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# taz.de -- Debatte Studienfinanzierung: Der Selbstbedienungsladen
> Stipendien nutzen denen, die sie am wenigsten brauchen. Dabei wäre
> gerechte Elitenförderung durchaus möglich – mit dem Bafög.
Bild: Die waren auf jeden Fall Elite.
Es will etwas heißen, wenn schon die Beschenkten selbst abwehren. Auf 300
Euro steigt der Zuschuss, den begabte Studierende ab dem Wintersemester
bekommen, eine Summe, die Deutschlands sogenannte Studenten-Elite einfach
so erhält, ohne jede Prüfung der Bedürftigkeit, unabhängig davon, was ihre
Eltern zum Lebensunterhalt beisteuern oder sie selbst durch Jobben
verdienen.
Bildungsministerin Annette Schavan hat als eine ihrer letzten
Amtshandlungen dieses sogenannte Büchergeld für Stipendiaten der
Begabtenförderwerke kurzerhand verdoppelt: Exzellenz war der
christdemokratischen Politikerin selbst dann noch das Wichtigste, als sie
sie ihrer zweifelhaften Dissertation wegen selbst nicht mehr glaubhaft
vertreten konnte.
Die Büchergeld-Erhöhung ist ein Paradebeispiel für die Verlogenheit einer
selbst erklärten Bildungsrepublik. Wie unfair dieses Geschenk ist, sieht
sogar ein Teil der Stipendiaten ein: Eine Initiative von ihnen [1][spendet
das Büchergeld] denjenigen, die es nötiger haben, 26.000 Euro waren es
allein im vergangenen Jahr. Studierenden, die nach ihrem Abschluss beste
Chancen auf ein gutes Einkommen haben, so vorbehaltlos Geld zuzuschießen,
ist absurd. Wer Hartz IV beantragt, muss seine Verhältnisse minutiös
offenlegen. Wer das Etikett der Begabung trägt, erhält die Förderung frei
Haus.
## Ein Antistreber-Stipendium
Dieser Bonus wäre vielleicht zu rechtfertigen, wenn ein Stipendium wirklich
denjenigen leistungsfähigen jungen Menschen ein Studium ermöglichen würde,
die ohne das Geld zurückschrecken würden. Entsprechend werden Stipendien
als soziale Wohltat verklärt. Die private und damit gebührenpflichtige
Zeppelin-Universität in Friedrichshafen wirbt neuerdings mit einem
Antistreberstipendium, das sich ausdrücklich an Sitzenbleiber,
Legastheniker oder Gründungspleitiers richtet. Die Bundesregierung verkauft
die Summen, die sie ins Stipendienwesen pumpt, ebenfalls als eine Art
leistungsgerechte Aufstiegshilfe.
Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Stipendien erhalten überwiegend
diejenigen, die ohnehin aus begünstigten Familien stammen. Eine Studie des
Hochschulforschungsinstituts HIS zeigte vor wenigen Jahren: Während die
Hälfte aller Studierenden aus Akademikerfamilien kommen, sind es zwei
Drittel aller Stipendiaten der Begabtenförderwerke. Bei der Studienstiftung
des Deutschen Volkes, dem elitärsten der Eliteförderwerke, kommen lediglich
21 Prozent aus Familien ohne akademischen Hintergrund.
Dass das Förderwerk sein Wirken als Ausdruck gesellschaftlicher
Verantwortung rühmt, grenzt an Realitätsverleugnung. Nirgends lässt sich
die Reproduktion des deutschen Bildungsbürgertums so gut beobachten wie bei
den Stipendien. Und kurioserweise haben ausgerechnet diejenigen kaum ein
Problem mit der Förderung einiger auf Kosten der Allgemeinheit, die
Studiengebühren stets mit dem Hinweis rechtfertigten, eine Krankenschwester
solle nicht mit ihren Steuern für die Ausbildung des Chefarztsohns
aufkommen müssen.
## Der Habitus entscheidet
Dass das Stipendienwesen einem Selbstbedienungsladen privilegierter
Schichten gleicht, liegt daran, dass gute Leistungen als Voraussetzung
einer Förderung nicht für alle gleichermaßen zu erreichen sind. Es liegt
vor allem aber darin begründet, dass neben Noten zusätzliche weiche
Kriterien bei der Stipendienvergabe eine Rolle spielen: Engagement,
Motivation, Persönlichkeit – Kriterien, die sich fast nach Belieben
auslegen lassen. In den Auswahlgremien sitzen Akademiker, die dabei
instinktiv den Akademikernachwuchs bevorzugen. Der richtige Habitus
entscheidet über den Zuschuss.
Als Entschuldigung für diese Elitenförderung muss das Bafög herhalten, das
die Breitenförderung abdecke und sich nach der Bedürftigkeit richte. Das
ist aber ein falsches Alibi: Denn wenn man Begabte besonders belohnen
möchte, ist das Bafög der einzige vertretbare Weg.
Bis vor Kurzem beinhaltete das Bafög sogar eine implizite Elitenförderung:
Ein Teil der Studienförderung wird beim Bafög als Darlehen gewährt.
Studierende, die besonders schnell zum Abschluss kamen oder zu den 30
Prozent der besten eines Prüfungsjahrgangs zählten, konnten auf Rabatte bei
bei der Rückzahlung hoffen. Ihre Darlehensschuld verringerte sich um bis zu
25 Prozent. Rund 11.000 Absolventen profitierten jedes Jahr davon.
## Übers Bafög fördern
Natürlich kann man sich auch über diese Regelung streiten: Gute Absolventen
finden in der Regel gut bezahlte Jobs. Warum sollte der Staat denjenigen
ihre Schulden erlassen, die sie am ehesten begleichen können?
Verteilungspolitisch ist das Unsinn.
Wenn man aber unbedingt begabte Studierende unterstützen will, ist der Weg
über das Bafög der bessere: Er ist treffsicherer als ein Stipendium, das
statt auf dem Abschlusszeugnis nur auf einer Prognose aus Abitur- oder
Zwischennoten und den zweifelhaften Auswahlverfahren der Förderwerke
beruht. Und vor allem: Es päppelt nicht ohne Not diejenigen, die aus gut
betuchtem Hause kommen. Ausgerechnet den Leistungsbonus beim Bafög hat
Annette Schavan, die die Zahl der Stipendien in ihrer Amtszeit auf 45.000
verdoppelt hat, aber gestrichen. Ab diesem Jahr ist die Regelung entfallen.
Die Begründung dafür ist abstrus. Zu groß sei der Verwaltungsaufwand beim
Bafög-Rabatt gewesen, zu schwierig die Prüfung, ob die Absolventen wirklich
zu den besten zählten. Bei den Stipendien ist der Aufwand keineswegs
geringer – nur dass ihn die Förderwerke erbringen müssen oder die
Universitäten, die sich bei der Vergabe der sogenannten
Deutschlandstipendien außerdem um zusätzliche private Mäzen bemühen müssen.
Durch das Streichen der Bafög-Prämie spart der Bund 12 Millionen Euro im
Jahr. Das ist nicht viel; es entspricht annähernd der Summe, die ihn das
fragwürdige Deutschlandstipendium kostet.
Dass die neue Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) nun die
Reformbedürftigkeit des Bafög betont, ist prinzipiell gut. Wenn sie es
ernst meint, sollte sie bei der Gelegenheit die Begabtenförderung mit
reformieren – und sämtliche Stipendien abschaffen.
21 Apr 2013
## LINKS
[1] http://www.stipendienspenden.de/
## AUTOREN
Bernd Kramer
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