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# taz.de -- Irland wirbt um Arbeitskräfte: Futter für den keltischen Tiger
> Auf der Grünen Insel werden händeringend Arbeitskräfte gesucht. Man setzt
> auf Rückkehrer. Die Lockangebote haben es in sich.
Bild: Als die Kartoffeln knapp waren, flohen viele Iren. Unter anderem mit der …
Dublin taz | Wie jedes Jahr sind Irlands Auswanderer vorübergehend
zurückgekehrt, um mit Eltern und Geschwistern Weihnachten zu feiern. Die
Regierung möchte, dass sie für immer zu Hause bleiben. Auf allen
internationalen irischen Flughäfen hängen Plakate in den Ankunftshallen:
„[1][#hometowork]” – nach Hause zum Arbeiten. Es ist eine Anspielung auf
die erfolgreiche Twitter-Kampagne „#hometovote“, mit der die Emigranten im
Mai aufgefordert wurden, nach Irland zu kommen, um ihre Stimme beim
Referendum über die gleichgeschlechtliche Ehe abzugeben.
KPMG, eins der größten Unternehmen für Wirtschaftsprüfung und
Managementberatung, will potenzielle Arbeitskräfte am liebsten gleich am
Flughafen rekrutieren. Die Firma hat dort Stände aufgestellt und bietet
Interessenten die komplette Organisation des Umzugs einschließlich Flug und
Wohnungsbeschaffung an. Vor allem Letzteres ist ein wesentlicher Anreiz,
denn die Immobilienpreise und Mieten haben ein Niveau erreicht, das nur
geringfügig unter dem der Boomjahre liegt, als Irland den Spitznamen
„keltischer Tiger“ trug.
Auch in anderen Bereichen ist man nicht untätig. Krankenschwestern sollen
mit einem großzügigen Rundum-Paket geködert werden, und auch die
Bauindustrie expandiert wieder. Sie war 2008 nahezu komplett
zusammengebrochen, weil eine unheilige Allianz aus Politik, Banken und
Bauwirtschaft das Land fast in den Bankrott getrieben hatte. Jetzt werden
wieder Arbeitskräfte benötigt. Die jüngsten Daten der Arbeitsämter belegen,
dass derzeit mehr als ein Viertel der Arbeitsuchenden ins Baugewerbe
vermittelt werden.
Regierungssprecher Feargal Purcell, der sich die „#hometowork“-Kampagne
ausgedacht hat, sagt: „Jede Woche werden tausend neue Jobs in Irland
geschaffen.“ Seit 2012 sind 136.000 Jobs in der Privatwirtschaft
entstanden, die Pharmaindustrie benötigt in den nächsten Jahren 3.000
zusätzliche Arbeitskräfte.
Die Arbeitslosenquote, die im Zug der Krise auf fast 16 Prozent gestiegen
war, hat sich nahezu halbiert, was freilich auch an der starken Emigration
liegt. Zwischen 2010 und 2014 sind 300.000 Iren und Irinnen ausgewandert –
meist Menschen zwischen 16 und 45 mit hoher Qualifikation, die nun dringend
gebraucht werden.
Die Emigranten zurückzuholen, das sei der Schlüssel zum wirtschaftlichen
Aufschwung, sagt Premierminister Enda Kenny. Bis 2020, so hofft er, sollen
70.000 zurückkommen. 2016 soll das erste Jahr seit 2008 werden, in dem die
Zahl der Rückkehrer höher ist als die der Auswanderer. Es ist ein wichtiges
Jahr für Irland. Zum einen feiert das Land den 100. Jahrestag des
Osteraufstands gegen die britische Herrschaft, der den Grundstein für die
Unabhängigkeit legte. Zum anderen stehen im Frühjahr Parlamentswahlen an.
## Zahl der Obdachlosen stark gestiegen
Weil die Koalitionsregierung aus der konservativen Fine Gael und der Labour
Party wiedergewähltwerden möchte, hat sie Ende vorigen Jahres zum ersten
Mal seit 2008 einen Haushaltsplan verabschiedet, der die drastische
Sparpolitik mildert. Für viele sind diese Maßnahmen zu halbherzig und
kommen zu spät.
Seit zwei Jahren ist die Zahl der Obdachlosen dramatisch angestiegen. Viele
haben im Zuge der Krise ihre Jobs verloren und konnten ihre Hypotheken
nicht mehr bedienen. Die Banken, die eben noch von den Steuerzahlern
gerettet worden waren, klagten die Säumigen aus ihren Häusern heraus.
Zu Weihnachten verteilten Wohlfahrtsorganisationen mehr als 2.500 Essen an
Bedürftige. Diese Menschen werden nicht von dem Wirtschaftswachstum von
sieben Prozent profitieren, mit dem die Regierung für dieses Jahr rechnet.
Bis 2018 soll der Haushalt ausgeglichen sein, sagt Kenny. Aber dafür muss
man einen Teil der Emigranten zur Heimkehr bewegen.
## Viele werden niemals zurückkehren
Dave Tynan ist einer dieser Rückkehrer. Er hat 2012 einen preisgekrönten
Kurzfilm über die irische Auswanderung gedreht. Viele seiner Freunde werden
niemals nach Irland zurückkehren, sagt er: „Sie haben sich ihr Leben
anderswo aufgebaut, nachdem man sie damals ermutigt hat, die Grüne Insel zu
verlassen.“
Er habe schon damals gewarnt, dass die Austeritätspolitik viele der
talentiertesten jungen Menschen in die Emigration treiben würde. „Wenn man
einer jungen Frau sagt, dass sie verschwinden soll“, fragt Tynan, „kann man
ihr dann sieben Jahre später erklären, dass man sie zurückhaben will? Man
kann es versuchen. Aber vielleicht hört sie dann nicht mehr zu.”
Noch ist die Zahl der Rückkehrer recht niedrig, aber Enda Kenny glaubt,
dass das Interesse bei den Emigranten geweckt sei. In den Abflughallen
werden die Emigranten nach ihrem Besuch auf Plakaten mit dem traditionellen
irischen Gruß „Slán go fóill“ verabschiedet. Darunter steht die
hoffnungsvolle Frage: „Denkst du darüber nach, 2016 nach Irland
zurückzukehren?“
4 Jan 2016
## LINKS
[1] https://twitter.com/search?q=%23hometowork&src=typd
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irland
Austeritätspolitik
Wirtschaftswachstum
IRA
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