# taz.de -- Aus „Le Monde diplomatique“: Die Erde im Kapitalozän | |
> Ungleichheit und Umweltzerstörung haben dieselben Triebkräfte. Ihre | |
> Veränderung wird von den Opfern des Hydrokarbon-Kapitalismus ausgehen. | |
Bild: Smog in Shenyang. Fortschritte sind nicht durch freiwillige Konzessionen … | |
Anthropozän – der Begriff bezeichnet ein neues Erdzeitalter, geprägt durch | |
eine menschliche Gattung, die zur weltbewegenden Kraft geworden ist. Wann | |
diese neue Epoche der Erdgeschichte begonnen hat, ist umstritten. Mit der | |
Eroberung Amerikas und dem Ethnozid der Ureinwohner? Mit dem Aufstieg des | |
Industriekapitalismus, der auf fossilen Energieträgern beruht? Oder mit der | |
Atombombe und der „großen Beschleunigung“ seit 1945? | |
Doch in einem sind sich die Wissenschaftler einig: Wir erleben nicht nur | |
eine Umweltkrise, sondern eine Erschütterung des gesamten Planeten. Auf die | |
Menschheit werden in den nächsten Jahrzehnten Veränderungen des Systems | |
Erde zukommen, die für sie völlig neu sind. | |
Der Begriff Anthropozän steht auch für das gescheiterte Versprechen der | |
Moderne, dass sich die Menschen den Naturbedingungen entziehen könnten. In | |
dieser Hinsicht sind die Wunden, die unserer Erde zugefügt wurden, zugleich | |
ein tiefer Einschnitt in unser Leben. Sie verweisen uns zurück auf die | |
Realität der tausend Abhängigkeiten und Rückkopplungen, die unsere | |
Gesellschaften mit den komplexen Prozessen eines Planeten verbinden, der | |
weder stabil noch unendlich noch von uns getrennt ist. | |
Ein Beispiel nur: Unsere Eingriffe in das Klima machten Millionen Menschen | |
zu Flüchtlingen (heute 22 Millionen, bis 2050 nach UN-Schätzungen 250 | |
Millionen), [1][sie erzeugen Ungerechtigkeiten und geopolitische | |
Spannungen]. Damit schmälern sie die Aussichten auf mehr Gerechtigkeit und | |
Solidarität in der Welt, auf ein besseres Leben für die vielen. Und sie | |
gefährden die fragilen Fortschritte an Demokratie wie bei Freiheits- und | |
sozialen Rechten. | |
Aber wer ist dieser Anthropos als Verursacher des Anthropozäns, das die | |
Erde nachgerade aus ihrer geologischen Bahn geworfen hat? Eine einheitliche | |
„Spezies“, die pauschal für die Krise verantwortlich ist? Wer das | |
behauptet, verwischt die enormen Unterschiede in Bezug auf Einfluss, Macht | |
und Verantwortung, die zwischen den Völkern, den Klassen und den | |
Lebensweisen der Menschen bestehen. Im Übrigen hat die | |
„Anthropozänisierung“ der Erde auch Opfer gefordert und Kritiker | |
hervorgebracht, die uns ein Vermächtnis hinterlassen haben. | |
## Industriellen Entwicklung wirft Planeten aus der Bahn | |
In Wahrheit war das Anthropozän bis vor Kurzem ein Okzidentozän. Vier | |
Fünftel der Treibhausgase, die von 1750 bis 1900 in die Atmosphäre | |
gelangten, wurden in Nordamerika und Westeuropa produziert. In den letzten | |
300 Jahren ist die Weltbevölkerung um das Zehnfache angewachsen. Dabei fiel | |
die Einwirkung auf die Umwelt durch verschiedenen Gruppe ganz | |
unterschiedlich aus. Die Gesellschaften der Jäger und Sammler, die heute | |
vom Aussterben bedroht sind, kann man für die Klimaveränderungen schwerlich | |
verantwortlich machen. Ein reicher Nordamerikaner verursacht in seinem | |
Leben tausendmal mehr Treibhausgase als ein armer Afrikaner. | |
Zwischen 1700 und 2008 hat sich das Kapital – trotz vieler zerstörerischer | |
Kriege – um den Faktor 134 vermehrt. Im selben Zeitraum wuchs die | |
Bevölkerung nur um den Faktor 10. Diese Zahlen zeigen, dass für die Dynamik | |
