# taz.de -- Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt: Treffen mit doppelter Botschaft | |
> Mehr Geld für Flüchtlinge, aber auch ein verschärftes Asylrecht. Bund und | |
> Länder einigen sich nach einem Verhandlungsmarathon. Dafür gibt es nicht | |
> nur Applaus. | |
Bild: Äußern sich zum Gipfel: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke,… | |
BERLIN dpa | Milliardenhilfen für Flüchtlinge aus Kriegs- und | |
Krisenregionen, ein Stopp-Signal für Menschen ohne Aussicht auf Asyl in | |
Deutschland: Diese doppelte Botschaft geht vom Bund-Länder-Gipfel am | |
Donnerstagabend im Kanzleramt aus. Zur Bewältigung des Andrangs | |
Hunderttausender unterstützt die Bundesregierung Länder und Kommunen auf | |
Dauer mit zusätzlichen Milliarden Euro. Zugleich verständigten sich | |
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der 16 | |
Bundesländer auf Verschärfungen im Asylrecht. | |
Unter anderem sollen die Westbalkan-Länder Albanien, Kosovo und Montenegro | |
als weitere „sichere Herkunftsländer“ eingestuft werden. Asylbewerber aus | |
diesen Staaten könnten dann schneller in ihre Heimat zurückgeschickt | |
werden. Geldleistungen für Asylbewerber sollen künftig nur noch einen Monat | |
im Voraus bezahlt werden. Und in Erstaufnahmeeinrichtungen sollen | |
Flüchtlinge möglichst nur noch Sachleistungen erhalten. | |
Merkel lobte die „gemeinsame Kraftanstrengung“ in der Flüchtlingspolitik. | |
Konkret einigten sich Bund und Länder auf eine neue Kostenverteilung: Wie | |
die Kanzlerin nach den Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten in Berlin | |
am späten Donnerstagabend mitteilte, stockt der Bund seine Finanzhilfe für | |
die Länder 2016 auf gut vier Milliarden Euro auf – statt der vorher | |
geplanten drei Milliarden. Dieses Jahr sollen es zwei Milliarden Euro sein | |
– doppelt so viel wie bisher zugesagt. | |
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zeigte sich nur teilweise | |
zufrieden. „Das Paket enthält Licht und Schatten“, sagte er der Thüringer | |
Allgemeinen. Die Finanzzusagen seien „ein Schritt in die richtige | |
Richtung“, aber nicht ausreichend. Ramelow kündigte an, die pauschale | |
Einstufung der Westbalkan-Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ abzulehnen. | |
„Den Gesetzesvorhaben, die nur auf Abschreckung ausgerichtet sind und | |
Ressourcen für sinnlose Bürokratie binden, konnte ich nicht zustimmen.“ | |
## De Maizière: „Wir ordnen die Dinge“ | |
Sachsens CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich zeigte sich indes | |
zufrieden. Für den Moment sei Ländern und Kommunen geholfen, ihren Aufgaben | |
besser gerecht zu werden, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Immerhin | |
über vier Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung, um die Menschen | |
unterzubringen und eine Integration zu beginnen.“ Das Geld reiche aber nur, | |
wenn es gelinge, den Flüchtlingszustrom in den Griff zu bekommen. Auch | |
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig sprach von einer | |
„tragfähigen Lösung für diese schwierige Herausforderung“. Deutschland s… | |
handlungsfähig und zeige in dieser nationalen Frage Geschlossenheit. | |
„Wir sind jetzt dabei, die Dinge wieder etwas zu ordnen“, sagte | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in der ZDF-Sendung „maybrit | |
illner“. „Außer Kontrolle geraten ist es mit der Entscheidung, dass man aus | |
Ungarn die Menschen nach Deutschland holt“ fügte er an. „Das war eine so | |
große Zahl, dass es nicht mehr geordnet ging.“ | |
## Pauschale von 670 Euro pro Asylbewerber | |
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sah in den Beschlüssen vom | |
Donnerstagabend eine „notwendige Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik“. | |
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner begrüßte die Zusagen | |
der Bundesregierung. Als Oppositionsführerin in Mainz forderte sie die | |
rheinland-pfälzische Landesregierung aus SPD und Grünen auf, „nun endlich | |
den Kommunen zu helfen und ihnen die tatsächlich bei der Aufnahme von | |
Asylbewerbern entstehenden Kosten zu erstatten“. Auch müsse Rheinland-Pfalz | |
im Bundesrat der Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro als | |
„sichere Herkunftsländer“ zustimmen. | |
Laut Vereinbarung im Kanzleramt stellt der Bund den Ländern vom kommenden | |
Jahr an eine Pauschale von 670 Euro pro Asylbewerber und Monat zur | |
Verfügung. Angenommen sind dabei 800.000 Asylanträge mit einer | |
durchschnittlichen Bearbeitungszeit der Fälle von etwas mehr als fünf | |
Monaten. Nach Worten Merkels übernimmt der Bund damit die Risiken für die | |
Bearbeitungsprozesse und die Zahl der Asylbewerber. | |
Zudem stellt der Bund 500 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau | |
bereit sowie weitere 350 Millionen Euro zur Betreuung unbegleiteter | |
minderjähriger Flüchtlinge. Wie es am Abend hieß, erhalten die Länder auch | |
Mittel für den Kita-Ausbau und die Familienpolitik. So sollen die | |
freiwerdenden Mittel des Bundes aus dem vom Verfassungsgericht gekippten | |
Betreuungsgeld dafür auf die Länder verteilt werden. Finanzminister | |
Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, trotz der Aufwendungen für die Flüchtlinge | |
„wollen wir es ohne neue Schulden schaffen“. | |
25 Sep 2015 | |
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