| # taz.de -- Kreativität in der Elite-Förderung: Der Student, dein Geldeintrei… | |
| > Für das Deutschlandstipendium müssen Unis Geld bei der Wirtschaft | |
| > sammeln. Karlsruhe lässt die Stipendiaten Sponsoren abtelefonieren. | |
| Bild: Bildungsministerin Wanka beim Deutschlandstipendium-Kongress in Berlin. | |
| BERLIN taz | Stipendiaten haben es gut: Sie dürfen sich von ihren | |
| Universitäten bei Sekt und Schnittchen feiern lassen. Das Karlsruher | |
| Institut für Technologie (KIT) würde sich aber auch über eine Gegenleistung | |
| freuen: „Werden Sie als Stipendiaten oder ehemalige Stipendiaten | |
| Botschafter und unterstützen Sie uns bei der Einwerbung der Mittel!“, | |
| schrieb die Fundraising-Abteilung der Uni kürzlich in einer Mail an ihre | |
| Deutschlandstipendiaten. | |
| Die Idee: Die geförderten Studierenden sollen potenzielle Sponsoren anrufen | |
| und sie zu Spenden bewegen – aus denen dann wiederum neue Stipendien | |
| vergeben werden können. | |
| Zur Vorbereitung bietet die Uni den Stipendiaten sogar einen „ganztägigen | |
| Workshop mit einem professionellen Telefontrainer“. „Für Sie kostenlos“, | |
| wie sie gegenüber den Studenten betont. | |
| Ein Problem erkennt Dennis Nitsche, Fundraising-Chef der Hochschule, darin | |
| nicht: „Die Stipendiaten wissen sehr genau, dass es für die Hochschulen | |
| eine große Herausforderung ist, die privaten Mittelanteile für das | |
| Deutschlandstipendium einzuwerben.“ Die Teilnahme an der Aktion sei | |
| freiwillig. | |
| ## "Größte öffentlich-private Partnerschaft" | |
| Stipendiaten als Geldeintreiber in eigener Sache – das Karlsruher Modell | |
| treibt die Idee des Deutschlandstipendiums auf die Spitze. Denn das | |
| Prestigeprojekt der Bundesregierung hält die Hochschulen ausdrücklich zum | |
| Klinkenputzen an: Wollen sie Studierende, die sie für begabt halten, | |
| fördern, müssen sie Mittel bei Unternehmen oder Privatpersonen einwerben. | |
| Der Bund legt noch einmal dieselbe Summe drauf. | |
| Im Monat bekommt jeder Stipendiat so 300 Euro – ohne Prüfung des Einkommens | |
| oder der Bedürftigkeit. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) rühmt | |
| das Programm als „die größte öffentlich-private Partnerschaft im | |
| Bildungsbereich, die es je gab“. | |
| Es ist aber auch eine mit größten Tücken. [1][Einige Hochschulen] kommen | |
| den Wünschen der Geldgeber überraschend weit entgegen: Die RWTH Aachen etwa | |
| legt den Förderern Kandidatenlisten vor, aus denen sie die Stipendiaten | |
| auswählen können, die ihnen zugeordnet werden sollen. Die Hochschule | |
| Hannover lässt Stipendiaten gar einen [2][„Ehrenkodex“] unterzeichnen, der | |
| zu Wohlverhalten gegenüber den Geldgebern verpflichtet. | |
| Ähnlich verfährt die Ruhr-Uni Bochum: Sie hat einen „Stipendiaten-Knigge“ | |
| verfasst – wegen „negativer Erfahrungen“, wie eine Hochschulvertreterin | |
| kürzlich bei einer Jubiläumsveranstaltung des Programms in Berlin | |
| berichtete. So hätten Stipendiaten zum Beispiel Praktika bei ihren | |
| Förderern ausgeschlagen – und seien stattdessen einfach zur Konkurrenz | |
| gegangen. „Das ist ein No-Go.“ | |
| ## Kritik am schwammigen Stipendiengesetz | |
| Das Gesetz zum Deutschlandstipendium bleibt in vielerlei Hinsicht | |
| schwammig. „Das Stipendium darf weder von einer Gegenleistung für den | |
| privaten Mittelgeber noch von einer Arbeitnehmertätigkeit oder einer | |
| Absichtserklärung hinsichtlich einer späteren Arbeitnehmertätigkeit | |
| abhängig gemacht werden“, heißt es darin zwar. Wo Appelle enden und | |
| Verpflichtungen beginnen, ist aber schwer zu bestimmen. | |
| Auch die Mitsprache der Geldgeber ist mindestens ambivalent geregelt: Sie | |
| dürfen zwar keinen direkten Einfluss auf die Auswahl nehmen, wohl aber | |
| Wünsche äußern und die Hochschulen beim Kandidaten-Casting beraten. | |
| Im Beirat des Deutschlandstipendiums soll nach taz-Informationen zuletzt | |
| heftig über den Einfluss der Geldgeber gestritten worden sein. Selbst | |
| Beiratsmitglied Inge Reichenbach, die lange als Spendensammlerin der US-Uni | |
| Yale tätig war, kritisiert die Vorgaben des Gesetzes als zu lasch. „Eine | |
| klare Stellungnahme vom Deutschlandstipendium zu dieser Frage wäre | |
| hilfreich“, sagte sie der taz. „Der Einfluss des Spenders sollte aufhören, | |
| sobald er seine Spende gemacht hat.“ [3][Wankas Ministerium] sah bisher | |
| allerdings keinen Änderungsbedarf. | |
| ## Stipendiaten als Fundraiser | |
| Vielleicht auch, weil ein bisschen Gemauschel politisch durchaus gewollt | |
| ist. Die Stipendiaten sollen den Hochschulen als Türöffner bei Spendern | |
| dienen: Wer eine kleinere Summe für die Begabtenförderung springen lässt, | |
| finanziert vielleicht eines Tages auch ein teureres Forschungsprojekt. Die | |
| Studierenden werden zu Geldeintreibern, wenn der Staat sich aus der | |
| Hochschulfinanzierung zurückzieht. | |
| Ulrich Radtke, Rektor der Uni Duisburg-Essen, erzählte kürzlich auf dem | |
| Deutschlandstipendium-Kongress in Berlin, wie er Großunternehmen der Region | |
| gewinnen konnte, der Hochschule eine mehrseitige Werbebeilage in einer | |
| großen Wochenzeitung zu finanzieren. Der Kontakt kam über das | |
| Stipendienprogramm zustande. | |
| Stipendiaten sind die besten Fundraiser der Hochschulen, so sieht es auch | |
| die Uni Karlsruhe. Neun von ihnen sind dem Aufruf gefolgt und haben sich | |
| als Telefonisten gemeldet. Rund 20.000 Euro konnten sie akquirieren. | |
| 29 Jul 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!111472/ | |
| [2] http://www.hs-hannover.de/studium/stipendien/wir-stipendium-studis/ehrenkod… | |
| [3] /!111760/ | |
| ## AUTOREN | |
| Bernd Kramer | |
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