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# taz.de -- Rechtsextrem in Pommern: Die Unsichtbaren
> Die Rechtsextremen in Vorpommern sehen ein mögliches Verbot der NPD
> gelassen. Warum, zeigt auch der Fall eines Feuerwehrführers und
> Gemeinderats.
Bild: Windrad in Postlow.
ANKLAM taz | Sein Plan für den Ernstfall steht seit Monaten. Er beginnt am
Montag nach dem Verbot um 10 Uhr morgens: kostenlose Hartz-IV-Beratung im
Anklamer Wahlkreisbüro. Das Gebäude gehört zwei Neonazis. Privatbesitz, der
nicht beschlagnahmt werden kann.
Für den Dienstag nach dem Verbot seiner Partei hätte Michael Andrejewski
eine Flugblattaktion im Programm. „Würde ich eiskalt alles machen“, sagt
der NPD-Abgeordnete aus dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. „Ich bin
Rechtsanwalt, ich bin ja nicht verboten.“ Das Parteilogo müsse er dann eben
weglassen.
Der Jurist sorgt vor wie ein Patient mit schlechter Prognose. Er sei „doch
nicht Susi Sorglos“, sagt er spöttisch. Andrejewski, 53 Jahre, Typ
unscheinbarer Sonderling, verhöhnt die Staatsgewalt – seit 2006 sogar
hauptberuflich. Das drohende Verbotsverfahren scheint ihn zu beflügeln.
Vor acht Monaten haben die Landesinnenminister beschlossen, ihm seine
politische Heimat zu nehmen. Die NPD soll verboten werden, ihr Vermögen
beschlagnahmt. Die Minister wollen dafür sorgen, dass Politiker wie Michael
Andrejewski keine Zukunft mehr haben. Der Neonazi soll seinen Posten im
Anklamer Stadtrat verlieren, jenen im Kreistag und vor allem den Sitz im
Schweriner Landtag samt Abgeordnetendiät von 5.200 Euro brutto im Monat.
## In Berlin arbeiten die Professoren am Verbot
Gut 200 Kilometer südwestlich von Anklam in einem klassizistischen Palais
am Boulevard Unter den Linden, dritter Stock mit Blick zum Innenhof,
arbeiten seit dem Frühjahr zwei Rechtsprofessoren an der Klageschrift. Das
Vorhaben ist im politischen Berlin umstritten – auch weil ein erster,
ähnlicher Versuch von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat vor zehn
Jahren scheiterte. Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Verbotsantrag
damals aus formalen Gründen ab.
Auch diesmal scheint das Projekt schwieriger als erhofft. Die Länder sollen
die Klageschrift alleine unterzeichnen, Bundestag und Regierung halten sich
vorsichtshalber raus. Anfangs hieß es, der Verbotsantrag sei bis zur
Sommerpause in Karlsruhe. Davon ist nicht mehr die Rede.
Kürzlich baten die für das Verfahren zuständigen Berliner Professoren einen
Kollegen aus dem Fachbereich praxisorientierte Politikwissenschaft, ihnen
noch ein Dossier über die Gefährlichkeit der Neonazis in
Mecklenburg-Vorpommern zu liefern. Wenn sich überhaupt beweisen lässt, dass
die NPD ernsthaft die Demokratie gefährdet, dann dort im äußersten
Nordosten.
Michael Andrejewski sitzt im Café am Anklamer Marktplatz, Blick aufs
Rathaus. Am Nebentisch feiern ältere Damen bei Erdbeertorte Geburtstag. Der
NPD-Politiker scheint davon nichts mitzubekommen, er spult gerade vor in
die politische Zukunft der Region. Manche Politiker verbänden mit dem
NPD-Verbot geradezu fantastische Vorstellungen: „So, als ob der Vampir sich
in Staub auflöst. Plopp, weg!“ Ein schräges Grinsen huscht über sein
Gesicht, dann legt er nach: „Wir können hier weiter fast alles machen. Wir
dürfen nur den organisatorischen Zusammenhang der Partei nicht
weiterführen.“
## Eigentumswerte schützen
In Berlin wachsen die Zweifel, ob der Antrag beim Verfassungsgericht
überhaupt so eine brillante Idee ist. Hier, kurz vor der polnischen Grenze,
planen Neonazis in Ruhe für die Zeit danach.
