| # taz.de -- Brütereichef über Kükentötungen: „Wir machen es nicht mehr“ | |
| > Millionenfach werden bisher männliche Hühnerküken nach dem Schlüpfen | |
| > getötet. Biobrüter in Österreich wollen nun einen Ausweg gefunden haben. | |
| Bild: Ihr Schicksal liegt in den Händen der Brüter und Züchter: Hühnerküke… | |
| taz: Herr Söllradl, männliche Küken werden in Brütereien gleich nach dem | |
| Schlüpfen getötet, weil sie keine Eier legen. Wann haben Sie beschlossen, | |
| dass das zumindest im Biosektor aufhören muss? | |
| Manfred Söllradl: Wir haben vor vier Jahren begonnen, ernsthaft darüber | |
| nachzudenken. Unsere Firma ist stark im Biobereich engagiert. Natürlich war | |
| uns die Problematik sehr wohl bewusst. | |
| Wie hat man sich das eigentlich vorzustellen? Haben Sie einen festen | |
| Mitarbeiter, der das Töten dieser possierlichen Geschöpfe jeden Tag | |
| erledigt? | |
| Puhh! Ja, das ist für die zuständigen Mitarbeiter mit Sicherheit keine | |
| schöne Tätigkeit. Irgendwann kommt ein wenig Routine dazu. Trotzdem bleibt | |
| es eine sehr schwierige Arbeit, für die nicht jeder Mitarbeiter geeignet | |
| ist. | |
| Jetzt wollen Sie 2016 eine komplett neue Bio-Hennenlinie aufbauen. Und im | |
| Jahr 2017 soll endgültig Schluss sein mit dem Kükentöten. Sie haben vier | |
| Jahre gebraucht, um eine Lösung zu finden. Warum war das so schwierig? | |
| Weil es viele verschiedene Wege gibt. Da ist zunächst der wissenschaftliche | |
| Weg der Früherkennung des Geschlechts im befruchteten Ei. Wir haben | |
| irgendwann erkannt, dass diese Lösung nicht so schnell zu realisieren ist. | |
| Eine andere Alternative ist das Zweinutzungshuhn … | |
| … bei denen weibliche Küken zu Legehennen werden und männliche gemästet. | |
| Da stellt sich die Frage, welche Rasse dafür infrage kommt. Und soll man | |
| den Schwerpunkt eher auf die Legeleistung oder auf die Mastleistung legen. | |
| Bei der Suche nach dem richtigen Tier haben wir uns anfangs stark auf die | |
| Mastleistung konzentriert. | |
| Sie haben also jahrelang verschiedene Zuchtlinien getestet? | |
| Dazu haben wir einen eigenen Versuchsstall. Wir haben verschiedene Herden | |
| jeweils ein Jahr lang beobachtet: Wie viele Eier legen sie und wie | |
| entwickeln sich die Hähne? | |
| Und warum haben Sie sich am Ende für „Sandy“ entschieden? Das ist | |
| eigentlich gar kein Zweinutzungshuhn, sondern eine reine Legerasse? | |
| Mit den verschiedenen Zweinutzungsrassen hatten wir wenig Freude. Das | |
| Ergebnis ist eben immer ein Kompromiss. Das Zweinutzungshuhn ist weder eine | |
| richtige Legehenne, noch ist es ein richtiges Masthuhn. Irgendwann kam mir | |
| dann der Gedanke, dass eigentlich jedes Huhn ein Zweinutzungshuhn ist, man | |
| muss es nur auf zwei Arten tatsächlich nutzen. Also haben wir die Strategie | |
| geändert und ein gutes robustes legebetontes Huhn gesucht. Das soll vor | |
| allem Eier legen, die Hähne versuchen wir mit dem bestmöglichen Masterfolg | |
| aufzuziehen. Und wir wollten ein leicht erkennbares Produkt. Der Kunde soll | |
| sofort erkennen: Das ist ein Ei, bei dem der Hahn überlebt hat. | |
| Deshalb die cremefarbenen Eier von Sandy? | |
| Exakt. Der Kunde sieht es gleich an der Farbe und an der spitz zulaufenden | |
| Eiform. Sandy ist eine relativ alte Linie, die es schon seit 25 Jahren | |
| gibt. Es ist eine Kreuzung zwischen White Rock und Rhodeländer, zwei ganz | |
| verschiedene genetische Welten. Sandy hat bei der Eileistung keine | |
| Einbußen. Und sie bringt eine gesunde Vitalität mit. Deshalb fiel die | |
| Entscheidung für Sandy. Wir brauchen vitale bewegliche Tiere, gerade im | |
| Biosektor. | |
| Wie sieht die Mastleistung der Hähne aus? | |
| Sie ist nicht besser als bei anderen Legerassen. Die Tiere brauchen neun | |
| statt fünf Wochen bis zum Schlachtgewicht von 1.000 Gramm. Es sind richtige | |
| Sportler, diese Hähne und sie brauchen eben ihre Zeit. | |
| Sie haben im Mai die ersten Sandy-Hühner bekommen. Die sollen jetzt | |
| Nachwuchs liefern. Wie sieht ihr Fahrplan aus? | |
| Wir haben die ersten zwei Bioherden mit 3.000 Hühnern eingestallt, | |
| inklusive der Hähne. Die sind jetzt noch sehr jung. Im Dezember werden wir | |
| die ersten befruchteten Eier haben und im Januar schlüpfen die Küken, die | |
