| # taz.de -- Britischer Terror in Nordirland: Manche waren sogar Serienmörder | |
| > Noch in den 90er Jahren operierten Geheimdienste ohne Regeln und | |
| > Rücksicht. Bis heute werden die Taten vertuscht und geleugnet. | |
| Bild: Aufmarsch der probritischen Loyalisten in der Shankill Road in Belfast im… | |
| Dublin taz | Es hört sich an wie eine Räuberpistole. Als die | |
| Irisch-Republikanische Armee (IRA) am 23. Oktober 1993 das Fischgeschäft | |
| Frizzels auf der protestantischen Shankill Road in Nordirlands Hauptstadt | |
| Belfast in die Luft sprengte, kostete das die Organisation eine Menge | |
| Sympathien. | |
| Zehn Menschen, darunter einer der Attentäter, waren bei dem Anschlag ums | |
| Leben gekommen. Das eigentliche Angriffsziel soll die Wohnung über dem | |
| Laden gewesen sein, wo eine protestantisch-loyalistische Terrorgruppe | |
| regelmäßig ihre Sitzungen abhielt. | |
| Der Mann, der diesen Anschlag und zahlreiche weitere organisiert hatte, war | |
| Kommandant der Ardoyne-Brigade der IRA. Gleichzeitig arbeitete er für den | |
| Geheimdienst der nordirischen Polizei, die über die Attentatspläne | |
| informiert war. Das geht aus Dokumenten hervor, die der Irish News | |
| vorliegen. | |
| Der Spitzel wird darin als „AA“ bezeichnet. Die Dokumente stammen aus dem | |
| Belfaster Polizeirevier Castlereagh, in dem die Polizei in den siebziger | |
| und achtziger Jahren Gefangene systematisch folterte, wie damalige | |
| Mitarbeiter vor sechs Jahren eingeräumt haben. | |
| ## Der Geheimdienst Ihrer Majestät war immer dabei | |
| Die IRA war 2001 in das Polzeirevier eingebrochen, benötigte aber fast ein | |
| Jahr, um die erbeuteten Dokumente zu entschlüsseln. Seit 2002 wusste sie, | |
| dass „AA“ für den Geheimdienst arbeitete. Er wurde von seinem Posten | |
| entfernt, aber nicht getötet, wie es die IRA sonst mit Agenten machte. Der | |
| heute 59-jährige lebt in West-Belfast. | |
| Dass der britische Inlandsgeheimdienst MI5, der Militärgeheimdienst und die | |
| nordirische Polizei mit protestantisch-loyalistischen Mordkommandos | |
| kooperierten und ihnen Waffen beschafften, ist bewiesen. Bekannt ist auch, | |
| dass einige IRA-Mitglieder für die Geheimdienste arbeiteten. Doch die nun | |
| von der Irish News veröffentlichten Indizien deuten darauf hin, dass die | |
| Geheimdienste beide Seiten gesteuert haben. Die Taten wurden von den | |
| Sicherheitskräften nicht nur gedeckt, sondern auch vertuscht. | |
| Und sie werden es bis heute. Vorige Woche beklagte Lordrichter Weir, der | |
| mit der Untersuchung von 56 Anschlägen in Nordirland betraut ist, dass die | |
| Ausreden des Verteidigungsministeriums und der Polizei „grotesk“ seien. Er | |
| fügte hinzu: „Sie werden auch durch ständige Wiederholungen nicht besser.“ | |
| ## Die FRU spielte Gott | |
| Die frühere nordirische Polizeichefin Nuala O´Loan sagte, die Geheimdienste | |
| haben „außerhalb der Regeln“ operiert. „Aberhunderte sind gestorben, weil | |
| diese Leute nicht gestoppt wurden“, sagte sie. „Viele von ihnen waren | |
| Mörder, und manche waren Serienmörder.“ Nordirlands Polizeichef George | |
| Hamilton sagte jedoch, die Polizei habe keine Regeln verletzt: „Es gab gar | |
| keine Regeln.“ | |
| Das galt vor allem für die „Force Research Unit“ (FRU), eine britische | |
| Spionageeinheit. „Die FRU spielte Gott“, sagte ein britischer Agent. So | |
| plante eine loyalistische Todesschwadron 1987, einen IRA-Mann zu | |
| erschießen, der aber als Agent für die FRU arbeitete. Deshalb lenkte ein | |
| anderer FRU-Agent die Aufmerksamkeit der Attentäter auf einen unbeteiligten | |
| Rentner, der ermordet wurde. | |
| Seit 2007 hat die FRU ihre Aktivitäten in den Irak verlegt. Die Agenten | |
| seien dafür ausgebildet, „abgebrühte Terroristen in Spione für die | |
| Koalition zu verwandeln“, mit Methoden, die in Nordirland entwickelt | |
| wurden. Ändern werde sich durch die Enthüllungen nichts, glaubt der | |
| nordirische Journalist Eamonn McCann: „Es geht nicht um ein paar | |
| schurkische Offiziere, sondern um einen Schurkenstaat.“ | |
| 1 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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