# taz.de -- Lohnenswerte Ausgrabungen: Der ewige Stenz ist stets voraus | |
> In der Reihe „Elaste“ kompiliert der Münchner DJ und Produzent Dompteur | |
> Mooner Vintage-Futurism-Tracks aus der Ära von Disco und House. | |
Bild: Autonarr ist er auch noch: Mooner vor Opel Manta mit Stufenheck | |
Der in München lebende und schon seit geraumer Zeit die Elektro-Szene | |
aufpolierende Produzent Dompteur Mooner hat eine Compilation | |
zusammengestellt. Die Berufsbezeichnung Dompteur ist bewusst gewählt, denn | |
Mooner bändigt den Wildwuchs. | |
Für seine Albumreihe „Elaste“ wühlt er sich durch Schallarchive. Seine | |
Fundstücke, Tracks, die zwischen 1975 und 1996 entstanden sind, haben eines | |
gemein: Sie waren ihrer Zeit voraus. Und weil diese elektronische | |
Avantgarde längst untergegangen ist, fasst Mooner seine Sammlung rarer | |
Tracks als „Vintage-Futurism“ zusammen. Da schwingt viel Glamour mit, und | |
zwar von „Meta-Disco“ bis „Proto-House“, wie es auf dem Cover folgerich… | |
ankündigt ist. | |
Mit Tracks von Cybotron und Michael Rinder wendet sich Mooner der dunklen | |
Seite von Disco zu, wie sie auch Donna Summers Song, „I feel Love“, | |
entstanden in München 1977 mit dem Produzenten Giorgio Moroder, so elegant | |
zum Ausdruck gebracht hat. | |
Mooner verzichtet aber auf die ganze großen Namen, seine Auswahl fördert | |
Kompromissloses und Abwegiges zutage. Echte Juwelen, wie den Track | |
„Gluttony“ des britischen Duos Rinder & Lewis, der seinen wuchtigen | |
Synthie-Patterns und der schweren Bassdrum wegen besonders archaisch | |
daherkommt. | |
Der Bezug zu München ist beabsichtigt. Schon in den drei vorangegangen | |
Elaste-Zusammenstellungen machte Mooner die Soundwelt des Cosmic | |
zugänglich, einer Spielart von Clubmusik, die sich Ende der Siebziger von | |
Norditalien ausgehend auch in München etablierte. Mit „The End“, einem | |
Track des italo-französischen Duos Jacques Fred Petrus & Mauro Malavasi | |
verweist Mooner auf die Glanzzeit von Cosmic, seine funkelnde Hookline ist | |
die reinste Euphorie. | |
Der Peakhour-Tanzflächen-Feger „Heavy Hitter“ von Barbara Norris, einzige | |
Künstlerin auf der Compilation, ist ebenso optimistisch, greift mit seinem | |
pointierten Groove aber eher den Afrofuturismus des US-Boogiefunk auf. | |
Viele der Tracks aus Mooners Elaste-Sammlung sind Inkunabeln von | |
Dance-Genres geworden. Etwa Larry Heards „Break It“ aus seinem Album „Dis… | |
D“. Sein minimaler Groove mit den kühlen Claps und sphärischen | |
Keyboardhooks nahm bereits 1986 den Chicago-House voraus. Oder aber Equip | |
„XXXO“, ein Rhythmusodyssee des britischen Editpioniers Greg Wilson, die | |
zur Entstehung in den Achtzigern zu technoid klang, um auf einem | |
Breakdance-Sampler zu landen, für den sie ursprünglich vorgesehen war. | |
Wilsons Produktion betont den blechernen Sound seiner fiependen | |
Synthie-Patterns durch die knallharten Beats. | |
„Vintage Futurism“, bei diesem Titel darf auch ein Retro-Track nicht | |
fehlen: Mooner entschied sich für „Infophysix“ vom Detroiter Elektroduo | |
Dopplereffekt. Als sie 1996 ihre minimalistischen Synthesizer-Klänge im | |
Stil von Kraftwerk mit 8-Bit-Sounds produzierten, waren Dopplereffekt | |
bereits Vintage. Heute aber wissen wir, dass sie mit diesem musikalischen | |
Rückgriff ihrer Zeit vorausgegriffen haben. | |
31 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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