Alle Eigentumswerte zu schützen, das sei die „Hauptvorkehrung“, sagt
Andrejewski. Nichts dürfe mehr der NPD gehören. Denn bei einem Verbot werde
zwar das Parteivermögen beschlagnahmt, aber nicht jenes der Mitglieder. Die
ehemalige Kaufhalle, in der er sein Anklamer Bürgerbüro unterhält, ist
deshalb im Besitz zweier Neonazis. Früher nutzte ein rechtsextremer Verein
aus der Gegend regelmäßig das Gebäude, seit einiger Zeit nicht mehr. „Bei
einem Vereinsverbot hätte man das Gebäude kassieren können“, sagt
Andrejewski. „Vereine sind gefährlich. Der Verein ist inzwischen gelöscht.�…
Er selbst habe von seiner Abgeordnetendiät „ganz erhebliche Ersparnisse“
angelegt, sagt der NPD-Mann. „Ich verlasse mich nicht darauf, dass es ewig
so weitergeht. Ich bin ja nicht behämmert.“
Andrejewski, als Lehrersohn im Schwarzwald aufgewachsen, wohnt noch immer
in der kleinen Plattenbauwohnung am Anklamer Stadtrand, die er 2003 als
Hartz-IV-Empfänger bezog. Das Hemd trägt er stets bis zum Kehlkopf
zugeknöpft, der Anorak hängt von seinen Schultern. Ein Auto leistet
Andrejewski sich nicht. Neben seinem Bürgerbüro betreibt er in Anklam
neuerdings eine Kanzlei, die erste Adresse für rechtsextreme Schläger in
der Gegend. Auch dieser Nebenjob gehört zu seinem „Plan B“. Nach einem
Parteiverbot stehe „ ja jeder mit einem Bein im Gefängnis“. Ausreichend
Kundschaft für ihn.
## Mehr Stammwähler als die Volksparteien
Der Jurist schwärmt von seiner Wahlheimat. Andere schätzen die Gegend hier
wegen der Moorlandschaft im Peenetal, der harten, salzigen Brise vom Haff.
Andrejewski sagt nüchtern: „Diese Gegend verblasst wie eine Tapete an der
Wand.“ Je trister die Wirtschaftslage, desto besser für ihn.
Seit Jahren schon sind die Neonazis in der Region so stark wie kaum sonst
irgendwo in Deutschland. In einigen Dörfern vor der polnischen Grenze hat
die NPD inzwischen mehr Stammwähler als die Volksparteien. Die Frage ist:
Würde das Parteiverbot den Rechtsextremen dort wirklich schaden – und den
Demokraten helfen?
Postlow, westlich von Anklam, drei Weiler zu einer Gemeinde vereint, rund
350 Einwohner. Unter dem fahlblauen Himmel liegen einfache Häuser,
Gartenzwerge grüßen aus Bauerngärtchen, eine Backsteinstallung trägt
Sonnenkollektoren auf dem Dach. Rot-weißes Absperrband raschelt vor einem
verwitterten Gebäude im Wind. Betreten verboten, Einsturzgefahr.
An einer verlassenen Hütte mit spitzem Giebel prangt ein Gruß. Die
Steinbude steht wenige Schritte von der Bundesstraße entfernt, jeder
Autofahrer kann sie sehen. Anderswo hinge hier ein „Willkommen in unserem
Dorf“-Schild. Oder Werbung für McDonald’s. Postlow grüßt mit zwei
mannshohen Buchstaben, N und S, in drei Farblinien gesprüht. Schwarz. Weiß.
Rot.
## In Postlow resignieren die Leute und wählen rechts
Die Gemeinde hält seit Jahren einen deutschen Rekord. Mehr als 38 Prozent
stimmten bei der Landtagswahl 2006 für die NPD. 2011 holte die
rechtsextreme Partei knapp 29 Prozent. Sensationelle Ergebnisse auch
deshalb, weil in dem Dorf kaum Spuren der NPD zu finden sind. Es gibt keine
NPD-Ortsgruppe, nicht mehr NPD-Mitglieder als anderswo. Alle
Gemeindevertreter sind parteilos, genau wie Bürgermeister Norbert Mielke.
Der Landwirt kurvt mit dem Gabelstapler Heuballen über seinen Hof, Futter
für die Kühe. Zwei große Stallungen stehen leer. „Kommt auch nie wieder was
rein“, sagt Mielke knapp. Im vergangenen Herbst musste er seine
Hähnchenmast aufgeben. Als die Bank erfuhr, dass Mielke keine Hähnchen mehr
züchtet, forderte sie ihren Kredit zurück. Sofort. Dem Bürgermeister blieb
nichts anderes übrig, als mit 60 Jahren seine private Altersvorsorge
aufzulösen. Nun erwarte ihn eine Rente von 325 Euro im Monat, erzählt er.
