# taz.de -- Kompromissvorschlag für EU-Reformen: Der Kampf gegen den Brexit | |
> Für Großbritannien und für die Europäische Union steht viel auf dem | |
> Spiel. Es wird bis zuletzt knallhart verhandelt und gepokert. | |
Bild: Gleichklang? Nur beim Hinsetzen: David Cameron (r.) und Donald Tusk. | |
Dublin taz | Am Freitagabend soll der Deal in trockenen Tüchern sein. Am | |
Donnerstag war man aber noch weit entfernt davon. Der britische | |
Premierminister David Cameron hofft, dass die Regierungschefs der anderen | |
EU-Länder dem Kompromissvorschlag für EU-Reformen zustimmen. | |
Drei der vier von Cameron geforderten Reformen sind von Tusk übernommen | |
worden: Euro-Länder dürfen gegenüber Nicht-Euro-Ländern nicht bevorzugt | |
werden. Auch das Prinzip des freien Wettbewerbs in der EU ist unstrittig. | |
Cameron ließ sich außerdem garantieren, dass die nationalen Parlamente | |
gestärkt werden und Großbritannien nicht in eine immer engere Union | |
hineingezogen wird. Wenn mindestens 55 Prozent im Rat der Europäischen | |
Union gegen ein bestimmtes Gesetz sind, gilt ein Veto-Recht. | |
Bei dem für ihn wichtigsten Punkt konnte sich Cameron nicht durchsetzen. Er | |
wollte EU-Migranten in Großbritannien für vier Jahre von Sozialleistungen | |
ausschließen, Kindergeld sollte nicht mehr gezahlt werden, wenn die Kinder | |
im Ausland leben. Der Kompromiss, den Ratspräsident Donald Tusk angeboten | |
hat, sieht eine Art Notbremse vor. Die Sozialleistungen werden nicht | |
gestrichen, sondern lediglich eingeschränkt. Großbritannien muss dafür | |
nachweisen, dass andernfalls das Sozialsystem über Gebühr belastet würde, | |
und die EU muss dem zustimmen. | |
Vier osteuropäische Länder, Polen, Slowakei, Ungarn und Tschechien, wollten | |
dem Kompromissvorschlag nicht zustimmen. Das erklärten sie zumindest auf | |
dem Mini-Gipfel der vier Länder Anfang der Woche. Tusk sagte: „Wir müssen | |
noch einen großen Schritt machen, um eine Einigung zu erzielen.“ | |
## Vertragsänderung gilt als riskant | |
Strittig ist bislang auch, ob die Vereinbarungen zu einer Änderung des | |
Lissabonner Vertrages führen. Dies hatte Cameron immer angemahnt. Hinter | |
den Kulissen werden die Juristen wohl bis in letzter Minute versuchen, eine | |
wasserdichte Formulierung zu finden, die eine Vertragsänderung nicht | |
erforderlich macht. Eine Vertragsänderung müsste nämlich von einigen | |
nationalen Parlamenten neu ratifiziert werden. Ein solcher Schritt gilt | |
aber als riskant. | |
Cameron hatte zudem gehofft, dass das EU-Parlament in dieser Woche eine | |
Erklärung veröffentlichen würde, wonach man sich an die auf dem EU-Gipfel | |
getroffenen Entscheidungen halten werde. Das lehnte Martin Schulz ab. Die | |
Kommission müsse erst die detaillierten Gesetzesänderungen vorlegen, und | |
das kann erst nach dem britischen Referendum geschehen. Bei den Reformen | |
der Sozialleistungen hat das EU-Parlament ein Mitspracherecht. „Keine | |
Regierung kann zu einem Parlament sagen, hier ist unser Vorschlag, könnt | |
ihr das Ergebnis garantieren“, sagte Schulz. | |
Sollte es am Freitag in Brüssel ein Ergebnis geben, das den britischen | |
Wünschen entspricht, will Premier Cameron eine Sitzung des Kabinetts | |
einberufen, um das weitere Prozedere festzulegen. Ab dann können auch die | |
Minister, die für einen EU-Austritt sind, ihre Position in die | |
Öffentlichkeit tragen. Es wird dann damit gerechnet, dass das Referendum im | |
Juni abgehalten werden wird. Ohne eine Einigung in Brüssel könnten alle | |
Verfahren vertagt werden. | |
Doch auch auf der Seite der EU-Gegner herrscht keine Einigkeit. | |
Rivalisierende Gruppen wollen von der Wahlkommission als Hauptorganisation | |
anerkannt werden, denn das würde ihnen finanzielle Unterstützung und | |
Sendezeit im Fernsehen einbringen. | |
Dieser Artikel wurde am 19. Februar um 11.19 geändert. In einer früheren | |
Version war vom Europarat die Rede. Gemeint war der Rat der Europäischen | |
Union. | |
18 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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