeeisernen Tor, die heute akkurat geschnittene Buchsbäume
umgrenzen. Aber keiner kannte den Mann, der einen Schmuckladen eröffnete,
der stets höflich auftrat, der zu Mittelstandsstammtischen ging oder die
Initiative gegen Braunkohleabbau unterstützte.
Erst Jahre später, sagt Bürgermeisterin Lindenau, seien die Gerüchte immer
lauter geworden, dass dieser Schmuckhändler ein Rechter sei, ein Neonazi
gar. Da hatten sich längst weitere NPD-Kader in Lübtheen angesiedelt – und
im Ort eingebracht, etwa als Elternvertreterin in der Grundschule. Die
Neonazis hatten auch einen Verein gegründet: die Sportfreunde Griese
Gegend. Sie gaben sich als hilfsbereite Nachbarn.
Dieselbe Strategie verfolgt die NPD auch in Sachsen, etwa in der
Sächsischen Schweiz. Handwerker, Fahrschullehrer, Ärzte kandidierten dort
für die Partei – und bescherten ihr später Rekordergebnisse. Im
Verbotsantrag ist die Rede von einer teils „tiefen Verankerung aufgrund von
persönlichen Beziehungen”. Beziehungen, die wohl auch ein Verbot überdauern
würden.
## NPD sorgt für „Atmosphäre der Angst“
Bereits 2013 beantragten die Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht,
die NPD zu verbieten. 264 Seiten reichten sie ein, im August vergangenen
Jahres legten sie ein Dossier nach. Dort dokumentierten sie, wie die NPD
eine „Atmosphäre der Angst“ schaffe, vor allem in ostdeutschen Provinzen.
Die Belege stammen vor allem aus Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD seit
2006 im Landtag sitzt und in einigen Dörfern Wahlergebnisse von mehr als 20
Prozent erhielt. Lübtheen ist eines der zentralen Beispiele.
Die NPD setze sich in Kleinkommunen fest und sorge mit Einschüchterungen
dafür, dass politische Gegner keinen Widerspruch mehr wagten, heißt es in
dem Schriftsatz. In Mecklenburg-Vorpommern gelinge der Partei „seit Jahren
eine bürgerliche Verankerung in weiten Räumen des Landes“. Die NPD werde
Normalität – und mit ihr die harte Propaganda der Neonazis. Die NPD wird
als rassistisch beschrieben, als NS-verharmlosend und
aggressiv-kämpferisch.
Gleich reihenweise werden dafür Zitate von Udo Pastörs angeführt, der heute
63 Jahre alt ist. Er sprach von „multikultureller Jauche“ und einem
deutschen „Schuldkult“. Europa sei „das Land der weißen Rasse“ und hab…
Recht, dies „notfalls mit militärischer Gewalt sicherzustellen“.
## Die NPD tritt mit Tarnlisten an – erfolgreich
Wenn in Karlsruhe verhandelt wird, ist auch Pastörs vorgeladen, als eine
von fünf „Auskunftspersonen“ der NPD. Als diese das erste Mal verboten
werden sollte, 2003, trat Pastörs zuvor in die Partei ein, um sie zu
unterstützen. Nun haben ihn die Länder quasi als Hauptbelastungszeugen für
das Verbot auserkoren.
Darüber reden will Pastörs nicht. Er habe kein Interesse an einem Gespräch,
antwortet auch sein Bürokollege Köster. Die anderen drei NPD-Abgeordneten
im Schweriner Landtag lehnen ebenso ab. Auch vor Ort, im Lübtheener
Parteibüro, blockt ein Mitarbeiter ab: Er werde gar nichts sagen. Die
NPD-Leute wollen keine Angriffspunkte bieten. Nicht jetzt, vor Karlsruhe.
Seit das Verbotsverfahren läuft, geben sich Pastörs und seine Leute auch in
Lübtheen eher bedeckt. Sie verteilen keine Flugblätter mehr in die
Briefkästen der Anwohner. Die Veranstaltungen im „Kulturraum“ finden nun in
geschlossener Gesellschaft statt.