Norbert Mielke lässt sich in den Terrassenstuhl fallen, ein schwerer Mann
mit silbrigem Stoppelhaar, Hosenträger halten seine Jeans. „Dieser Staat
bringt dem Bürger keine Verlässlichkeit mehr.“ Auch die Gemeinden im
Anklamer Land seien finanziell am Ende. Viele Leute hätten resigniert, weil
jeder wisse, hier werde sich nichts mehr zum Guten wenden. Ein stummer
Blick hinüber zu den leeren Flachbauten, dann brummt er: „Ist ja egal.
Irgendwas wird werden.“
## Der Rasen frisch gemäht
Das NPD-Verbotsverfahren interessiert den Bürgermeister nicht besonders.
Die Politiker, sagt er, sollten dieser Partei besser ihre Themen wegnehmen.
„Die gründen sich sowieso an der zweiten Ecke wieder neu.“ Zumal die NPD in
Postlow kaum in Erscheinung trete. Andere Neonazistrukturen in seinem Dorf?
„Rechts heißt bei mir NPD“, sagt Mielke.
Er müsste jetzt nur ein paar Häuser die Dorfstraße runtergehen, vorbei an
einem schwarz-rot-goldenen Windrädchen, vorbei am ehemaligen Dorfladen mit
vergilbter Eisreklame im leeren Schaufenster, dann wäre er beim Haus der
Familie R. Der Rasen ist frisch gemäht, an der Tür hängt ein Strohherz.
Detlef R. hat vor einigen Jahren die frühere Backfabrik im Anklamer
Stadtzentrum gekauft – heute eine der großen Neonaziimmobilien im Umkreis.
Im Landesverfassungsschutzbericht wird das Gelände als eins von drei
wichtigen Szeneobjekten in Mecklenburg-Vorpommern bezeichnet. Die Besitzer
gehören der Behörde zufolge zum Teil der „Hammerskinszene“ an – einer
international aufgestellten, verborgen agierenden rassistischen
„Bruderschaft“.
Als im vergangenen Jahr eine Prügelattacke auf Anklamer Punks vor Gericht
verhandelt wurde, war unter den Angeklagten auch ein junger Mann aus
Postlow. Die Liste seiner Facebook-Freunde liest sich wie das Who’s who der
Neonaziszene im Nordosten. Einer aus der rechten Clique postete nach der
Landtagswahl 2011: „Und wieder mal hat die Gemeinde Postlow gut
abgeschnitten bei der Wahl mit 28,6 Prozent für die NPD!“ Smiley. Das kam
gut an. In der Facebook-Rubrik „Gefällt mir“ nennt der Postlower die Bands
FreiWild, Blitzkrieg – und die vorpommersche Rechtsrockband namens Wiege
des Schicksals.
## Musik und Politik
Auch Spuren dieser Band führen nach Postlow. Nach der vergangenen
Kommunalwahl zog erstmals der gelernte Straßenbauer Ralf Städing als
parteiloser Kandidat in das Gemeindeparlament ein. Die Wahlwerbung für den
„unabhängigen nationalen Kandidaten“ hatte die örtliche Neonaziszene im
Anklamer Boten übernommen, einem von Rechtsextremen herausgegebenen lokalen
Gratisblatt. Ralf Städing, Mitte 20, inzwischen auch stellvertretender
Wehrführer der freiwilligen Feuerwehr, gilt in Sicherheitskreisen als
Mitglied der Wiege des Schicksals.
Im vergangenen August trat die Band vor mehr als tausend Zuhörern in einem
Dorf südöstlich von Anklam auf. Dort fand das „Pressefest“ der Deutschen
Stimme statt, eines der deutschlandweit wichtigsten Neonazitreffen.
Bürgermeister aus der ganzen Region protestierten gegen die
Hetzveranstaltung. Der Verdacht: Stand währenddessen auf der Bühne,
versteckt hinter schwarzer Sonnenbrille und mit E-Gitarre, der
Nachwuchspolitiker aus Postlow?
„Der Ralf in einer Band?“, prustet Bürgermeister Mielke. „Der kann doch …
nicht singen!“ Er richtet sich im Terrassenstuhl auf. Davon höre er zum
ersten Mal, sagt er. „Das wär ja das Allerhärteste!“ Es muss gerade ratte…
in seinem Kopf. Ralf Städing als Musiker – das scheint er nicht glauben zu
können. Ob es sich um eine Verwechslung handle?
