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# taz.de -- Wahlen in Nigeria: Norden gegen Süden
> Im Februar 2015 werden in Nigeria Präsident und Parlament neu gewählt.
> Das Ergebnis wird darüber entscheiden, ob sich das Land weiter spaltet.
Bild: Aktivisten protestieren gegen die Nutzlosigkeit der Regierung.
BERLIN taz | In den nächsten 100 Tagen entscheidet sich, ob Nigeria geeint
und einigermaßen friedlich bleibt – oder ob die erstarkende islamistische
Untergrundarmee Boko Haram, zusammen mit einem voraussichtlich harten
Wahlkampf, Afrikas bevölkerungsreichsten Staat in die tiefste Krise seit
der Jahrtausendwende treibt.
Nigeria wählt am 14. Februar 2015 einen neuen Präsidenten und ein neues
Parlament. Seit der Rückkehr zur Demokratie 1999 regiert hier unangefochten
die People’s Democratic Party (PDP) – aber diesmal könnte es schwierig
werden. Denn das breite Bündnis aus der nordnigerianischen Militärelite und
der südnigerianischen Geschäftswelt, das die PDP bisher trug, droht
auseinanderzubrechen.
Bei den letzten Wahlen 2011 war die politisch-geografische Spaltung schon
offensichtlich: der mehrheitlich christliche Süden wählte fast geschlossen
Goodluck Jonathan, einen Christen aus dem Süden; der mehrheitlich
muslimische Norden wählte fast geschlossen Exmilitärdiktator Muhammadu
Buhari, einen Muslim aus dem Norden.
Ob Goodluck Jonathan 2011 überhaupt hätte antreten sollen, war damals
umstritten, und seine erneute Kandidatur 2015 ist es erst recht. Denn als
Nigerias Militärdiktatoren 1999 von der Macht ließen, gab es zwischen
Nigerias Politikern die ungeschriebene Vereinbarung, dass Nord und Süd sich
künftig an der Macht abwechseln. Auf die nordnigerianischen Diktatoren
folgte daher zunächst als gewählter Präsident der Südnigerianer Olusegun
Obasanjo für zwei Amtszeiten. 2007 folgte auf ihn der Nordnigerianer Umaru
Musa Yar’Adua. Als dieser 2010 im Amt starb, rückte sein Vize Goodluck
Jonathan aus dem Süden nach.
## Der vernachlässigte Norden
Das Establishment des Nordens wertete Jonathans Aufstieg ins höchste
Staatsamt als Betriebsunfall. Es hätte 2011 gerne gesehen, dass ein neuer
„Nordist“ für die PDP an die Macht kommt. Stattdessen blieb Jonathan, und
will jetzt noch länger bleiben. Von den 15 Jahren Demokratie in Nigeria
seit 1999 haben 12 Jahre lang christliche Präsidenten aus dem Süden
regiert, und nur drei Jahre lang regierte ein Muslim aus dem Norden.
Kein Wunder, dass sich der Norden vernachlässigt fühlt – zumal in den
nordöstlichen Bundesstaaten Borno, Adamawa und Yobe inzwischen Nigerias
blutigster Bürgerkrieg seit dem Biafra-Sezessionskrieg vor 45 Jahren tobt.
Mehrere zehntausend Menschen wurden getötet, seit die islamistische Sekte
Boko Haram (Westliche Bildung ist Sünde) 2009 nach der Erstürmung ihres
Hauptquartiers durch die Sicherheitskräfte in den Untergrund ging und den
bewaffneten Kampf aufnahm; 700.000 sind auf der Flucht. An der Grenze zu
Kamerun hat die Sekte ein Kalifat ausgerufen und operiert jetzt
grenzüberschreitend.
## Gehälter verschwinden
Nigerias Armee erweist sich als unfähig, die Islamisten aufzuhalten.
Soldaten aus dem Süden kennen sich im Norden nicht aus, ihre Gehälter
verschwinden oft spurlos, ihre Ausrüstung landet auf mysteriöse Weise beim
Gegner. Die für ihre Brutalität bekannten nigerianischen Generäle kümmern
sich kaum um den Schutz der Zivilbevölkerung; Angriffe der Armee fordern
regelmäßig zivile Opfer. Ein angeblicher Waffenstillstand mit Boko Haram,
den die Regierung Mitte Oktober verkündete, erwies sich als Luftnummer.
Seitdem schlagen die Islamisten so hart zu wie nie zuvor.
Liegt all das an der Inkompetenz des Präsidenten? Oder sabotieren hohe
Generäle den Krieg gegen Boko Haram bewusst, um den Präsidenten zu
schwächen? Das dürfte den Wahlkampf bestimmen. Aber eines ist sicher: Viele
Menschen sind wütend.
Die Entführung von über 200 Schulmädchen durch Boko Haram im Ort Chibok
Mitte April sorgte für eine bis heute anhaltende, außergewöhnliche
zivilgesellschaftliche Mobilisierung im ganzen Land. Und in der zu
erwartenden erneuten Konfrontation zwischen Jonathan und Buhari an der
Wahlurne 2015 identifizieren sich Boko Harams Opfer mit keiner Seite.
12 Nov 2014
## AUTOREN
Dominic Johnson
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