Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Gesetz gegen „Kinderehen“: Regelfall „Ehe-Alptraum�…
> „Kinderehen“ sind fachlich sehr komplex und deshalb kein gutes
> Wahlkampfthema. Der Gesetzentwurf des Justizministers wird dem nicht
> gerecht.
Bild: Würde in Deutschland wohl wieder aufgelöst: Die Ehe zwischen einer 16-J…
Natürlich können Minderjährige noch kaum die Tragweite einer Eheschließung
verstehen. Bei Mädchen kommt das erhöhte Risiko einer Jugendschwangerschaft
hinzu. Ein gewisser Teil der Minderjährigen-Ehen dürften sogar Zwangsehen
auf Druck der Familien sein. Hier muss der Staat sicher deutliche Angebote
zum Ausstieg machen.
Allerdings ist die Vorstellung naiv, man müsse minderjährige Ehepartner,
sobald sie als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, generell aus einem
„Ehe-Alptraum“ befreien. Nach gemeinsam überstandener Flucht und der
Ankunft in einem sehr fremden Land wäre eine Zwangstrennung vom Ehegatten
für die meisten Betroffenen eher ein Schock. Es wäre deshalb fatal, wenn
der deutsche Staat stets, das heißt ohne Betrachtung des Einzelfalls,
diesen Weg beschreiten würde.
Justizminister Maas hat nun aber einen Gesetzentwurf vorgelegt, der leider
stark in diese Richtung geht. Ehen sollen generell als nicht-existent
behandelt werden, wenn einer der Partner zum Zeitpunkt der Heirat jünger
als 16 war. Und wenn einer der Partner bei der Heirat zwischen 16 und 18
Jahre alt war, soll die Ehe in der Regel vom Familiengericht aufgehoben
werden.
Positiv ist immerhin, dass Maas sich auf diejenigen konzentriert, die heute
minderjährig verheiratet sind. Wer vor Jahren oder Jahrzehnten mit 15 oder
17 geheiratet hat und heute immer noch verheiratet ist, muss keine
Unwirksamkeit oder Aufhebung seiner Ehe befürchten. Eigentlich ist so etwas
selbstverständlich, aber auch darüber wurde schon diskutiert.
## Schwarz-weiße Wohlfühlklientel
Bedauerlich ist aber, dass es bei Ehen, die unter 16 geschlossen wurden,
gar keine Härtefallklausel gibt. Und bei Heiraten, die zwischen 16 und 18
erfolgten, ist die Härtefallklausel viel zu streng. Maas will die
erforderliche Flexibilität nur in Extremfällen erlauben. So könne eine
Minderjährigen-Ehe laut Gesetzesbegründung etwa dann bestehen bleiben, wenn
der minderjährige Partner „lebensbedrohlich“ krank ist oder an einer
„krankheitsbedingten Suizidabsicht“ leidet.
Damit verfehlt Maas den einzigen Maßstab, der wirklich naheliegt: das
Wohlergehen der betroffenen Jugendlichen. Fast alle Fachverbände sind für
eine Einzelfallprüfung mit Blick auf das „Kindeswohl“. Doch die Politik
ignoriert die Stimmen der Fachleute. Ihr geht es eben nicht ums Kindeswohl,
sondern um schwarz-weiße Wohlfühlpolitik für die eigene Klientel.
Wer für eine (fast) automatische Annulierung und Aufhebung von
Minderjährigen-Ehen ist, macht Wahlkampf auf dem Rücken derjenigen, die er
eigentlich schützen will. Minister Maas ist hier keineswegs der Schlimmste.
Er ist auch nur ein Getriebener der Abgeordneten, und zwar nicht nur
solcher der CDU/CSU.
24 Feb 2017
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Kinderehe
Minderjährige
Minderjährige Geflüchtete
Geflüchtete
Ehe
Kinderehe
Kinderehe
Bundestag
Kinderehe
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Gewalt gegen Frauen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verfassungsgericht zu Kinderehen: Nachbessern nötig
Kinderehen automatisch für nichtig zu erklären, ist nicht unproblematisch.
Sinnvoller wäre eine Rückkehr zur Einzelfallprüfung.
Entscheid von Bundesverfassungsgericht: Verbot von Kinderehen bleibt
Das Bundesverfassungsgericht fordert Nachbesserungen bei der Regelung. Der
Kern bleibt aber bestehen: Ehen von Minderjährigen sind nichtig.
Verbot von Kinderehen: Experten zerreißen Gesetzentwurf
„Man darf hier nicht alle über einen Kamm scheren“: Der Vorschlag aus dem
Justizministerium stößt bei einer Kommission auf heftige Kritik.
Gesetzentwurf zu „Kinderehen“: Ehe nur noch ab 18
Kinderehen sollen pauschal für nichtig erklärt werden, so plant es
Justizminister Maas. Für Betroffene werden auch Nachteile befürchtet.
Kommentar türkisches Sexualstrafrecht: Frauenpower gegen Despoten
Protest von Frauen in der Türkei hat den als Kinderehe getarnten Missbrauch
von Minderjährigen gestoppt. Der Opposition sollte das Hoffnung geben.
Ausnahmezustand in der Türkei: Kinderehe zunächst gekippt
Die Regierung zieht die Amnestie für Vergewaltiger zurück. Unter anderem
das Militär ist von neuen Massenentlassungen betroffen.
Weltweiter Tag gegen Gewalt an Frauen: Keine Märchenhochzeit
Jährlich werden 14 Millionen Mädchen minderjährig verheiratet – manche auch
in Deutschland. Terre des Femmes will dem ein Ende setzen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.