der Erdtransformation vor allem der Prozess der Kapitalakkumulation | |
verantwortlich ist. Das Anthropozän sollte also eher Kapitalozän heißen, | |
argumentiert der Soziologe Jason Moore. | |
Seit zwei Jahrhunderten hat das Modell der industriellen Entwicklung, das | |
auf der Ausbeutung fossiler Ressourcen beruht, die geologische Entwicklung | |
unseres Planeten aus der Bahn geworfen und die Ungleichheiten noch weiter | |
verschärft. 1820 verfügten die ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung über | |
4,7 Prozent des globalen Einkommens auf, 1992 waren es nur noch 2,2 | |
Prozent. | |
Gibt es eine Beziehung zwischen der Geschichte der Ungleichheit und der | |
Geschichte der weltweiten Umweltzerstörung im Anthropozän? Nein, sagen die | |
Fürsprecher des „grünen Kapitalismus“, die behaupten, dass Markt und | |
Wachstum, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz voll miteinander vereinbar | |
seien. Doch zahlreiche aktuelle Untersuchungen an der Schnittstelle von | |
Geschichte und Geowissenschaft zeigen, dass ökonomische und soziale | |
Herrschaftsverhältnisse, ökologische Verbrechen und Umweltzerstörung auf | |
dieselben Triebkräfte zurückgehen. | |
## 63 Prozent der Emissionen von 90 Konzernen | |
Zwar verändert jedes menschliche Handeln die Umwelt, aber die Auswirkungen | |
sind höchst unterschiedlich. Zum Beispiel gehen mehr als 63 Prozent der | |
seit 1850 verursachten Emissionen von Treibhausgasen auf das Konto von nur | |
90 Konzernen. Die Länder, die in dieser Hinsicht die Atmosphäre am | |
stärksten belasten, sind und waren die historisch stets dominierenden | |
Wirtschaftsmächte. Das war zunächst Großbritannien, das in der | |
viktorianischen Epoche des 19. Jahrhunderts nicht nur die halbe Welt | |
kolonisierte, sondern auch die Hälfte des Kohlendioxids produzierte. Ab | |
Mitte des 20. Jahrhunderts waren es die USA, aber auch deren Konkurrenten, | |
die Staaten des sowjetischen Machtbereichs, deren System nicht weniger | |
zerstörerisch war. | |
Heute emittiert China mehr Treibhausgase als die USA und Europa zusammen. | |
Überdies hat Peking lange zu niedrige Zahlen über den Kohleverbrauch des | |
Landes und damit seine CO2-Emissionen gemeldet. Die Konkurrenz des | |
Riesenreichs mit den USA führte in der Vergangenheit zu einem Run auf | |
fossile Brennstoffe, wird sich künftig aber auch in Bereichen wie | |
Digitaltechnik und „grüne“ Technologien abspielen. Kann man angesichts | |
dieser historischen Realität die weltweiten Eingriffe in das Klima | |
begrenzen, ohne den Wettlauf um die wirtschaftliche und militärische | |
Vorherrschaft infrage zu stellen? | |
Die Eroberung der wirtschaftlichen Hegemonie durch die „Nationalstaaten des | |
Zentrums“ (Immanuel Wallerstein) verhalf deren kapitalistischer Elite zur | |
globalen Dominanz. Das machte es zugleich möglich, in diesen Ländern eine | |
Art sozialen Frieden zu erkaufen, indem die beherrschten Klassen an der | |
Konsumgesellschaft beteiligt wurden. Allerdings nur um den Preis einer | |
ökologischen Verschuldung, sprich ungleicher ökologischer | |
Tauschverhältnisse mit den übrigen Regionen der Welt. | |
Der marxistische Begriff „ungleicher Tausch“ bezeichnet das Verhältnis von | |
Peripherie und Zentrum, zwischen denen ungleiche Arbeitsmengen getauscht | |
werden. „Ungleicher ökologischer Tausch“ ist demnach die Asymmetrie, die | |
entsteht, wenn Regionen der Peripherie Produkte mit einem hohen | |
ökologischen Gebrauchswert exportieren und dafür ökologisch minderwertige | |
Produkte erhalten oder gar Produkte, die Umweltschäden verursachen (wie | |
