| # taz.de -- Identitätsfindung der Nord-CDU: Abschrecken, abschotten, abschieben | |
| > Die Christdemokraten im Norden suchen nach einem Kurs in der | |
| > Flüchtlingspolitik. Die Debatte hat einen Drall nach rechts. | |
| Bild: Der Seehofer des Nordens: Ingbert Liebing. | |
| HAMBURG taz | In der Flüchtlingsfrage setzt die Nord-CDU derzeit konsequent | |
| auf Schlingerkurs mit Rechtsdrall. Mitte der Woche gab der | |
| Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen CDU, Ingbert Liebing, den | |
| Seehofer des Nordens und appellierte an die Bundesregierung, die deutschen | |
| Grenzen besser zu sichern. In seiner Funktion als Chef der | |
| kommunalpolitischen Vereinigung seiner Partei schrieb er einen zwar an | |
| Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) adressierten, aber für die | |
| Öffentlichkeit gedachten Brief. | |
| Seine Hauptthese verkündete er auch via NDR: Solange die EU-Außengrenzen | |
| löchrig seien, „halte ich die Sicherung der nationalen Grenzen für | |
| notwendig“. Dort müsse kontrolliert werden, wer wirklich Hilfe benötige und | |
| wer nicht. Liebing fordert dafür auch die umstrittene Einführung von | |
| Transitzonen. | |
| Die CDU-Landesverbände in Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und | |
| Hamburg bemühen sich, die eigene Kanzlerin und ihr „Wir schaffen das“ nicht | |
| zu demontieren, die rot-grünen Landesregierungen von rechts zu kritisieren | |
| und dabei auch die Ängste der Bevölkerung aufzunehmen, ohne | |
| Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Denn in der Flüchtlingsfrage droht die CDU | |
| zerrieben zu werden. | |
| Abschotten, abschrecken und abschieben, heißt das Begriffstripel, mit dem | |
| die Nord-CDU klare Kante zeigen will. Auch Niedersachsens CDU-Fraktionschef | |
| Björn Tümmler fordert „die Einrichtung von Transitzonen an den deutschen | |
| Außengrenzen“ und gleichzeitig die „konsequente Rückführung abgelehnter | |
| Asylbewerber“. Dass einer massenhaften „Rückführung“ oft gesetzlich | |
| verbriefte Abschiebehindernisse entgegenstehen, erwähnen Tümmler und seine | |
| Parteikollegen mit keinem Wort. | |
| Auch die Hamburger CDU setzt auf Abschottung und fordert durch ihren | |
| Landeschef Roland Heintze neben „schnellen und konsequenten Abschiebungen“ | |
| den „Familiennachzug soweit wie möglich“ einzuschränken. Im Klartext: Die | |
| Familien der Menschen, denen attestiert wird, dass sie in ihrer Heimat | |
| politisch verfolgt wurden, sollen auf Dauer auseinandergerissen, Ehepartner | |
| und auch Kinder und Eltern auf Dauer voneinander getrennt bleiben. | |
| Eine Position, die nicht nur komplett aus dem Wertekanon der Partei fällt, | |
| für die der Schutz der Familie über allem steht, sondern auch das geltende | |
| Asylrecht infrage stellt. Dass Heintze darüber hinaus noch die | |
| Abschreckungskarte zieht und vielfältige Reduzierungen der Leistungen für | |
| Asylbewerber fordert, um „Migrationsanreize zu reduzieren“, rundet das | |
| flüchtlingspolitische Profil des neuen CDU-Landeschefs ab. | |
| So entsteht der Eindruck, dass die CDU – je länger die Flüchtlingsdebatte | |
| gärt – sich umso stärker populistisch in Richtung rechter Rand bewegt, ohne | |
| verbal aber den Konsens mit der Kanzlerin aufzukündigen. | |
| Und alle CDU-Landeschefs im Norden, auch Liebing, sprechen sich, | |
| unterschiedlich vehement, für ein Einwanderungsgesetz aus – ein Thema, das | |
| für die Union noch vor Kurzem ein Tabu war. Doch was genau sich hinter | |
| diesem Begriff für die CDU verbirgt, darüber herrscht Schweigen. Da bleibt | |
| der Verdacht, dass ein CDU-Einwanderungsgesetz vor allem ein | |
| Einwanderungsverhinderungsgesetz sein könnte. | |
| 30 Oct 2015 | |
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| Marco Carini | |
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