# taz.de -- Zwangsehe in Nigeria: Mordprozess gegen 14-Jährige | |
> Mit Rattengift soll eine gegen ihren Willen verheiratete 14-Jährige ihren | |
> 21 Jahre älteren Mann und drei weitere Menschen getötet haben. Jetzt | |
> droht ihr die Todesstrafe. | |
Bild: Straßenszene im muslimisch geprägten Norden Nigerias. | |
GEZAWA afp | In Nigeria steht ein 14-jähriges Mädchen vor Gericht, das zwei | |
Wochen nach der Hochzeit ihren 21 Jahre älteren Mann sowie drei weitere | |
Opfer mit Rattengift getötet haben soll. Die ersten Zeugen bestätigten zum | |
Prozessauftakt am Mittwoch die Version der Anklage. Sollte die 14-Jährige | |
des Mordes schuldig gesprochen werden, droht ihr die Todesstrafe. | |
Wasila Tasi‘u stammt aus einer armen Familie im muslimisch geprägten Norden | |
des Landes. Dort sind neben Polygamie auch Ehen mit jungen Mädchen | |
verbreitet. Die Anklage wirft der jungen Frau vor, ihrem 35-jährigen Mann | |
im April während einer nachträglichen Hochzeitsfeier ein mit Rattengift | |
versetztes Essen verabreicht zu haben. Er und drei weitere Gäste, die von | |
der Speise aßen, starben. | |
Als erste Zeugin der Anklage sagte ein siebenjähriges Mädchen aus, das die | |
Schwester der Zweitfrau des Ehemanns sein soll und mit dem Paar im selben | |
Haus lebte. Hamziyya gab an, dass Tasi‘u ihr umgerechnet rund 35 Euro-Cent | |
gegeben habe, um davon in einem Geschäft des Dorfes Rattengift zu kaufen. | |
„Sie sagte mir, sie könne die Ratten in ihrem Zimmer nicht mehr ertragen“, | |
berichtete das Mädchen. Der Ladeninhaber bestätigte, das Gift an die Kleine | |
verkauft zu haben. | |
## „Schwarze Partikel, die wie Sandkörner aussahen“ | |
Ein Nachbar sagte anschließend aus, er habe ebenfalls von der Speise | |
gegessen, sie wegen ihres seltsamen Geschmacks aber nach wenigen Bissen | |
stehen gelassen. „Ich bemerkte darin schwarze Partikel, die wie Sandkörner | |
aussahen“, sagte Abdulrahim Ibrahim. Im Gegensatz zu ihm habe der Ehemann | |
Umar Sani aber weitergegessen und sei kurz darauf gestorben, ebenso wie | |
drei weitere Gäste. | |
Wasila Tasi‘u plädiert auf nicht schuldig. Richter Mohammed Yahaya vom | |
Gericht in Gezawa hatte zuvor ein Gesuch der Verteidigung abgelehnt, den | |
Fall an ein Jugendgericht zu übergeben. | |
Nach der Aussage der ersten Zeugen vertagte er den Prozess auf den 22. | |
Dezember. Menschenrechtler fordern die Freilassung der 14-Jährigen, die sie | |
als Opfer von Zwangsverheiratung und Vergewaltigung ansehen. Auch der | |
Polizeisprecher des Staates Kano, Musa Magajia Majia, ist überzeugt, dass | |
Wasila Tasi‘u aus Verzweiflung mordete, „weil sie von ihren Eltern | |
gezwungen wurde, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte“. | |
Die Familien des Mädchens und seines getöteten Mannes bestreiten hingegen, | |
dass die Ehe gegen den Willen der Jugendlichen vollzogen wurde. Sie habe | |
unter drei Anwärtern auswählen können, sagte ihr Vater. | |
## Ein kulturell gespaltenes Land | |
Der Fall steht einmal mehr auch für die religiösen und kulturellen Gräben | |
zwischen dem mehrheitlich muslimischen Norden und dem vorwiegend | |
christlichen Süden des Landes. Zwar ist Unzucht mit Minderjährigen in | |
Nigeria verboten; doch die Scharia, die islamische Rechtssprechung, erlaubt | |
je nach Auslegung sexuelle Beziehungen zu Minderjährigen und ist in den | |
muslimischen Bundesstaaten des Nordens gültig. | |
Sollte die 14-Jährige tatsächlich zum Tode verurteilt werden, gilt als | |
wenig wahrscheinlich, dass das Urteil auch vollstreckt wird. Nach Angaben | |
der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wurde eine Minderjährige | |
in Nigeria zum letzten Mal im Jahr 1997 zur Zeit der Militärdiktatur | |
hingerichtet. | |
27 Nov 2014 | |
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