Bürgermeisterin Lindenau schreibt das auch dem Widerstand in der Stadt zu.
Schon 2006, als die NPD ihren Wahlkampfauftakt in den Ort verlegte,
organisierte sie mit Gleichgesinnten ein Gegenbündnis und eine
Demonstration, vorneweg braune Tonnen „für den NPD-Müll“. Als die NPD
Schulhof-CDs verteilte, sammelte die Demokraten diese ein und verschenkten
eigene CDs. Das Bündnis stellte ein „Lindenfest“ auf die Beine, half jüng…
auch Asylbewerbern.
Die NPD sei auch deshalb so ruhig, sagt ein Gründungsmitglied, damit sie im
Verbotsfall „schnell abtauchen und weitermachen kann“. Und tatsächlich
haben die Rechtsextremen längst vorgesorgt für den Ernstfall.
Verbietet das Bundesverfassungsgericht die NPD, werden bundesweit
Parteiimmobilien versiegelt und Konten gesperrt. Die NPD-Abgeordneten
stünden ohne Mandat da, ihre Mitarbeiter ohne Job. Eine
Nachfolgeorganisation dürften die Neonazis nicht gründen. Und in
Mecklenburg-Vorpommern bräuchte der Staat nicht mehr jährlich 1,7 Millionen
Euro an die NPD-Fraktion zu zahlen.
In Lübtheen aber würde nicht viel passieren. Die beiden NPD-Mandate in der
Stadtvertretung wären weg. Das Bürgerbüro der Rechtsextremen aber gehört
Pastörs’ Schwiegersohn. Der „Kulturraum“ ist von einem Sympathisanten
angemietet.
Und es ist nicht nur Lübtheen. Auch auf der anderen Seite
Mecklenburg-Vorpommerns, in der Region um Anklam, ist die NPD vorbereitet.
Schon vor zwei Jahren traten dort Parteimitglieder bei der Kommunalwahl nur
noch als Bürgerbündnis an. „Wir von hier“ nannten sie sich in Ueckermünd…
Mit NPD-Slogans warben auch die „Alternative für Torgelow“ und die
„Wählergemeinschaft Schöneres Strasburg“. Ein gelungener Schachzug: Die
Tarnlisten bekamen bis zu 15 Prozent – teils bessere Ergebnisse als zuvor
die NPD.
Was 2014 noch einzelne Versuche waren, würde man nach einem NPD-Verbot
flächendeckend erleben, glaubt Günther Hoffmann. Der 58-jährige Künstler
ist der wohl beste Kenner der rechten Szene in der Region Anklam. Und
Hoffmann ist gegen ein NPD-Verbot. „Weil es eine sehr simple Lösung ist,
die nichts ändern würde.“ Im Gegenteil: Die Neonazis wären dann noch
weniger sichtbar und könnten leichter Initiativen unterwandern, während die
Politik glaubt, das Problem abgehakt zu haben.
## „Infrastruktur längst von Parteiapparat entkoppelt“
Seit 1998 wohnt Hoffmann in einem kleinen Weiler vor Anklam, zugezogen aus
Berlin, genauso lange engagiert er sich dort gegen Rechtsextreme. Schon
seit Jahren bereite sich die NPD in Mecklenburg-Vorpommern auf ihr Ende
vor, sagt er. „Ihre Infrastruktur ist längst entkoppelt vom Parteiapparat.
Die Kommunikationsplattformen und Druckereien, alles steht. Die NPD-Garde
würde am Tag eins nach einem Verbot genauso weitermachen wie bisher.“
Vor zwei Jahren noch hat ein NPD-Mann ganz offen über diese Strategie
gesprochen. Die „Hauptvorkehrung“ gegen ein Verbot sei es, die Immobilien
zu sichern, sagte Michael Andrejewski damals der taz. Nichts dürfe der NPD
gehören. Er selbst habe aus seinen Abgeordnetendiäten „ganz erhebliche
Ersparnisse“, er sei ja nicht „Susi Sorglos“.