| wir nach einigen Monaten als Junghennen an die Biobetriebe abgeben. | |
| Auf diese Weise werden alle Produzenten in Österreich umgestellt? | |
| 2017 soll dieser Prozess komplett abgeschlossen sein. Dann hat der gesamte | |
| österreichische Biosektor bei den Eiern die Farbe gewechselt – von Braun | |
| auf Beige. | |
| Und Sie können dann garantieren, dass in der Biobranche keine Küken mehr | |
| getötet werden? | |
| Was irgendwo auf einem kleinen Hinterhof geschieht, das entzieht sich | |
| unserer Beobachtung. Aber die beiden österreichischen Brütereien sind auf | |
| gutem Weg. So können wir mit großer Sicherheit das Kükentöten ausschließen. | |
| Haben die Supermärkte bei dieser Lösung von Anfang an mitgezogen oder | |
| brauchte es viel Überredungskunst? | |
| Es war schon ein längerer Prozess. Wir haben nach einer mehrjährigen | |
| Testphase unser Konzept vorgelegt: Wir wollten für ganz Österreich eine | |
| einheitliche Lösung. Die ist auch vom Handel gut aufgenommen worden. | |
| Importe von billigeren Bioeiern etwa aus dem benachbarten Deutschland | |
| machen Ihnen keine Sorgen? | |
| Davor habe ich überhaupt keine Angst. Der Kunde ist gerade im Biosektor | |
| sehr sensibel. Junges Leben töten, Küken töten, das muss nicht sein, das | |
| will der Konsument nicht. Deshalb werden wir auch keinen Schritt | |
| zurückgehen. Es ist ähnlich wie beim Käfighuhn. Irgendwann konnten Sie | |
| keinem Menschen mehr erklären, warum man Hühner in einen engen Käfig | |
| sperrt. | |
| Wie groß werden am Ende die Mehrkosten pro Ei sein? | |
| Wir erwarten Mehrkosten von zwei bis drei Cent je Ei. Aber diese Zahl ist | |
| noch mit Vorsicht zu genießen. Es hängt davon ab, wie gut sich das Fleisch | |
| der Hähne verkauft. | |
| Haben Sie für die männlichen Tiere Abnehmer, gibt es schon Vereinbarungen | |
| mit dem Handel? | |
| Das ist fester Bestandteil unseres Konzepts. Der Handel vermarktet nicht | |
| nur die etwas teureren Eier, er hilft auch bei der Fleischvermarktung. | |
| Das klingt alles so einfach und plausibel. Wäre es denn nicht sinnvoll, | |
| dieses Modell auch auf die gesamte konventionelle Eierproduktion zu | |
| übertragen? | |
| Das sind zwei grundverschiedene Bereiche. Unser Konzept ist auf den | |
| Biosektor ausgerichtet, der in Österreich gut überschaubar ist. Hier werden | |
| ausschließlich österreichische Eier verkauft und zwar direkt an die | |
| Endkunden. Im konventionellen Bereich läuft das anders. Da gibt es | |
| Industrieware, Eipulver, Flüssigeier und ganz andere Strukturen. Vielleicht | |
| ist in diesem Sektor die Früherkennung des Geschlechts im Ei der richtige | |
| Weg. | |
| Dabei werden Millionen Hühnerembryonen bereits im befruchteten Ei entsorgt | |
| – ethisch bleibt das fragwürdig. | |
| Das ist richtig. Für uns ist es jedenfalls ein Quantensprung, das | |
| Kükentöten im Biosektor abzuschaffen. Jetzt muss sich zeigen, ob es auch | |
| funktioniert und ob der Kunde mitgeht. Bisher war das Echo sehr gut, auch | |
| im Handel. Manche haben zwar Angst, dass es zu schnell geht, aber man | |
| erkennt auch die Chancen dieses Wegs. Vielleicht entwickelt sich aus der | |
| Aufzucht der Hähne auf den Biohöfen ein neues Einkommen. Wir produzieren | |
| schließlich hochwertiges Biofleisch. Das ist kein Brathendl für den | |
| Griller, das ist eher was für Chicken-Burger, für die Suppe, es gibt schöne | |
| Teilstücke. Und es schmeckt sehr gut, weil die Tiere langsam gewachsen | |
| sind. Eine super Fleischqualität, aber ohne die dicken Brustfilets. | |
| Die deutschen Bioverbände eiern herum, wenn man sie auf das österreichische | |
| Modell anspricht. Sie behaupten, der deutsche Biomarkt für Eier sei größer | |
| und komplizierter. Machen Sie den Deutschen jetzt ein wenig Dampf? | |
| Das weiß ich nicht. Unser Weg ist sicher mutig. Wir sagen ganz klar, dass | |
| wir aufhören wollen, das junge Leben zu töten. Dazu hat uns niemand | |
| gezwungen. Wir sagen einfach, wir machen es nicht mehr, deshalb kostet das | |
| Ei im nächsten Jahr ein wenig mehr. In Deutschland würden Konsumenten und | |
| Handel vermutlich auch mitgehen, wenn es eine ähnliche Initiative geben | |
| würde. | |
| 24 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Kriener | |
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