| # taz.de -- Einblick in V-Leute-Welt: Ab sofort Kontaktsperre | |
| > Das NPD-Verbotsverfahren gewährt Einblicke in die V-Mann-Praxis. Und | |
| > zeigt auch Fragwürdiges: Etwa wie Behörden Szene-Ausstiege verhindern. | |
| Bild: NPD-Demo in Erfurt: Mindestens eine Person auf diesem Bild wird von Steue… | |
| BERLIN taz | Das Ende seiner Spitzelkarriere kam für V-Mann 1519 | |
| überraschend. Zum 3. April 2012 baten die niedersächsischen | |
| Verfassungsschützer um ein Treffen. Acht Jahre lang lieferte der Neonazi da | |
| schon Informationen aus dem Innenleben der NPD an das Amt, schaffte es in | |
| der Partei bis in den Landesvorstand. Und nun? Verkünden ihm die Beamten | |
| das Aus. | |
| „Unvorbereitet“ treffe die Nachricht ihren V-Mann, notieren die | |
| Geheimdienstler in einem Vermerk. Der Neonazi war offenbar eine | |
| verlässliche Quelle, weil verschwiegen: „Selbst im engsten Familienkreis“ | |
| habe er seine Spitzeltätigkeit nicht offenbart. Ihre Entscheidung aber, so | |
| die Beamten, komme von oben. Um das NPD-Verbotsverfahren nicht zu | |
| gefährden, würden ab sofort alle V-Leute aus den Vorständen abgeschaltet. | |
| Das geht aus vertraulichen Unterlagen hervor, die die Sicherheitsbehörden | |
| jüngst im laufenden NPD-Verbotsverfahren nachreichten. Damit wollen die | |
| Bundesländer beweisen, dass ihr Material tatsächlich frei von jeder | |
| Mitwirkung durch V-Leute ist – ebenjenem wunden Punkt, an dem der erste | |
| Versuch eines Verbots im Jahr 2003 scheiterte. | |
| „In beispielloser Weise“ und „an der Grenze des rechtlich Zulässigen“ | |
| übersende man bisher geheime Akten, schreiben die Anwälte der Länder. | |
| Hunderte Seiten umfasst ihre Lieferung, die die taz nun in Teilen einsehen | |
| konnte. Obwohl etliche Passagen geschwärzt wurden: ein seltener Einblick in | |
| die Welt der V-Leute. | |
| Elf Spitzel führten die Länder demnach bis Dezember 2012 im Bundesvorstand | |
| oder in Landesvorständen der NPD. Wenige Monate zuvor hatten sich die | |
| Innenminister auf deren Abschaltung geeinigt, um das Verbotsverfahren nicht | |
| zu gefährden. | |
| ## „Verschwiegenheit gegenüber jedermann“ | |
| V-Mann 1519 ließ Niedersachsens Verfassungsschutz bei seinem Treffen eine | |
| „Abschaltungserklärung“ unterzeichnen. Wichtigster Punkt: Auch künftig | |
| gelte „gegenüber jedermann Verschwiegenheit“. Bei einem zweiten | |
| Stelldichein erhielt 1519 eine erste Tranche seiner Abschaltprämie – | |
| insgesamt „neun Monatsvergütungen für jedes Jahr der Zusammenarbeit“. Im | |
| Juli verabschiedeten sich die Beamten final: Ab sofort gelte „totale | |
| Kontaktsperre“ zum Dienst. | |
| Das Ganze hatte allerdings einen Haken: Um nicht enttarnt zu werden, müsse | |
| die Quelle „über einen gewissen Zeitraum weiterhin entgegen des eigenen | |
| Interesses Mitglied in der NPD bleiben“ – und zwar „ca. 5 Jahre“. Dafü… | |
| heißt es später, erhalte 1519 noch für die nächsten zwei Jahre | |
| Spesenzahlungen, die „im Wesentlichen“ für die politische Arbeit ausgegeben | |
| werden sollten – „unauffällig“ in „kleinen und für die Umwelt | |
| nachvollziehbaren Beträgen“. | |
| Sollte sich der V-Mann an den Deal halten, hätte das eine fragliche | |
| Konsequenz: Er wäre noch bis 2017 in der NPD – gegen seinen Willen. Eine | |
| Praxis, die der NSU-Sonderermittler des Bundestags, Jerzy Montag, scharf | |
| kritisiert. | |
| Die Behörden dagegen treibt eher die Angst vor einer Enttarnung ihrer | |
| einstigen Zuträger. Dieses Risiko, so heißt es in den Papieren, sei nun | |
| „deutlich erhöht“. Allein schon nach dem Ausschlussprinzip: Denn genannt | |
| werden in dem neuen Material erstmals auch Spitzenfunktionäre, die | |
| zumindest seit 2003 nicht als V-Leute angezapft wurden – darunter | |
| Ex-NPD-Chef Udo Voigt und Holger Apfel, der heutige Vorsitzende Frank Franz | |
| und sechs weitere Bundesvorstände. Auch die Vorstände der Landesverbände | |
| Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wurden ausgespart. | |
| In der NPD hat die Suche nach den Verrätern bereits begonnen. „Wenn wir das | |
| zweifelsfrei nachweisen können, fliegen die Betroffenen aus der Partei, da | |
| gibt’s kein Vertun“, kündigt Bundesvizechef Frank Schwerdt an. | |
| ## Eine weitere Schlappe unbedingt vermeiden | |
| Das Material zeigt aber auch, dass die Länder eine weitere Schlappe in | |
| Karlsruhe unbedingt vermeiden wollen. Denn heikel bleibt die Sache auch, | |
| weil die Behörden weiter V-Leute in der niederer Ebene der NPD führen. | |
| Rücke einer dieser Spitzel in einen Vorstand auf, müsse er „unverzüglich | |
| und ohne Nachsorge abgeschaltet“ werden. Angeordnet wird auch, NPD-Anwalt | |
| Peter Richter „nicht mehr“ auszuforschen – was bis zum Verbotsantrag | |
| offenbar erfolgte. | |
| Selbst NPDler, die sich an staatliche Aussteigerprogramme wenden, werden | |
| derzeit abgewiesen: Sie könnten Einblick in die Prozessstrategie der Partei | |
| bieten. Ein Bundesvorstandsmitglied, das seit 2013 mehrmals den Ausstieg | |
| suchte, wurde fortgeschickt – auf explizite Weisung der | |
| Verfassungsschutzspitze. | |
| Umso heikler, wenn es doch zu Pannen kommt. So räumen die Länder ein, dass | |
| im Dezember 2013 bei einer Abhörmaßnahme gegen einen Brandenburger | |
| NPD-Funktionär eine „Randerkenntnis“ zum Verbotsverfahren protokolliert und | |
| an vier Länder verschickt wurde. Diese, so wird versichert, sei inzwischen | |
| überall vernichtet – außer in Sachsen, wo ein Schredderstopp herrscht. | |
| Der NPD geben solche Episoden Hoffnung. Bundesvize Schwerdt nennt das neue | |
| Verbotsmaterial „eine Zumutung“, das sich die Länder „auch hätten sparen | |
| können“. Gut möglich, dass die Richter in Karlsruhe das anders sehen. | |
| 1 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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