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# taz.de -- Kungelei bei Elite-Förderung: Wunschkonzert für die Wirtschaft
> Studenten unterschreiben einen Ehrenkodex, Firmen bestimmen das Fach: Der
> DGB übt scharfe Kritik am Deutschlandstipendium.
Bild: Warten auf mehr Begabtenförderung: 0,6 Prozent der Studenten in Deutschl…
BERLIN taz | Jeden Monat 300 Euro, die Hälfte von der Wirtschaft, die
andere vom Staat: 13.896 Studierende haben im Jahr 2012 ein
Deutschlandstipendium bekommen. Damit kommen 0,6 Prozent aller Studentinnen
und Studenten in den Genuss der exklusiven Begabtenförderung, teilte das
Statistische Bundesamt am Freitag mit.
„Diese Zahlen sind erfreulich,“ kommentierte Bundesbildungsministerin
Johanna Wanka (CDU) zufrieden. Was sie verschweigt: Das selbstgesteckte
Ziel der Regierung von einem Prozent wurde verfehlt. Und: Längst nicht in
jedem Fach stehen die Chancen auf ein Stipendium gleich gut.
Darauf weist eine Analyse des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum
Deutschlandstipendium hin, die der taz vorliegt. „Das Deutschlandstipendium
fördert zu einseitig einzelne Fachrichtungen. Drei von vier Stipendien
gingen an die Ingenieurswissenschaften, den Bereich Mathematik und die
Naturwissenschaften sowie an Wirtschafts- und Rechtswissenschaften“,
urteilt DGB-Bildungsfachmann Matthias Anbuhl in dem Papier, das die neuen
Zahlen des Statistischen Bundesamtes kommentiert.
Kritik kommt auch vom Grünen-Abgeordneten Kai Gehring: „Bundesmittel dafür
einzusetzen, dass Unternehmen die Studienfachwahl junger Menschen
beeinflussen, ist widersinnig.“
Beim Deutschlandstipendium werben Hochschulen Geld bei Unternehmen und
Privatleuten ein, dann verdoppelt der Bund die Summe. Die Stifter können
dabei Fachbereiche festlegen, die sie fördern möchten. Außerdem dürfen die
Hochschulen sie an der Stipendidatenauswahl teilnehmen lassen – beratend,
wie es im Gesetz vage heißt.
## „Interesse an einem vergüteten Praktikum“
„Um den Einfluss privater Mittelgeber zu reduzieren und eine ausgewogene
Verteilung nach Fachrichtungen zu sichern, dürfen die Mittel nicht mehr
nach Fachrichtung zweckgebunden werden“, fordert nun der DGB. Und: Stifter
soll künftig nicht mehr in die Stipendiatenauswahl einbezogen werden – auch
nicht beratend. Die Forderung hat Gewicht: DGB-Mann Anbuhl sitzt neben
Wirtschafts- und Studierendenvertretern im Beirat des
Deutschlandstipendiums.
[1][Die taz hatte bereits darüber berichtet], dass einige Universitäten und
Fachhochschulen den Wünschen der Geldgeber überraschend weit
entgegenzukommen bereit sind.
Etwa die RWTH Aachen. „Das Gesetzt schließt eine unmittelbare Beteiligung
der Förderer an der Auswahl aus“, schreibt die Stipendienverantwortliche an
potenzielle Geldgeber. „An der RWTH ist es uns jedoch sehr wichtig, die
Förderer dennoch in den Auswahlprozess einzubinden, daher haben wir ein
zweistufiges Verfahren etabliert, das den Anforderungen des Gesetzes genügt
und gleichzeitig die Förderer einbindet.“ Die Uni wählt Kandidaten aus, die
Geldgeber dürfen aber entscheiden, welche Stipendiaten ihnen zugeordnet
werden sollen.
Kreativ geht auch die Hochschule Hannover mit den Bestimmung des
Deutschlandstipendiums um. Dort unterschreiben die geförderten Studierenden
einen „[2][Ehrenkodex]“, in dem sie sich zu „Mindestregeln des
Wohlverhaltens gegenüber den Förderern“ verpflichten. Dazu zählen: die
„selbstverständliche Kontaktaufnahme“, „Interesse an einem vergüteten
Praktikum“ und die Bereitschaft, „Einladungen unbedingt nachzukommen“.
Im [3][Stipendiengesetz] heißt es allerdings: „Das Stipendium darf weder
von einer Gegenleistung für den privaten Mittelgeber noch von einer
Arbeitnehmertätigkeit oder einer Absichtserklärung hinsichtlich einer
späteren Arbeitnehmertätigkeit abhängig gemacht werden.“
## Party bei der Telekom
Am Mittwoch feiert das Deutschlandstipendium sein zweijähriges Bestehen –
mit einem Kongress in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom.
Ausgezeichnet werden sollen dabei Hochschulen, die das Stipendienkonzept
besonders gut umsetzen. Jeweils 10.000 Euro vom wirtschaftsnahen
Stifterverband für die deutsche Wissenschaft winken den drei Siegern.
In ihren Bewerbungen um den Preis zeigten sich einige Hochschulen
überraschend offenherzig, wie die taz erfuhr. Eine Fachhochschule etwa soll
sich damit gerühmt haben, die Förderer besonders stark in die
Stipendiatenauswahl einzubinden. Man mache Vorschläge – im gemeinsamen
Gespräch würden dann aber möglicherweise andere Kandidaten fokussiert.
Manche Jury-Mitglieder sollen sich zumindest verwundert die Augen gerieben
haben.
Alexander Tiefenbacher, beim Stifterverband zuständig für den Wettbewerb,
will jedoch nichts Anrüchiges beobachtet haben: „Sämtliche der
teilnehmenden Hochschulen haben die Richtlinien des
Stipendienprogramm-Gesetzes berücksichtigt.“
Unter den sieben Finalisten steht auch die TU Dresden. In einer verdeckten
Anfrage bei mehreren Hochschulen hatte sich die taz als Personalberater
ausgegeben, der als Stifter gerne ein Stipendium für eine ehemalige
Praktikantin reservieren würde. Die meisten Hochschulen lehnten das
unmoralische Angebot ab – manche deutlicher, andere weniger. Die TU Dresden
schickte dagegen einen Vertragsentwurf, in dem nur noch der Wunschkandidat
für ein „personengebundenes Stipendium“ eingetragen werden musste.
Handlungsbedarf sieht das Bundesbildungsministerium derzeit trotzdem nicht.
„Ich bin beeindruckt von der Kreativität und den Ideen, die zahlreiche
Hochschulen entwickelt haben“, sagte Wanka.
1 Jan 1970
## LINKS
[1] /!111472/
[2] http://www.hs-hannover.de/fileadmin/media/doc/stipendien/Ehrenkodex_der_Sti…
[3] http://www.gesetze-im-internet.de/stipg/__5.html
## AUTOREN
Bernd Kramer
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