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# taz.de -- Weltweiter Tag gegen Gewalt an Frauen: Keine Märchenhochzeit
> Jährlich werden 14 Millionen Mädchen minderjährig verheiratet – manche
> auch in Deutschland. Terre des Femmes will dem ein Ende setzen.
Bild: Kinderehe: Was hier nur inszeniert ist, ist für 39.000 Mädchen weltweit…
BERLIN taz | Ließe man sich vom ersten Eindruck trügen, so wähnte man sich
auf einer Traumhochzeit. Zwei schwarze Pferde ziehen eine mit glitzernden
Sternen behangene Kutsche vor das Brandenburger Tor. Der strahlende
Bräutigam begrüßt die Hochzeitsgesellschaft, er redet von Liebe und
Verantwortung. Dann platzt die glitzernde Seifenblase. Die Braut an seiner
Seite lüftet ihren Schleier. Sie ist ein Mädchen, ein Kind, gerade mal zehn
Jahre alt. Ihr Hochzeitstag ist der 25. November; der Internationale Tag
gegen Gewalt an Frauen.
„Für 39.000 Mädchen weltweit ist eine solche Hochzeit täglich traurige
Realität“, sagt Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von [1][Terre des
Femmes]. Die Frauenrechtsorganisation hat die Hochzeit am Brandenburger Tor
inszeniert, um auf die weltweite Problematik von Kinderehen aufmerksam zu
machen.
„Laut [2][UN-Bevölkerungsfond] werden über 14 Millionen Mädchen vor ihrem
18. Geburtstag verheiratet, viele sind noch nicht mal 15 Jahre alt“, sagt
Stolle. In den allermeisten Fällen bedeute eine solche Heirat für die
jungen Frauen das Ende ihrer Bildungschancen und somit die ökonomische
Abhängigkeit vom Ehemann sowie die Gefahr sexualisierter Gewalt und früher
Mutterschaft – diese sei weltweit bei 15- bis 19-Jährigen die „Todesursache
Nummer eins“, erklärt Stolle.
Einer [3][Studie von Unicef] zufolge gibt es weltweit 876 Millionen
erwachsene verheiratete Menschen, die vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet
wurden. 720 Millionen davon sind Frauen. Fast die Hälfte der Betroffenen
lebt in Südasien, allein Indien macht 33 Prozent der Fälle aus. Auch in
afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten sind die Zahlen hoch. Die
Ursache ist fast immer eine Konstellation aus Armut, Tradition,
patriarchalen Strukturen und mangelnder Bildung. Doch auch in Europa werden
Minderjährige zur Heirat gezwungen, wenn auch in deutlich geringerem Maße.
## Auch „eheähnliche Verbindungen“
„Auch in Deutschland ist es möglich, bereits mit 16 Jahren zu heiraten,
vorausgesetzt, der künftige Ehegatte ist volljährig und das Familiengericht
erteilt eine Befreiung vom Volljährigkeitserfordernis“, heißt es von Terre
des Femmes. Die Organisation fordert, das Mindestalter für eine
Eheschließung ohne Ausnahme auf 18 Jahre anzuheben – ein Appell, der
international auch von Unicef oder Human Rights Watch geteilt wird. In
Europa trifft das bisher einzig auf Schweden und die Schweiz zu.
In Deutschland sei ein Drittel der knapp 3.500 Betroffenen, die sich im
Jahr 2008 wegen angedrohter oder vollzogener Zwangsheirat an
Beratungsstellen gewandt hätten, minderjährig gewesen, so Terre des Femmes.
In etwa der Hälfte der Fälle sei es nicht um eine standesamtliche, sondern
um eine traditionalistische oder religiöse Zeremonie gegangen. Deswegen
müsse der Straftatbestand der Zwangsheirat (§ 237 StGB) neben der „Ehe“
auch „eheähnliche Verbindungen“ erfassen.
Zudem müsse Deutschland mehr Mittel für Prävention und Aufklärung
bereitstellen und auch international Maßnahmen zur Abschaffung von Frühehen
vorantreibt – unter anderem durch Bildungsprogramme, um Mädchen Wege in ein
selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
## Mord an den Mirabal-Schwestern
„Das sind Vorschläge, die wir innerhalb der Koalition diskutieren müssen“,
sagt Elke Ferner (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im
Familienministerium. Auch sie war zur „Hochzeitszeremonie“ geladen. Ob
Gesetzesänderungen der richtige Weg seien, kann die Bundestagsabgeordnete
aber nicht sagen. So helfe es nicht, bestimmte Formen der Eheschließung in
Deutschland zu verbieten, diese aber anzuerkennen, wenn sie im Ausland
geschlossen wurden. „Da muss man Vieles noch bis zum Ende denken.
Hintergrund des jährlichen Internationalen Tags gegen an Frauen ist die
Ermordung der drei Schwestern Mirabal. Die Regimegegnerinnen wurden am 25.
November 1960 in der Dominikanischen Republik unter dem damaligen Diktator
Rafael Trujillo vom militärischen Geheimdienst entführt und getötet.
Erstmals begangen wurde der Tag im Jahr 1981 von karibischen und
lateinamerikanischen Feministinnen. 1999 wurde er von den Vereinten
Nationen als offizieller Gedenktag anerkannt. Terre des Femmes organisiert
seit 1981 jedes Jahr Veranstaltungen.
25 Nov 2015
## LINKS
[1] http://www.frauenrechte.de/online/index.php
[2] http://www.unfpa.org/child-marriage
[3] http://www.unicef.org/media/files/Child_Marriage_Report_7_17_LR..pdf
## AUTOREN
Dinah Riese
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