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# taz.de -- Grüner Landrat über Flüchtlingspolitik: „Asyl ist nicht Armuts…
> Die Landkreise in Grenznähe seien am Limit, sagt der bayrische Landrat
> Wolfgang Rzehak. Er fordert mehr Unterstützung für die Verwaltung.
Bild: Er hat noch eine Unterkunft bekommen: Flüchtling in Bayern.
taz: Herr Rzehak, der Chef des bayerischen Landkreistags ist nach Berlin
gefahren, um der Kanzlerin die Situation vor Ort „eindrücklich zu
schildern“. Mit Ihrem Segen?
Wolfgang Rzehak: Auf jeden Fall. Es muss ganz oben ankommen, wo unsere
Probleme liegen. Gerade die Landkreise in Grenznähe gehen ans Limit.
Welche Probleme haben Sie?
Auf der A 8 führt der Verkehr aus Italien und der vom Balkan durch unseren
Landkreis. Es kommt vor, dass Schleuser mitten in der Nacht minderjährige
Flüchtlinge allein am Rasthof Irschenberg aussetzen. Die Polizei ruft dann
um drei Uhr in der Früh bei meinem Jugendamtsleiter an, und der muss sich
um die Jugendlichen kümmern. Wenn er nicht sofort für alle eine Einrichtung
findet, muss er manche zu sich nach Hause nehmen.
Und das macht er mit?
Muss er ja. Der Leiter des Jugendamtes ist mit Herzblut dabei, aber
natürlich ist das für ihn und seine Familie eine psychische Belastung.
Einmal hatte er einen Kindersoldaten aus Somalia daheim, der entsprechend
aggressiv war.
Die Kanzlerin sagte Anfang September mit Blick auf die Flüchtlingssituation
„Wir schaffen das.“ Lag sie daneben?
Wir müssen es natürlich schaffen. Was wäre denn die Alternative? Das
Grundgesetz ändern? Das Asylrecht ist der Wesenskern unserer Verfassung,
und deshalb können wir es nicht einfach abschaffen. Aber wenn wir es als
Grundrecht erhalten wollen, müssen wir realistisch sein und können nicht
sagen: Alle dürfen kommen.
Dass Bund und Länder in der vergangenen Woche beschlossen haben, weitere
Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, halten Sie also für
richtig?
Genau. Mir ist klar, dass auch Menschen vom Balkan gute Fluchtgründe haben.
Ich habe selbst zwei kleine Töchter und würde alles tun, um zu verhindern,
dass sie in Armut aufwachsen. Das Asylrecht kann aber nicht der
Armutsbekämpfung dienen. Dafür müssen wir andere Wege finden.
Arbeitsvisa für Menschen vom Westbalkan etwa, die in der vergangenen Woche
ebenfalls beschlossen wurde?
Richtig. Bei uns in der Region brauchen wir dringend Bäcker, Metzger und
Personal für die Gastronomie. Wir haben hier aber fast keine Arbeitslose,
und die Jugendlichen lernen diese Berufe auch kaum mehr. Da können wir
Leute brauchen. Aber nochmal: Das Asylrecht ist dafür der falsche Weg. Wer
nur in Deutschland Asyl beantragt, weil er sich ein besseres Leben erhofft,
hat keine Erfolgschance, aber er blockiert das ganze System. Wir als
Verwaltung können uns deshalb nicht darauf konzentrieren, diejenigen zu
integrieren, die echte Aussichten auf Asyl haben.
Dass klingt, als ob Ihnen Horst Seehofers Idee gefällt, Asylbewerber vom
Balkan in speziellen Lagern unterzubringen, um sie schneller abschieben zu
können.
Asylbewerber nach Völkern zu trennen, ist Schmarrn. Es ist aber richtig,
die Verfahren zu beschleunigen. Und wenn spezielle Unterkünfte ein Mittel
zur Beschleunigung sind, dann sind sie ebenfalls richtig.
Manche Ihrer Parteifreunde in München und Berlin sehen das anders. Tauschen
Sie sich mit ihnen regelmäßig aus?
Vor kurzen waren die Vorsitzenden der Landespartei und der Landtagsfraktion
hier. Die ein oder andere Erkenntnis ist sicherlich angekommen. Manche
Sachen stellen sich eben anders dar, wenn man nicht nur mit Flüchtlingen
und Helferkreisen redet, sondern sich auch mal die Probleme der Verwaltung
anhört. Von der Bundespartei habe ich leider noch nichts gehört.
Wahrscheinlich wissen die dort schon alles.
30 Sep 2015
## AUTOREN
Tobias Schulze
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