# taz.de -- Unis im Osten unterfinanziert: Sägen an der Attraktion Hochschule | |
> In Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg gefährden schrumpfende | |
> Landeshaushalte die Attraktivität der Hochschulstandorte. | |
Bild: Die Uni Halle will sich die medizinische Fakultät sparen - StudentInnen … | |
DRESDEN taz | Gelten deutsche Hochschulen allgemein im internationalen | |
Vergleich als unterfinanziert, so trifft das für die ostdeutschen Länder in | |
besonderem Maße zu. Schuldenbremse und schrumpfende Landeshaushalte | |
gefährden die Attraktivität ostdeutscher Hochschulstandorte. | |
Der jüngste Eklat in Sachsen-Anhalt wirft ein Schlaglicht auf dieses | |
Dilemma. Rund 7 000 Studierende und Hochschulpersonal, so viele wie noch | |
nie, demonstrierten am letzten Apriltag in Halle gegen Pläne der | |
Landesregierung, in den nächsten Jahren 50 Millionen Euro bei den | |
Hochschulen zu kürzen. | |
Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) war zuvor | |
entlassen worden, weil sie entsprechende apodiktische Forderungen von | |
Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) erst einmal nur als Prüfauftrag | |
verstanden wissen wollte. Seither kommt das Bundesland nicht zur Ruhe. So | |
äußert nicht nur Rektor Udo Sträter von der Uni Halle Unverständnis über | |
den „äußerst ungünstigen Zeitpunkt". Mit den Rektoren war zuvor nicht über | |
Strukturmaßnahmen gesprochen worden. Ein entsprechendes Gutachten des | |
Wissenschaftsrates wird erst für Juli erwartet. Und über die | |
Kofinanzierungsanteile der Länder am Hochschulpakt wird erst am 13.Juni | |
abschließend beraten. | |
Dieser Pakt 2020 zwischen Bund und Ländern habe „die ostdeutschen | |
Hochschulen über die schwachen Abiturientenjahrgänge hinweg gerettet", | |
anerkennt die ehemalige GEW-Bundesvorsitzende Eva-Maria Stange (SPD), bis | |
2009 auch Wissenschaftsministerin in Sachsen. In diesem Pakt erhalten die | |
ostdeutschen so genannten „Halteländer" Bundesgelder, wenn sie ihre | |
Studierendenzahlen mit Hilfe von „Importen" stabilisieren. | |
Auch in der am 12.April von der Wissenschaftskonferenz beschlossenen | |
Erweiterung des Paktes wegen des gesamtdeutschen Studierendenzuwachses | |
bleiben die ostdeutschen Länder privilegiert. Im Westvergleich müssen sie | |
eine geringere Kofinanzierung leisten, die Referenzlinien für die | |
mindestens zu haltenden Studierendenzahlen wurden abgesenkt. | |
## Weniger Geld für die Lehre | |
An den grundsätzlichen Problemen ändert jedoch auch die Bundeshilfe wenig. | |
Eines davon sieht Frau Stange darin, dass im Osten nach wie vor zwei | |
Drittel der Forschungsausgaben staatlich finanziert werden. Im Westen ist | |
es genau umgekehrt, wird der Hauptteil privat getragen. Damit bleibt aus | |
der Grundfinanzierung weniger Geld für die Lehre übrig. Bei den laufenden | |
Ausgaben pro Student liegen Brandenburg auf dem letzten und Sachsen auf dem | |
drittletzten Platz. | |
Mehrere Kürzungsrunden hatten in der Vergangenheit schon Spezialisierungen | |
und regionale Aufgabenteilungen zur Folge. „Lineares Sparen ist nicht mehr | |
möglich, das geht nur über Strukturveränderungen", sagt nicht allein Halles | |
Rektor Sträter. So stellt Leipzig die Pharmazie ein, und sogar die Dresdner | |
Exzellenzuniversität verkündete jüngst die Schließung mehrerer | |
Studiengänge, darunter die Kartographie. Außerdem will die TU Dresden in | |
diesem Jahrzehnt weitere 224 Stellen abbauen, Überhänge nach früheren | |
Sparauflagen, wie Rektor Hans Müller-Steinhagen sagt. Bei befristeten | |
Drittmittelstellen allerdings legt die Uni nach wie vor zu. | |
Mehr Sorge macht dem Dresdner Rektor, dass die vorhandene Infrastruktur | |
nicht mehr auf dem neuesten Stand gehalten werden kann. „Wir leben vom | |
Gesparten", sagt er, und auch in Halle fürchtet man um die Früchte der | |
Investitionen aus den neunziger Jahren. Hinzu kommt, dass sich der Bund bis | |
2019 endgültig aus der Mitfinanzierung des Hochschulbaus zurückzieht. | |
In Brandenburg haben die Bürgermeister der Hochschulstandorte Ende April | |
einen leidenschaftlichen Brief an Landtag und Landesregierung geschrieben. | |
Darin fordern sie einen Nachtragshaushalt, der die bisherige | |
Unterfinanzierung der Landeshochschulen zumindest auf den | |
Bundesdurchschnitt anhebt. Noch sind ostdeutsche Hochschulen für Bewerber | |
attraktiv, wegen guter Ausstattung, günstiger Lebenshaltung und wegen des | |
kulturellen Klimas. „Hier kann ein Schatz verloren gehen, ein Pfund, mit | |
dem der Osten wuchern kann", mahnt Halles Rektor Sträter. | |
7 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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