Mielkes Sohn schaut aus dem Wohnzimmer auf die Terrasse heraus. „Der Ralf
soll in einer Band spielen“, ruft Mielke. „Hast du davon mal gehört?“ –
„Keine Ahnung“, antwortet der junge Mann und verschwindet durch die
Terrassentür.
Mielke schiebt die Augenbrauen zusammen. Städing sei „nicht auffällig“,
versichert der Bürgermeister. In der Gemeinde setze sich der
Nachwuchspolitiker für die Feuerwehr ein. „Die jungen Leute wählen ihn
entsprechend.“ Er werde mal Städings Eltern anrufen, zu denen er sehr guten
Kontakt habe. Und „den Ralf“ natürlich auch.
## Er antwortet nicht, droht mit „Verleumdungsklage“
Es ist einfach, nichts von Neonazis zu wissen, die ohne NPD-Label
auftreten. Je nach Blickwinkel ein bequemer Zustand – oder eine neue
Herausforderung.
Karsten Becker betreibt seit acht Jahren eine kleine Straußenzucht am
Dorfrand, ein redseliger Typ. Der 55-Jährige steht am Zaun des Vogelgeheges
und weiß gar nicht, was er zuerst erzählen soll über das Leben am
finanziellen Abgrund in diesem Landstrich, den er „Aldi-Land“ nennt. Auf
den Gemeindevertreter und Vizewehrführer Ralf Städing angesprochen, sagt
Becker: „Kenn’ ich nicht.“ Er grinst kurz, korrigiert knapp: „Guten Tag…
guten Weg – mehr ist das hier nicht.“
Nette Nachbarn seien die Rechten im Dorf. „Das ist eine friedliche
Koexistenz. Wir haben nichts gegen die und die nichts gegen uns.“
Ein Mittwochabend Ende Juli, das Postlower Dorfparlament tagt zum zweiten
Mal in diesem Jahr. Städing steht mit anderen Gemeindevertretern vor der
Dorfverwaltung und raucht. Ein kräftiger Kerl in kurzärmligem Karohemd, die
Haare auf wenige Millimeter gestutzt, nur das „Pommern“-Tattoo in
Frakturschrift auf seinem Unterarm deutet seine Gesinnung an.
Nach der Band Wiege des Schicksals und dem Auftritt auf dem Deutsche
Stimme-Pressefest gefragt, reagiert Städing gereizt. „Woher wollen Sie das
wissen?“, schnauzt er. Und wen solle „dieser Scheiß“ überhaupt
interessieren? Dann droht er: „Wenn Sie da was schreiben, kriegen Sie eine
Verleumdungsklage.“ Mehr will er nicht sagen. Keine Chance, ihn nach den
Fotos der Rechtsrockband auf [1][nb-town.de] zu fragen, einer Art
Provinz-Facebook in Mecklenburg-Vorpommern.
## Einigkeit macht stark
Ist er etwa nicht dieser Ralf mit „Pommern“-Tattoo in Frakturschrift auf
dem Unterarm, dem die Freunde im Onlinegästebuch zum Geburtstag mit „Heil
Dir“ gratulieren und „alles jude“ wünschen? War er es nicht auch, der in
der Rubrik „kotzen könnt ich bei …“ eintrug: „diesem System!!!!!!“?
Drinnen sitzt hinter geblümter Tüllgardine Bürgermeister Mielke mit
aufgeklapptem Aktenkoffer am Schreibtisch. Als Städing den engen,
holzvertäfelten Raum betritt, grinst Mielke ihn an. Es geht an diesem Abend
um die Schlaglöcher der Dorfstraße, neue Abwasserrohre. Städing erkundigt
sich, ob „wir von der Feuerwehr“ die Straßenbäume verschneiden dürften. …
Runde beschließt, das Verpflegungsgeld für die Feuerwehrleute zu erhöhen.
Einstimmig. Der Bürgermeister notiert: „Einigkeit macht stark.“
Postlow macht vor, wie der rechte Alltag nach einem Parteiverbot in
Deutschland aussehen könnte. Die Szene wird unsichtbarer werden, schwerer
zu greifen, und auf lokaler Ebene trotzdem Erfolge feiern. Oder gerade
deshalb.