Andrejewski sitzt für die Partei im Landtag, im Kreistag und im Stadtrat
von Anklam, wo die NPD zuletzt 9,3 Prozent holte. In der Stadt bietet der
frühere Anwalt kostenlose „Hartz-IV-Beratungen“ an, in einem Haus, das als
„Nationales Begegnungszentrum“ firmiert, mit einer „Volksbücherei“, ei…
rechten Versandhandel und dem Sitz des NPD-Landesverbandes. Das Haus gehört
seit Jahren zwei NPD-Leuten – privat.
Und so geht es weiter: Das Thinghaus in Grevesmühlen, eine
Veranstaltungshalle der Neonazis mit Palisadenzaun und Wachturm –
Privateigentum. Das kleine Örtchen Jamel, besiedelt von einer Vielzahl von
NPD-Leuten und Gesinnungskameraden, im Verbotsantrag als „Extremfall“ der
Dominanzansprüche der NPD bezeichnet – alles in privater Hand. Das
„Nationale Wohnprojekt“ Salchow, ein Bauernhaus und Logistikstelle der NPD
– Eigentum eines NPD-Manns.
Das alles bliebe, auch nach einem Verbot.
## Besuch in der NPD-Zentrale
In der NPD-Bundeszentrale in Berlin, einem gelb gestrichenen, dreistöckigen
Gebäude am Stadtrand, mit Videokameras und Stacheldraht über dem Tor, ist
es dann doch möglich, mit einem Vertreter der Partei zu sprechen. Frank
Schwerdt öffnet zwei Türen, die mit schweren Riegelschlössern gesichert
sind, dann bittet er über den Hof in einen Flachbau.
In dem sterilen Tagungsraum, an der Wand NPD-Plakate, ist es kalt. Die
Partei muss sparen, auch bei den Heizkosten. Schwerdt tupft sich immer
wieder mit einem Taschentuch die Nase und versucht, gelassen zu klingen. Er
ist Rechtsbeauftragter der NPD, seit Monaten gibt es für ihn nur ein Thema:
die Verbotsverhandlung. Man denke gar nicht an einen Plan B, sagt Schwerdt.
„Weil wir den nicht brauchen werden.“
Ganz so gelassen sind sie in der NPD aber nicht. Vor ein paar Wochen saßen
sie in diesem Raum zusammen, um eine Strategie für Karlsruhe zu besprechen.
Mit dabei auch Besuch aus Mecklenburg-Vorpommern: Landeschef Köster und der
Anklamer Andrejewski. Vor wenigen Tagen traf sich die NPD-Spitze nochmals
in Eisenach.
Die Vorwürfe der Länder weist Schwerdt als „lächerlich“ zurück: Die
„Dominanzansprüche“ in Mecklenburg-Vorpommern, das „aggressiv-kämpferis…
Auftreten – alles Unterstellungen. „Das ist das Kerngeschäft von Parteien.
Wir haben die Pflicht, uns in der Öffentlichkeit zu zeigen.“
Schwerdt, 71 Jahre alt, war bereits in den sechziger Jahren in der rechten
Szene aktiv, wegen Volksverhetzung saß er in Haft. Schon beim ersten
NPD-Verbotsverfahren 2003 war er dabei. Damals stellten die Richter das
Verfahren ein, weil gleich mehrere V-Leute in der Parteiführung bekannt
wurden. Schwerdt grinst, wenn er daran denkt. „Da war natürlich
Hochstimmung.“
So stellt er sich das nun wieder vor. Doch diesmal haben die Länder
vorgesorgt und seitenlang die Abschaltung aller V-Leute in der
NPD-Führungsspitze dokumentiert. Und fragt man bei Schwerdt genauer nach,
ist von Gelassenheit nicht mehr viel zu spüren. Die Aussagen von Udo
Pastörs? Nun ja, „einige flapsige Bemerkungen“. Seine eigene jüngste
Verurteilung wegen rassistischer Beleidigung? Schwedt stockt, dann
antwortet er: Er halte das Urteil für falsch. Auch reiche so etwas doch
nicht, um gleich die ganze Partei zu verbieten.