Abfälle oder Treibhausgase). | |
## Der ökologische Fußabdruck des „Wirtschaftswunders“ | |
Der ökologische Wert lässt sich auf unterschiedliche Weise messen: Anhand | |
der Bodenfläche, die für die Erzeugung von Waren und Dienstleistungen nötig | |
sind; anhand des „[2][ökologischen Fußabdrucks]“, also der Menge an Energ… | |
oder Materie (wie Biomasse, Erze, Wasser); oder anhand der Abfälle, der | |
Schäden und der Entropie, die erzeugt und ungleich verteilt werden. | |
Diese Form der Analyse der weltweiten wirtschaftlichen Tauschverhältnisse | |
ermöglicht einen neuen Blick auf den Stoffwechsel unserer Gesellschaften; | |
und auf die historische Abfolge der „Welt-Ökologien“ (Jason Moore), für d… | |
jeweils eine bestimmte (asymmetrische) Verteilung von Materie, Energie und | |
umweltschädlichen oder -schonenden Verfahren charakteristisch ist. | |
Der Historiker Kenneth Pomeranz hat gezeigt, welche Rolle der ungleiche | |
ökologische Tausch beim Eintritt Großbritanniens in das Industriezeitalter | |
spielte. Die Eroberung Amerikas und die Kontrolle des atlantischen | |
Sklavenhandels ermöglichten den Europäern eine ursprüngliche Akkumulation, | |
von der vornehmlich die Briten profitierten, weil sie im 18. Jahrhundert | |
die überlegene Seemacht waren. Das eröffnete ihnen den Zugang zu den | |
Ressourcen der übrigen Welt, die sie für ihre industrielle Entwicklung | |
brauchten: Ohne Sklavenarbeit kein Zuckerrohr (Zucker machte um 1800 rund 4 | |
Prozent der Energieaufnahme der Bevölkerung aus), keine Baumwolle für die | |
britischen Manufakturen, weder Wolle noch Holz noch Guano, Weizen oder | |
Fleisch. | |
Mitte des 19. Jahrhunderts war die landwirtschaftlich genutzte Fläche an | |
der Peripherie des Imperiums deutlich größer als in seinem Zentrum. | |
Entsprechend ungleich war der Tausch: Wenn britische Fabrikanten1850 etwa | |
1000 Pfund in Manchester hergestellte Stoffe gegen 1000 Pfund | |
amerikanischer Rohbaumwolle tauschten, machten sie einen Gewinn von 46 | |
Prozent durch ungleichen Tausch von Arbeitskraft, und von sagenhaften 6000 | |
Prozent im Hinblick auf die genutzte Anbaufläche durch ökologisch | |
ungleichen Tausch. Das britische Empire konnte sein heimisches Territorium | |
auch ökologisch entlasten. Die Aneignung von Arbeitskraft und Ökosystemen | |
der Peripherie waren Bedingungen seiner Industrialisierung. | |
Auch das „Wirtschaftswunder“ nach dem Zweiten Weltkrieg ging mit wachsendem | |
Energiehunger und einer negativen CO2-Bilanz einher. Während in der ersten | |
Hälfte des 20. Jahrhunderts ein jährlicher Zuwachs des Konsums von fossilen | |
Energien um 1,7 Prozent für ein weltweites Wachstum von 2,13 Prozent pro | |
Jahr ausgereicht hatte, erforderte das durchschnittliche | |
Wirtschaftswachstum von 4,18 Prozent im Zeitraum von 1945 bis 1973 einen um | |
4,5 Prozent erhöhten Verbrauch fossiler Energien. | |
Eine abnehmende Energieeffizienz zeigte sich auch bei anderen mineralischen | |
Rohstoffen: Während im Zeitraum von 1950 bis 1970 das weltweite | |
Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 260 Prozent wuchs, stieg der Verbrauch von | |
Erzen und Bergbauprodukten für die Industrie um 300 Prozent, dasselbe gilt | |
für Baumaterial. Insgesamt ist der ökologische Fußabdruck des Menschen | |
zwischen 1961 und Ende der 1970er Jahre von 63 Prozent der globalen | |
Biokapazität auf über 100 Prozent angestiegen. Anders gesagt: Seither | |
verbrauchen wir mehr Ressourcen, als unser Planet zu bieten hat, und | |
hinterlassen mehr Abfall, als er aufnehmen kann. | |
