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# taz.de -- Nachruf auf Musiker Bernd Hartwich: Jagen und Sammeln
> Der Münchner Musiker und DJ Bernd Hartwich ist tot. Mit den Bands
> Merricks und Der Englische Garten schuf er modernistische Kleinode. Ein
> Nachruf.
Bild: Bernd Hartwich (2.v.r.) inmitten seiner Band Der Englische Garten
Aus seinen Songs drang eine Feierlichkeit, die nie bemüht klang und ein
Glanz, der immer auch ein bisschen quälte. Das Etikett „do it yourself“
hatte für den Münchner Musiker und DJ Bernd Hartwich höhere Bedeutung:
Hartwich, der im Glockenbachviertel, wo seine Eltern ein Elektrogeschäft
führten, aufwuchs, entkam durch seine Pop-Leidenschaft der
kleinbürgerlichen Herkunft.
Er blieb, ganz ewiger Stenz, trotzdem der Gegend treu.
Klischeevorstellungen vom reichen München widerlegte Hartwich. Bis zuletzt
arbeitete er als Nachtportier in einem Hotel. Kam ihm jemand blöd, grinste
er. Sein breites Grinsen mutete kalifornisch an.
Die Begeisterung für die britische Band Madness, seltsame Auswüchse der
Mod-Subkultur und die bizarre Ästhetik des hawaiianischen [1][Tiki-Kults]
kannte keine Grenzen. Im Zeitalter vor dem Internet kannte Hartwich
trotzdem alle Artefakte, stellte Verbindungen mit dem Ausland her. Er war
ein Nerd im klassischen Sinne, aber jemand, der seine Liebe zu all things
pop nie aus Selbstzweck betrieb, sondern im Jagen und Sammeln immer
möglichst viele mit einbezog und vielfach multiplizierte. Dadurch
entwickelte er sich für die Münchner Musikszene um den Plattenladen
Optimal, das Indie-Label Disko B und den Club Ultraschall in den Neunzigern
zum Dreh- und Angelpunkt. Als DJ „Bangla“-Bernd brachte er viele
Raver:innen mit den Sounds aus Bollywood und postkolonialen britischen
Popstilen in Berührung.
## Lässige Haltung
Zu Zeiten der tribalistischen Jugendkonflikte Anfang der Achtziger mit Punk
und Ska sozialisiert, legte Hartwich spießige Allüren bundesdeutscher
Subkulturen ab. Er nahm Haltung so ernst, dass er es mit seinem jeweiligen
Gegenüber lässigerweise nicht so genau nahm. Als Bandleader der Merricks,
deren Songs er komponierte und teils textete, versammelte er Musiker:innen
wie die Posaunistin Marion Dimbath und den Pianisten Carl Oesterhelt.
Ihr Album [2][„The Sound of Munich“] (1997) feierte auf der Höhe eines
konservativen Backlashs auf entspannt-verschrobene Art ein München, dessen
liberale Vergangenheit als internationale Discokapitale mit glamourösem
Nachtleben in Vergessenheit zu geraten drohte.
Seit den Nullern in der Band Der Englische Garten aktiv, setzte Hartwich
der Bequemlichkeit des Älterwerdens modernistische Betriebsamkeit entgegen.
Heute erscheint ein neues Album der Band namens „Bei Tag und Nacht“. Das
hat Bernd leider nicht mehr erlebt, am Mittwoch ist er an den Folgen einer
Krebserkrankung im Alter von 53 Jahren gestorben.
12 Mar 2020
## LINKS
[1] http://www.tikiisland.at/Tiki-Figuren/
[2] https://www.youtube.com/watch?v=b7lwe452zlU
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Nachruf
München
Pop
Mods
Punk
Musikgeschäft Berlin
Hamburg
Vinyl
House
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