Eine Aussicht, vor der Günther Hoffmann warnt. Der frühere Theatermann zog
vor 15 Jahren mit Frau und Kind aus Berlin in einen Weiler bei Anklam, dort
wurde er zum hauptberuflichen Netzwerker gegen rechts. Er kennt die Szene
besser als irgendjemand sonst in der Region. „Das NPD-Logo würde
verschwinden“, sagt er. „Aber die würden ihre Arbeit als Einzelbewerber
oder unter dem Label von Wählergemeinschaften fortführen. Das Problem
kriegen wir hier mit dem Verbot nicht gelöst.“ Er fürchtet, dass es sogar
„ungleich schwerer“ werden dürfte, rechtsextreme Aktivitäten anzuprangern:
„Einer wie der NPD-Abgeordnete Andrejewski könnte ohne Parteilogo in Anklam
sogar noch mehr Stimmen bekommen als bisher.“ Ein Grund, warum er von einem
NPD-Verbotsverfahren abrät.
Hoffmann engagiert sich selbst in der freiwilligen Feuerwehr, auch er
arbeitet im Gemeindeparlament seines Dorfes mit. Vor ein paar Monaten traf
er bei einer kommunalpolitischen Schulung zur doppelten Haushaltsführung
zufällig zwei Lokalgrößen aus Postlow: Bürgermeister Mielke und „den Ralf…
Städing. Wie „Dorfkumpel“ seien die beiden miteinander umgegangen, erzählt
Hoffmann. Es erstaunt ihn nicht. „Wer kein eindeutiges Parteilabel hat, den
kann man schwerer ausgrenzen. Genau da könnte in Zukunft das Problem
liegen.“
## Halb Facebook-Freunde, halb Kameradschaft
Der Nazigegner Hoffmann und der NPD-Politiker Andrejewski – in der Frage
nach den Folgen eines Verbots sind sie sich ausnahmsweise ziemlich einig.
„Die Aktivitäten werden zwar in der Fläche zurückgehen, sich aber in Inseln
verstärken“, prophezeit Andrejewski. Das Verbotsrecht stamme aus den
fünfziger Jahren. „Also aus der Steinzeit.“ Damals hätte man nach einem
Parteiverbot mit Schreibmaschine und Kohlepapier mühsam hundert Flugblätter
produzieren müssen. Heute setze er sich an seinen Computer, schreibe ein
Flugblatt, drucke mit dem Drucker 5.000 Stück aus, verteile die – und habe
es nicht nötig, irgendeine Gruppierung weiterzuführen. „Ich kann das in
Anklam alles als parteiloser Einzelbewerber alleine machen“, behauptet
Andrejewski. Er müsse nicht mal mit seinen Kameraden telefonieren oder
mailen. „Es reicht, wenn jeder seine Facebook-Seite hat.“
Glaubt man dem Politiker, dann entwickelt sich die Neonaziszene in der
Region ohnehin in diese Richtung. Die Cliquen seien informeller geworden,
zerfaserter. „Halb Facebook-Freundschaft, halb Kameradschaft.“ Es sei oft
schwierig zu sagen, wer wirklich dazugehöre.
## Parteilose als Deckung
Die parteilosen Phantome könnten für die verfassungsfeindliche Basisarbeit
in Zukunft noch wichtiger werden. Im Gegensatz zu NPD-Abgeordneten wie
Andrejewski, die bei einem Verbot ihre Mandate verlieren könnten, behielten
die Parteilosen sie in jedem Fall. Er erwäge deshalb, schon bei der
Kommunalwahl 2014 für die NPD auch Kandidaten von außen aufzustellen, sagt
Andrejewski.
Parteilose Aktivisten wie Ralf Städing gibt es reichlich in dem Landstrich.
Natürlich kennt auch der Landtagsabgeordnete den Rechten aus Postlow. Von
dessen musikalischen Aktivitäten aber wisse er nichts, beteuert
Andrejewski. Solches „Gegröle“ höre er sich freiwillig nicht an.
Nachfrage beim Postlower Bürgermeister: Gehört der Gemeindevertreter nun
zur Wiege des Schicksals oder nicht? „Der Ralf spielt in einer Band“,
bestätigt Mielke, ganz so, als sei ihm der Name dieser Rechtsrockband,
deren Songs man beim Onlineportal YouTube abrufen kann, schon wieder
entfallen. Er habe sich die Musik nie angehört. „Ein Thema wäre das erst,
wenn der Ralf bei uns auffällig würde.“ Städing sei aber kein NPD-Mann.
„Wenn er Musik machen will“, sagt der Bürgermeister, „dann soll er das
machen.“ Verboten sei das ja nicht.
4 Aug 2013
## LINKS
[1] http://nb-town.de
## AUTOREN
Astrid Geisler
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