# taz.de -- Ermittlungen gegen netzpolitik.org: Maaßens Alleingang | |
> Die Einschätzung, dass „Netzpolitik“-Redakteure Staatsgeheimnisse | |
> veröffentlicht haben, war nicht mit dem Innenministerium abgestimmt. | |
Bild: Pro „Netzpolitik.org“-Demo am Wochenende in Berlin. | |
Karlsruhe taz | Das Verfassungsschutz-Gutachten, wonach Netzpolitik.org | |
„Staatsgeheimnisse“ verletzt hat, war nicht mit dem Innenministerium (BMI) | |
abgesprochen. Das erklärte ein Sprecher von Minister Thomas de Maizière auf | |
Anfrage der taz. Es handelte sich also um einen Alleingang von | |
Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen. | |
Maaßen hatte die Netzpolitik-Affäre mit seinen Strafanzeigen vom März und | |
April ins Rollen gebracht. Am Wochenende hatte er jedoch betont, dass er | |
keine Ermittlungen gegen Journalisten und schon gar keine wegen | |
Landesverrats intendiert hatte. In der Strafanzeige, die mit dem BMI | |
abgesprochen war, ist von Landesverrat und Staatsgeheimnissen auch nicht | |
die Rede. | |
Als jedoch der zweifelnde Generalbundesanwalt Range bei Maaßen nachfragte, | |
ob Netzpolitik Staatsgeheimnisse veröffentlicht hatte, legte Maaßen ein | |
Behördengutachten vor und bejahte dies. Wenn ausländische Geheimdienste | |
über die Fähigkeiten des deutschen Verfassungsschutzes informiert seien, | |
könnte dies die äußere Sicherheit Deutschlands gefährden, so die sinngemä�… | |
Argumentation. | |
Zudem wurde Netzpolitik vorgehalten, dass der April-Artikel auch in einer | |
englischen Fassung ins Netz gestellt wurde. Das habe ausländischen Diensten | |
die Kenntnisnahme der Staatsgeheimnisse erleichtert. Range nahm das | |
Gutachten so ernst, dass er nun ein Ermittlungsverfahren wegen | |
Landesverrats einleitete. Das BfV-Gutachten hat in der Affäre also eine | |
viel wichtigere Bedeutung als die ursprüngliche Strafanzeige. | |
Wer also hat das Gutachten zu verantworten? Wurde das BMI vorab | |
eingeschaltet, wie bei der Strafanzeige? Das Innenministerium bestreitet | |
dies. Man habe erst deutlich später davon erfahren. Dass Netzpolitik | |
Staatsgeheimnisse verletzt hat, war also nur die Rechtsauffassung des | |
Verfassungsschutzes. | |
Auch heute lässt das Innenministerium offen, ob es vom Vorliegen eines | |
Staatsgeheimnisses ausgeht. Man werde abwarten, was Justizminister Maas | |
dazu sagt und die Positionen dann auswerten. | |
## Justizministerium: Einschätzung bis Donnerstag | |
Das Justizministerium will bis spätestens Donnerstag seine Einschätzung | |
veröffentlichen, ob es sich um ein Staatsgeheimnis handelte. Minister Maas | |
hat aber schon am Freitag seine „Zweifel“ bekundet. Es wird damit | |
gerechnet, dass sein Haus die Frage verneint. | |
Die Bundesanwaltschaft hat in einer Erklärung mitgeteilt, dass das weitere | |
Verfahren von der Einschätzung des Justizministeriums abhängt. Im Klartext | |
heißt dies: Sobald Maas einschätzt, dass kein Staatsgeheimnis vorliegt, | |
werden die Ermittlungen gegen die Netzpolitik-Journalisten eingestellt. Auf | |
das Mitte Juni angeforderte Gutachten eines externen Sachverständigen wird | |
dann nicht mehr gewartet. | |
Damit macht Generalbundesanwalt Harald Range auch deutlich: Wenn das | |
Justizministerium vorher eine klare Einschätzung zur Frage des | |
Staatsgeheimnisses gegeben hätte, hätte er das akzeptiert und kein | |
Ermittlungsverfahren eingeleitet. Doch auch Range will die Sache jetzt so | |
schnell wie möglich vom Tisch bekommen. In der Regierungspressekonferenz | |
hatten weder die Sprecher des Justizministeriums noch von Kanzlerin Merkel | |
Range das Vertrauen ausgesprochen. Eine Entlassung Ranges liegt bisher aber | |
nicht in der Luft. Schließlich endet seine Amtszeit altersbedingt ohnehin | |
im Februar 2016. | |
Doch auch nach der erwarteten Einstellung des Ermittlungsverfahrens wird | |
