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# taz.de -- Verbot von Kinderehen: Experten zerreißen Gesetzentwurf
> „Man darf hier nicht alle über einen Kamm scheren“: Der Vorschlag aus dem
> Justizministerium stößt bei einer Kommission auf heftige Kritik.
Bild: Ruhig zu, traut euch – aber erst ab 18 Jahren
BERLIN taz | Der Rechtsausschuss des Bundestages hat den umstrittenen
Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) zum Verbot von Kinderehen
diskutiert. Am Mittwoch hat eine Expertenkommission das Ergebnis im
Bundestag vorgestellt. Das Fazit der Gutachter: der Entwurf weist noch
viele Schwachstellen auf, in der vorliegenden Fassung halten sie ihn für
nicht umsetzbar.
Der Gesetzentwurf sieht vor, Ehen von unter 16-Jährigen künftig pauschal
für nichtig zu erklären – [1][nach deutschen Recht hätte die Ehe dann nie
existiert]. Bei 16- und 17-Jährigen sollen Familiengerichte die jungen
Eheleute anhören und dann ein Urteil fällen. In besonderen Ausnahmefällen
könnte die Ehe fortgeführt werden. Das betrifft vor allem anerkannte
Flüchtlinge und Zuwanderer, laut Ausländerzentralregister gelten 1.500
Minderjährige als verheiratet.
Die Expertenmeinungen gehen auseinander. So sei das eben, sagt Prof. Thomas
Pfeiffer: „Wenn man Juristen befragt, heißt es meist: Es kommt drauf an. So
ist es auch in diesem Fall.“ Der Rechtswissenschaftler von der Universität
Heidelberg ist einer von acht GutachterInnen, denen der Gesetzentwurf zur
Prüfung vorgelegen worden war. Erst im April war der Entwurf vom Bundestag
gebilligt worden.
Er bestätigt die geltende Rechtslage, die eine Eheschließung erst ab dem
18. Lebensjahr erlaubt. Nur in Ausnahmefällen gestatten Gerichte derzeit
die Ehe unter Minderjährigen kurz vor deren Volljährigkeit. Das passiert
aber nur äußerst selten. In den aktuellsten Erhebungen aus dem Jahr 2015
zählte das Statistische Bundesamt nur einen Fall, in dem die Ehefrau jünger
als 16 Jahre war, in 87 Fällen waren die Frauen zwischen 16 und 17 Jahre
alt. Im selben Alter haben nur vier junge Männer geheiratet.
## Gesetzesentwurf widerspricht Genfer Flüchtlingskonvention
Zwar begrüßen die Experten unisono die Bemühungen der Bundesregierung um
besseren Kinderschutz. Doch der Gesetzesentwurf lasse sich nur schwer in
der Praxis umsetzen. Etwa weil es, wie Thomas Pfeiffer sagt, sehr
unterschiedliche Gründe für eine Eheschließung geben kann. „Man darf hier
nicht alle über einen Kamm scheren.“ Zudem verweist er darauf, dass die im
Gesetzentwurf stehende „Nichtigkeitslösung“ der Genfer
Flüchtlingskonvention widerspricht. Diese sieht vor, alle in der Heimat
geschlossenen Ehen anzuerkennen.
Meike Riebau, Rechtsreferentin für Migration von der
Nichtregierungsorganisation „Save the Children“, meint, es sei „nicht imm…
im Interesse der Minderjährigen, die Ehe aufzulösen“. Sie spricht sich
gegen eine „Per-se-Nichtigkeitserklärung“ aus. Grund für Ehen zwischen
Minderjährigen sei meist die finanzielle und soziale Absicherung in
patriarchalen Gesellschaften. Riebau ist der Auffassung, dass
Justizminister Maas' Gesetzesentwurf gegen die UN-Kinderrechtskonvention
verstößt.
Monika Michell von der Menschenrechtsorganisation „Terre des Femmes“
plädiert hingegen für die Nichtigkeitslösung. Bei jungen Frauen, die auf
der Flucht oder in ihrer Heimat verheiratet wurden, sei es schwierig, die
Hintergründe nachzuvollziehen. Ihre Organisation kümmert sich um Mädchen,
die – häufig unter dem enormen Druck ihrer Familien – jung heiraten. Um
nicht von den Angehörigen verstoßen zu werden, würden sie vor Gericht „mit
aller Überzeugungskraft“ aussagen, dass sie ihre Ehe freiwillig eingegangen
seien. Michell plädiert dafür, Kinderehen generell als kindeswohlgefährdend
einzustufen und zu verbieten.
Brigitte Meyer-Wehage vom Deutschen Juristinnenbund e.V. wiederum verweist
auf den Unterschied zwischen Kinder- und Zwangsehen. Für Letztere gilt ein
eigenes strafrechtliches Prozedere. Außerdem sieht Meyer-Wehage massive
Probleme bei der Umsetzung des vorliegenden Gesetzesentwurfs. Die
Feststellung des Alters vieler Flüchtlinge sei schon im Asylverfahren
äußerst schwierig: „Viele geben sich als minderjährig aus, obwohl sie ält…
als 18 sind.“ Wenn dann noch ein deutsches Familiengericht klären müsste,
ob die Ehe mit der zugewanderten Frau rechtens sei, wäre das eine massive
Zusatzbelastung für das ohnehin überlastete Rechtswesen.
18 May 2017
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## AUTOREN
Milan Panek
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