## Gigantische Ausbeutung | |
Der Wettlauf der Systeme, den sich der Westen und der Ostblock im Kalten | |
Krieg lieferten – bei Produktion und Konsum, mit Wettrüsten und Wettlauf um | |
die Eroberung des Weltraums – erforderte eine gigantische Ausbeutung der | |
natürlichen und menschlichen Ressourcen. Es gab jedoch einen wichtigen | |
Unterschied. Das kommunistische Lager beutete hauptsächlich seine eigene | |
Umwelt aus: Die Bilanz des Rohstoffhandels war fast ausgeglichen, und die | |
zahlreichen ökologischen Katastrophen ereigneten sich auf dem eigenen | |
Territorium. | |
Die westlichen Industrieländer hingegen nutzten für ihr Wachstum in großem | |
Umfang mineralische und erneuerbare Ressourcen aus anderen Ländern: Die | |
Nettoimporte stiegen von 1950 bis 1970 von jährlich 299 Milliarden Tonnen | |
auf 1282 Milliarden Tonnen. Sie kamen aus dem Rest der nichtkommunistischen | |
Welt, die dadurch ihre Rohstoff- und Energieressourcen verlor. | |
Diese Ausbeutung war ökonomisch ungleich. Die Terms of Trade für die | |
Primärgüter (Rohstoffe und Nahrungsmittel) produzierenden | |
„Entwicklungsländer“ fiel von 1950 bis 1972 um fast 20 Prozent. Aber das | |
Tauschverhältnis war auch ökologisch ungleich: Während China und die UdSSR | |
um 1973 einen ökologischen Fußabdruck hinterließen, der 100 Prozent ihrer | |
heimischen Biokapazität entsprach, betrug dieser Wert für die USA bereits | |
damals 176 Prozent, für die Bundesrepublik Deutschland sogar 292 Prozent. | |
Bei vielen Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika lag diese Kennziffer | |
unter 50 Prozent. | |
## Ein Verbrechen wie früher der Sklavenhandel | |
Motor des „Wirtschaftswunders“ war in dieser Zeit offenbar die | |
atemberaubende ökologische Verschuldung der westlichen Industrieländer, die | |
das kommunistische System überflügelten – das krasse Gegenteil einer | |
nachhaltigen Entwicklung. Die gewaltigen Emissionen von Schadstoffen und | |
Treibhausgasen schädigten auch die ökologischen Reparaturmechanismen in | |
anderen Teilen der Welt. Damit entstand eine Kluft zwischen den | |
Volkswirtschaften, die viel Reichtum produzieren, ohne schwere Schäden im | |
eigenen Land zu riskieren, und den anderen, deren Wirtschaftstätigkeit das | |
eigene Territorium stark belastet. | |
Der ungleiche ökologische Tausch zwischen beiden Typen von Volkswirtschaft | |
dauert bis heute an: Da gibt es die 5 Prozent der reichsten Staaten, die | |
ihre Wirtschaftskraft und ihren sozialen Frieden mittels Emissionsgrenzen | |
für Treibhausgase, die weit über dem weltweiten Durchschnitt liegen, zu | |
bewahren suchen (siehe Karte unten). Und da gibt es die Regionen (vor allem | |
Inseln, tropische Regionen und Küstenstaaten) sowie Bevölkerungsgruppen | |
(hauptsächlich die ärmsten), die vom Klimawandel am stärksten betroffen | |
sind. | |
Die Wälder in diesen Regionen sollen überdies die Auswirkungen der massiven | |
Emissionen in den reichen Regionen abfangen, und zwar entweder umsonst oder | |
gegen eine geringe Entschädigung durch Mechanismen wie Reducing Emissions | |
from Deforestation and Forest Degradation (REDD) und andere Märkte für | |
ökologische Waren und Dienstleistungen. Das ist zugleich eine neue Form des | |
ungleichen Tauschs, wobei die ökologische Schuld der reichen Länder die | |
Staatsverschuldung der armen bei weitem übersteigt. | |
Es ist die Aufgabe unserer Generation und der politischen | |
Entscheidungsträger, diese zerstörerische und ungerechte Entwicklung zu | |
stoppen. Dafür müssen wir einen Teil der fossilen Ressourcen und alle | |