## In der NPD-Zentrale fielen sieben Jobs weg
In den Ländern sehen sie das anders: Bei der NPD gehe es eben nicht um
„vereinzelte Entgleisungen“, heißt es im Verbotsantrag. Die
Grenzüberschreitungen kämen von fast allen Führungsfiguren und stünden für
„den Charakter der Partei unmittelbar“.
Sollte seine Partei in Karlsruhe unterliegen, wäre der Arbeitsplatz von
Frank Schwerdt, die NPD-Zentrale in Berlin, eines der wenigen Gebäude, die
doch weg wären. Sieben Mitarbeiter beschäftigt die NPD in dem Haus – sie
wären allesamt arbeitslos. Schwerdt sagt, er würde dann eben zu Hause
weiterarbeiten.
In Mecklenburg-Vorpommern kann man derzeit gut beobachten, was nach einem
Verbot passieren könnte. Fast wöchentlich ging zuletzt dort der
Pegida-Ableger „MVGida“ gegen Flüchtlingsunterkünfte auf die Straße.
Anmelder war mal ein NPD-Mann, ein anderes Mal trat Pastörs als Redner auf,
Demonstranten trugen NPD-Plakate mit abgeschnittenem Parteilogo. Inzwischen
hat der Verfassungsschutz „MVGida“ im Blick – wegen der „immer deutlich…
festzustellenden Steuerung durch Rechtsextremisten und hier insbesondere
durch die NPD“, wie es aus dem Innenministerium heißt.
Auch bei anderen Anti-Asyl-Demos in Mecklenburg-Vorpommern mischten
NPD-Leute mit. Einige, wie „Teterow wehrt sich“ oder „Wir für Demmin“,
wertet der Verfassungsschutz als eindeutig rechtsextrem. Fast alle der
Gruppen organisieren sich über soziale Netzwerke. Wer NPD-Mann ist oder
nicht, ist kaum zu erkennen. Die Gruppen würden es nach einem Parteiverbot
weiter geben. Einen Vorsitzenden oder Schatzmeister brauchen sie dafür
nicht.
## Neuer Facebook-Account reicht
Als die KPD in den fünfziger Jahren verboten wurde, beschlagnahmte die
Polizei noch Druckereien und Schreibmaschinen. Würde die NPD verboten,
brauchten ihre Funktionäre nur einen neuen Facebook-Account anzulegen.
Und noch eine Sorge haben Neonazi-Gegner wie Günther Hoffmann. Einige
Rechtsextreme könnten sich durch ein NPD-Verbot noch stärker
radikalisieren. In Breesen, Boizenburg, Sellin und Trassenheide brannten im
vergangenen Jahr Flüchtlingsunterkünfte, in Jamel traf es die Scheune eines
Ehepaars, das sich gegen Neonazis engagiert. „Übergriffe auf
Asylunterkünfte“, heißt es im Verbotsantrag, seien „eine konsequente
Umsetzung der Ideologie“ der NPD. Was dort nicht steht: Die Ideologie
verschwindet nicht, wenn man eine Partei verbietet.
17 Jahre ist es her, dass Udo Pastörs nach Lübtheen zog, dass er nach und
nach seine Gleichgesinnten dazuholte. Sie würden auch nach einem Verbot
nicht wegziehen. Die braunen Siedler planen nicht kurzfristig, sie planen
in Jahren. Wenn nicht in Jahrzehnten.
26 Feb 2016
## AUTOREN
Konrad Litschko
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