# taz.de -- Parlamentswahl in Irland: Wut auf Politik und Banken | |
> Vom jüngsten Aufschwung der Wirtschaft profitieren bislang nur wenige in | |
> Irland. Das dürfte sich bei der Wahl am Freitag deutlich zeigen. | |
Bild: John Foley, unabhängiger Kandidat in Edenderry, vor dem ramponierten Kle… | |
Dublin taz | Am Freitag wählt Irland ein neues Parlament. Wer die Insel | |
danach regieren wird, ist offen. Für die Koalition aus der konservativen | |
Fine Gael (“Stamm der Gälen“) und der ähnlich konservativen Labour Party | |
wird es nicht reichen, und das liegt vor allem an Labour. In manchen | |
Umfragen liegt sie nur noch bei 4 Prozent. | |
Das hat sie sich freilich selbst zuzuschreiben. Knapp 20 Prozent hatten | |
Labour noch 2011 in der Hoffnung gewählt, dass die Partei die harsche | |
Sparpolitik ändere, die dem Land von der Troika aus EU-Kommission, | |
Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds aufgezwungen | |
worden war, doch schon bald folgte die Ernüchterung. Labour hatte sich mit | |
Troika und Fine Gael arrangiert. So muss sich Fine Gael andere | |
Koalitionspartner suchen, will man weiterregieren. | |
Irland ist heute das Vorzeigeprojekt für die Befürworter einer strengen | |
Austeritätspolitik. Im Zuge der Bankenkrise musste die damalige | |
Koalitionsregierung aus konservativer Fianna Fáil (“Soldaten des | |
Schicksals“) und den Grünen 2008 auf Druck der EU und der Finanzwelt eine | |
Bankengarantie verhängen, um die irischen, aber vor allem die deutschen, | |
britischen, französischen und US-Banken zu retten. Das kostete Irland 67,5 | |
Milliarden Euro. Die Folge war, dass das Bruttoinlandsprodukt um 14 Prozent | |
fiel und die Arbeitslosigkeit um 15 Prozent stieg. | |
Inzwischen wächst die Wirtschaft wieder um rund 5 Prozent im Jahr, so dass | |
die Arbeitslosigkeit nahezu halbiert werden konnte. Das lag aber auch an | |
der hohen Auswanderungsrate und zahlreichen Sonderprogrammen, in denen die | |
Arbeitslosen verschwunden sind. An vielen ist der Aufschwung | |
vorbeigegangen. | |
## Koalitionsbildung ist völlig offen | |
Die Banken, die eben noch von den Steuerzahlern gerettet wurden, haben auf | |
Anweisung der Troika die Häuser säumiger Hypothekenzahler in Besitz | |
genommen. Allein im Januar sind 125 Familien obdachlos geworden, insgesamt | |
leben 769 Familien mit 1.570 Kindern in Notunterkünften. Mehr als 100.000 | |
Haushalte stehen auf der Warteliste für Sozialwohnungen. Das | |
Gesundheitssystem ist marode. | |
Bei den Wahlen 2011 wurde die damalige Koalition für die Krise bestraft. | |
Fianna Fáil verlor 51 von 71 Sitzen, die Grünen verschwanden völlig von der | |
Bildfläche. Diesmal wird Fianna Fáil etwas zulegen. Eine logische | |
Konstellation wäre deshalb eine Koalition von Fine Gael und Fianna Fáil, | |
zumal sich beide Parteien politisch kaum unterscheiden. Es hat historische | |
Gründe, dass man sich ziert. Beide Parteien sind aus dem Bürgerkrieg 1922 | |
hervorgegangen. Damals bekämpften sich Befürworter und Gegner des Vertrags | |
mit Großbritannien, der die Teilung der Insel festlegte. | |
Eine wichtige Rolle im neuen Parlament werden die Parteilosen spielen. Das | |
irische Wahlsystem, eine Sonderform der proportionalen Repräsentation, | |
begünstigt unabhängige Kandidaten. Sie könnten diesmal bis zu einem Drittel | |
der Sitze gewinnen, die Mehrheit aus dem linken Spektrum. | |
Für eine Koalition mit Sinn Féin (“Wir selbst“), die auch zulegen wird, | |
reicht das aber nicht. Und die anderen Parteien halten wegen der früheren | |
Verbindung Sinn Féins zur IRA Abstand. Bisher hat sich allerdings noch | |
keine Partei an ihre Aussagen im Wahlkampf gehalten, wenn die Macht lockte. | |
24 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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