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# taz.de -- Ausnahmezustand in der Türkei: Kinderehe zunächst gekippt
> Die Regierung zieht die Amnestie für Vergewaltiger zurück. Unter anderem
> das Militär ist von neuen Massenentlassungen betroffen.
Bild: Regierung rudert zurück: Frauenprotest in Istanbul
Istanbul taz | Es ist der erste Erfolg der Opposition seit der Einführung
des Ausnahmezustands nach dem Putschversuch Mitte Juli. Nachdem Präsident
Recep Tayyip Erdoğan in der Nacht von Montag auf Dienstag verkündet hatte,
man solle das Gesetz zur Amnestie von Vergewaltigern, die Minderjährige
missbraucht hatten, noch einmal überdenken, trat Ministerpräsident Binali
Yildirim am Morgen vor die Presse und kündigte an, der Gesetzentwurf werde
zurückgezogen.
Er soll nun im zuständigen Parlamentsausschuss weiter diskutiert werden.
Bislang sieht der Entwurf vor, dass Männer, die minderjährige Mädchen
sexuell missbraucht hatten, amnestiert werden können, wenn sie ihre Opfer
heiraten.
Vorangegangen waren drei Tage landesweite Proteste praktisch sämtlicher
türkischer Frauenorganisationen. Trotz des Ausnahmezustands kam es in
vielen Städten zu Demonstrationen. Selbst die AKP-nahe Frauenorganisation
Kadem, der Erdoğans Tochter Sümeyye Bayraktar als Vizechefin vorsteht,
hatte an dem Gesetzentwurf Kritik geäußert.
Im Parlament lehnten sowohl die oppositionelle sozialdemokratisch-säkulare
CHP wie auch die nationalistische MHP den Entwurf ab. Erdoğan forderte
seine Partei deshalb dazu auf, eine breitere gesellschaftliche
Unterstützung für das Gesetz zu suchen.
Vor allem die Frauenverbände der CHP, die in dem Gesetzentwurf einen
weiteren Schritt sehen, Frauen- und Kinderrechte aus islamistischen
Erwägungen zu beschneiden, waren das Rückgrat der Protestbewegung. Am
Dienstag versammelten sie sich schon in den frühen Morgenstunden vor dem
Parlament. Bei der anschließenden wöchentlichen Fraktionssitzung der CHP
war der Fraktionssaal voll mit Vertreterinnen von Frauengruppen, die
lauthals Parolen riefen und ein gemeinsames Vorgehen gegen den „neuen
Faschismus“ von Erdoğan forderten.
Ebenfalls am Dienstag kündigte Erdoğan per Dekret eine neue Welle von
Entlassungen aus dem Staatsdienst an. Rund 15.000 Mitarbeiter des
öffentlichen Dienstes sind ab sofort gefeuert. Darunter sind mehr als 7.000
Polizisten, 3.000 Angestellte aus dem Innenministerium und angeschlossenen
Behörden, Universitätsdozenten, Lehrer und Soldaten. Nachdem das
Menschenrechtsgericht in Straßburg letzte Woche eine Klage einer türkischen
Richterin aus formalen Gründen abgewiesen und an das türkische
Verfassungsgericht verwiesen hatte, bleiben die Entlassenen praktisch ohne
Rechtsschutz.
Das Innenministerium kündigte an, dass ab sofort 30.000 neue Polizisten
eingestellt würden, Hilfslehrer sind bereits im ganzen Land im Einsatz.
Probleme gibt es vor allem beim Militär. Die Luftwaffe hat keine Piloten
mehr. Erdoğan ordnete deshalb ebenfalls per Dekret an, dass Piloten, die in
den letzten Jahren vom Militär in die zivile Luftfahrt gewechselt sind,
sich ab sofort für Einsätze beim Militär bereithalten müssen.
22 Nov 2016
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Recep Tayyip Erdoğan
Binali Yıldırım
Sexualstrafrecht
Ausnahmezustand
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Putschversuch Türkei
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