# taz.de -- Kritik am Umgang mit Flüchtlingen: Selbst verursachtes Chaos | |
> Führungskräfte des Heimbetreibers Fördern und Wohnen werfen dem Senat | |
> vor, Missstände bei der Flüchtlingsunterbringung wären vermeidbar | |
> gewesen. | |
Bild: Sehnsucht und Tränen unter syrischen Flüchtlingen in Bergedorf. Lieber … | |
HAMBURG taz | Führungskräfte des Unternehmens Fördern und Wohnen, das die | |
Erstaufnahmeunterkünfte für Flüchtlinge betreibt, suchen die | |
Öffentlichkeit: In einem Brandbrief kritisieren zehn Angestellte in | |
leitenden Positionen das konzeptlose Handeln der Stadt und warnen vor den | |
Folgen. „Notmaßnahmen, die darin gipfeln, dass alle bisherigen Standards | |
der öffentlichen Unterbringung über Bord geworfen werden, stören den | |
sozialen Frieden in den Unterkünften und senken dramatisch die Akzeptanz | |
dieser Einrichtungen und ihrer Nutzer“, schreiben die VerfasserInnen des | |
Briefs. | |
Ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept werde sich das Hilfspotenzial der | |
Hauptamtlichen und ehrenamtlichen HelferInnen erschöpfen, warnen sie. | |
Außerdem drohe eine jahrelange Ghettoisierung der Flüchtlinge, die sich | |
wiederum negativ auf die Quartiere auswirke: „Werden Notstandorte mit einer | |
großen Zahl verzweifelter Flüchtlinge das Stadtbild dominieren, dann droht | |
der Stimmungsumschwung in unserer Stadt hin zu mehr Fremdenfeindlichkeit.“ | |
Die chaotischen Zustände seien indes nicht überraschend, sondern von der | |
Stadt selbst verschuldet, so die VerfasserInnen des Briefs. „Insbesondere | |
die Kriegsflüchtlinge fielen nicht vom Himmel, sondern es war voraussehbar, | |
dass durch ausländische Einmischung mitverschuldete Kriege zu einer | |
humanitären Katastrophe führen mussten.“ Die Stadt habe viel zu spät | |
reagiert und handele jetzt überstürzt und konzeptlos. | |
Zwischen den Jahren 2001 und 2010 seien radikal Kapazitäten abgebaut und | |
Einsparungen vorgenommen worden. Auch die Verknüpfung mit dem Bau neuer | |
öffentlich geförderter Wohnungen sei extrem vernachlässigt worden. Die | |
Folge: „In unseren Unterkünften leben Tausende zum Teil schon seit Jahren, | |
die längst Wohnungen hätten beziehen können.“ | |
Die Sprecherin von Fördern und Wohnen, Susanne Schwendtke, kann die | |
Vorwürfe nicht ganz von der Hand weisen. „Inhaltlich ist das schon | |
fundiert“, sagte sie der taz, „aber was sollen wir machen? Die Flüchtlinge | |
stehen ja jetzt vor der Tür und wir tun, was wir können.“ Mit den | |
MitarbeiterInnen, die die Vorwürfe erhoben haben, sei man im „konstruktiven | |
Gespräch“. | |
Das Versagen der Behörden im Umgang mit den Flüchtlingen hatte sich in den | |
letzten Tagen dramatisch zugespitzt. Ein Tiefpunkt war der Umzug der | |
Flüchtlinge von den Messehallen in einen ehemaligen Baumarkt in Bergedorf | |
am vorvergangenen Freitag. Erst am gleichen Tag hatten die Flüchtlinge vom | |
Umzug erfahren. Bis nachts hatten Ehrenamtliche geholfen, den Transport zu | |
organisieren. Als die Flüchtlinge in Bergedorf ankamen, fanden sie eine | |
leere und schmutzige Halle ohne Betten vor. | |
Ihr Gepäck war in Plastiksäcken in einem LKW nach Bergedorf gebracht und | |
dort als riesiger Haufen gleich aussehender Bündel abgeladen worden. Streit | |
beim Zusammensuchen des eigenen Gepäcks unter 900 Menschen war | |
programmiert. Erst nach drei Tagen wurden in der Halle Trennwände | |
aufgestellt. Eine Gruppe von 75 Flüchtlingen zog es vor, bis dahin auf der | |
Straße zu übernachten. Wenige Tage später kam es zu einer Massenschlägerei | |
in der Unterkunft. Auslöser war ein Streit um die Benutzung der wenigen | |
Duschen gewesen. | |
In dem offenen Brief fordern die VerfasserInnen den sofortigen Bau von | |
10.000 Sozialwohnungen für Flüchtlinge und Wohnungslose. Außerdem müsse die | |
städtische Wohnungsgesellschaft Saga/GWG umgehend alle leer stehenden | |
Wohnungen zur Verfügung stellen. Die MitarbeiterInnen warnen davor, | |
benachteiligte Bevölkerungsgruppen wie Flüchtlinge und Obdachlose im Kampf | |
um günstigen Wohnraum gegeneinander auszuspielen. | |
5 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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