die Affäre nicht zu Ende sein. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele | |
will die gesamten Vorgänge auch im Parlamentarischen Kontrollgremium des | |
Bundestags aufarbeiten. Dann sollen alle Akten auf den Tisch kommen. | |
Wenn der Generalbundesanwalt die Ermittlungen wegen Landesverrats | |
einstellt, könnten die Ermittlungen auf anderer Ebene weitergehen. | |
Vermutlich wird er die Akten an die Staatsanwaltschaft Berlin abgeben, die | |
dann wegen einer Verletzung von Dienstgeheimnissen ermittelt. Dort steht | |
allerdings die Quelle im Mittelpunkt. Die bloße Veröffentlichung eines | |
Dienstgeheimnisses ist für Journalisten nicht strafbar. | |
3 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Hans-Georg Maaßen | |
Verfassungsschutz | |
Netzpolitik.org | |
Landesverrat | |
Harald Range | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Hans-Georg Maaßen | |
Landesverrat | |
Netzpolitik.org | |
Harald Range | |
Streitfrage | |
Landesverrat | |
Landesverrat | |
Harald Range | |
Hans-Georg Maaßen | |
Netzpolitik.org | |
Netzpolitik.org | |
Landesverrat | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verfassungsschutzchef Maaßen: Der angezählte Unruhestifter | |
Der Verfassungsschutzchef provozierte mit der Anzeige gegen netzpolitik.org | |
bewusst einen Warnschuss – ohne Rücksicht auf die politischen Folgen. | |
„Landesverrat“-Affäre zu Harald Range: Spiel mit gezinkten Karten | |
Harald Range beschuldigte den Justizminister eines „Eingriffs in die | |
Justiz“. Der warf ihm vor, die Tatsachen zu verdrehen und entließ ihn | |
vorzeitig. | |
Unterstützung für netzpolitik.org: „Landesverrat“ bringt Geld | |
Der Blog erhielt in den vergangenen Tagen 50.000 Euro Spenden. Mit dem Geld | |
wollen die Betreiber sich rechtlich gegen das Ermittlungsverfahren wehren. | |
Kommentar Harald Range: Inszenierung als Märtyrer | |
Harald Range provoziert seinen Rausschmiss. Der ist angebracht. Als | |
Generalbundesanwalt ist der FDP-Mann eine Fehlbesetzung. | |
Die Streitfrage: Für was würden Sie Ihr Land verraten? | |
Viele empören sich über den Vorwurf des „Landesverrats“ gegen die Blogger | |
von netzpolitik.org. Vielleicht beginnt der Verrat aber auch schon im | |
Kleinen. | |
Nach dem „Landesverrat“-Skandal: Justizministerium stoppt Ermittlungen | |
Generalbundesanwalt Range beendet auf Weisung die einzige Maßnahme im | |
Verfahren gegen netzpolitik.org. Er kritisiert eine „Einflussnahme auf die | |
Justiz“. | |
Nach dem „Landesverrat“-Skandal: Kanzleramt suchte Medienquellen | |
Neben dem Verfassungsschutz haben auch Kanzleramt und Innenministerium nach | |
den Quellen von Journalisten gesucht. Die Konsequenzen sind unklar. | |
Kommentar zu Range und netzpolitik.org: Feige, aber nicht bösartig | |
Generalbundesanwalt Harald Range war zu feige oder zu höflich. Auch | |
Justizminister Heiko Maas machte in der „Landesverrat“-Affäre keine gute | |
Figur. | |
Skandal um „Landesverrat“-Ermittlungen: Maaßen verteidigt Strafanzeigen | |
Der Verfassungsschutzchef verteidigt seine Anzeigen, die zu Ermittlungen | |
gegen netzpolitik.org führten. Ohne sie wäre seine Behörde nicht | |
arbeitsfähig. | |
Demonstration in Berlin: „Angriff auf die Pressefreiheit“ | |
Gegen die Ermittlungen rund um netzpolitik.org gehen etwa 1.300 Menschen | |
auf die Straße. Zur Personalie Range gibt es unterdessen weitere | |
Wortmeldungen. | |
Kritik an Ermittlungen gegen netzpolitik.org: Raus mit Range | |
Eine Fehlbesetzung? So betrachten einige Politiker mittlerweile | |
Generalbundesanwalt Harald Range. Auch Heiko Maas distanziert sich. | |
Ermittlungen gegen netzpolitik.org: Landesverrat. Bitte was? | |
Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen netzpolitik.org. Aber sind die | |
Vorwürfe gerechtfertigt? Und was bedeuten sie für die Verdächtigten? |