Emissionen einfrieren, die die Temperatur auf der Erde um mehr als 2 Grad | |
ansteigen lassen – nach Ansicht einiger Klimaforscher muss der Anstieg | |
sogar auf 1,5 Grad begrenzt werden. Dies zu versäumen, wäre nichts anderes | |
als ein Anschlag auf die Sicherheit unseres Planeten, der viele Menschen | |
hart treffen wird. Obwohl die Kausalbeziehungen und die Berechnungen | |
kompliziert sind, wissen wir, dass jede Gigatonne Kohlendioxid jenseits des | |
„2-Grad-Ziels“ mehrere Millionen weitere Klimaflüchtlinge bedeutet. Was | |
Condorcet und der Abbé Raynal einst über die Sklaverei sagten, gilt heute | |
für die unkontrollierten Emissionen von Treibhausgasen: Es handelt sich um | |
ein „Verbrechen“. | |
## Gegen Klimaverbrechen kämpfen wie gegen die Apartheid | |
Die Idee der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens ist heute erneut | |
bedroht. Desmond Tutu, der südafrikanische Erzbischof und Kämpfer gegen die | |
Apartheid, formuliert es so: Die Reduzierung des Kohlenstoff-Fußabdrucks | |
ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sie ist auch „das größte | |
Projekt zur Verteidigung der Menschenrechte“. Es kann nicht sein, dass | |
Einzelne und Unternehmen sich durch Aktivitäten bereichern, die | |
Klimaverbrechen darstellen. Erzbischof Tutu appellierte an alle, gegen die | |
Ursachen und die Verursacher des Klimawandels so zu kämpfen, wie gegen die | |
Apartheid gekämpft wurde: mit moralischer Verurteilung, Boykotten und | |
zivilem Ungehorsam, mit dem Abzug von Investitionen und mit der ganzen | |
Härte des Völkerrechts. | |
Die Sklaverei wurde nicht überwunden, indem man die Kolonialherren | |
aufforderte, Vorschläge für die Reduzierung der Zahl der importierten | |
Sklaven zu präsentieren. Genauso wenig können wir heute Fortschritte | |
erwarten, wenn wir auf freiwillige Konzessionen von Staaten setzen, die in | |
einen gnadenlosen Wirtschaftskrieg verstrickt sind. Ebenso wenig können wir | |
unser künftiges Klimas der unsichtbaren Hand eines Markts für | |
Emmissionszertifikate überlassen, der Atmosphäre, Böden und Wälder zu | |
spekulativen Geldanlagen macht. | |
Die Kräfte der Veränderung werden wir eher unter den Opfern des | |
Hydrokarbon-Kapitalismus finden: den Fischern in Ozeanien, die für ihre | |
Fischbestände kämpfen, den Aktivisten, die sich gegen die Abholzung der | |
Wälder engagieren, und den Klimaflüchtlingen. Und wir müssen auf die | |
moralischen Empörung all jener Menschen in den reichen Ländern setzen, die | |
bei der Zerstörung nicht länger mitmachen wollen. | |
Sie demonstrieren ihre Weigerung auf unterschiedlichen Weise: mit dem | |
Bemühen, mit weniger besser zu leben; mit Druck auf die Banken, keine | |
Unternehmen mehr zu finanzieren, die das Klima schädigen; mit Kampagnen | |
gegen Regierungen, die von Emissionsreduktion nur reden, statt endlich zu | |
handeln, mit dem Widerstand gegen unsinnige Großprojekte. | |
Würden Jean Jaurès, Mahatma Gandhi und Rosa Parks heute leben, würden sie | |
gewiss dafür kämpfen, den Klimaverbrechen ein Ende zu setzen und den 90 | |
Kohlenstoff-Sklavenhändlern das Handwerk zu legen, damit das Kapitalozän | |
endlich überwunden wird. | |
Aus dem Französischen von Ursel Schäfer ; [3][Fußnoten und | |
Literaturverweise hier.] | |
13 Dec 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://monde-diplomatique.de/artikel/!5226453 | |
[2] http://www.footprintnetwork.org/en/index.php/GFN/ | |
[3] http://monde-diplomatique.de/artikel/!5247299#fn1 | |
## AUTOREN | |
Christophe Bonneuil | |
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