# taz.de -- Debütalbum von Fehler Kuti: Für eine andere Polizei | |
> Neues, politisches Bayern: Fehler Kuti schafft mit „Schland is the Place | |
> for me“ popaffine Experimentalmusik mit eingängigen Botschaften. | |
Bild: Julian Warner ist Fehler Kuti | |
Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hat Deutschland zwei Dinge hinterlassen: | |
Zum einen ein wiedererstarktes positives Nationalgefühl. Zugleich aber auch | |
die humoristische Brechung desselben in Form eines neuen Ausdrucks: | |
„Schland“. „Schland“ ist das, was an Sprache übrig bleibt, wenn die | |
betrunkenen unter den Fußballfans die Nationalmannschaft mit | |
„Deutschland“-Rufen anfeuern. | |
Solche Brechungen sind charakteristisch für den Musiker Julian Warner alias | |
Fehler Kuti. Der Titel seines Debütalbums „Schland Is the Place For Me“ ist | |
gleich mehrmals gebrochen. Dafür nimmt Fehler Kuti die Textzeile des Songs | |
„London Is the Place For Me“ des trinidadischen Sängers Lord Kitchener, die | |
ursprünglich positiv aneignend gemeint war. Aus „London“ macht Fehler Kuti | |
ein „Schland“, eben kein München, wo er lebt. Ein ambivalenter Ausdruck, | |
dem das Positive des Lord-Kitchener-Songs entzogen wurde. Eine Entfremdung, | |
wie Fehler Kuti sagt. | |
People of Color wie Fehler Kuti fällt es mitunter schwer, sich durch das | |
Stadtmotto der bayrischen [1][Landeshauptstadt] – „München mag dich“ – | |
wirklich mitgemeint zu fühlen. Das Thema München zieht sich durch fast alle | |
der zehn Tracks des Debüts. Mit seinem Album will der 34-Jährige, der als | |
Anthropologe an der Universität Göttingen lehrte, aber seit Studienzeiten | |
in München lebt, eine Gegenerzählung zum Klischeebild seiner Wahlheimat | |
entwerfen. Er thematisiert übersehene Orte wie die bereits geschlossene | |
Kultbar X-Cess („Say Yes (X-Cess)“), die ein heterogenes Publikum anzog und | |
Menschen jenseits von Klassenunterschieden zusammenbrachte. Aber auch Orte | |
wie das Ankerzentrum im Münchner Osten. | |
Musikalisch entfernt sich Fehler Kuti auf „Schland Is the Place For Me“ vom | |
kühlen Elektrosound seines anderen Projekts 1115. Stattdessen klingen die | |
Tracks auf seinem Debüt wesentlich organischer. Statt reinem elektronischen | |
Geplucker sind auch analoge Instrumente wie Schlagzeug, Gitarren und | |
Blasinstrumente zu hören, die für eine warme Klangfarbe sorgen. | |
Für das Debüt hat er mit dem Produzenten Tobias Siegert und [2][Markus | |
Acher] zusammengearbeitet. Acher ist Teil der Indie-Band The Notwist und | |
einer der führenden Köpfe in der Weilheimer Musikszene, die um die Band | |
entstanden ist, Mitgründer des Labels [3][Alien Transistor], auf dem auch | |
„Schland Is the Place For Me“ erscheint. | |
Den Entstehungsprozess des Albums beschreibt Fehler Kuti so, dass am Anfang | |
der Tracks „Miniaturen“ standen, wie er es nennt. Ihm war dann wichtig, im | |
Studio in einen Flow zu kommen und sich nicht zu verzetteln: „Meine Regel | |
war: Wir machen ein Projekt auf, wenn uns etwas einfällt, machen wir es, | |
wenn nicht, schließen wir es wieder. Nächstes Projekt.“ | |
Sein musikalischer Ansatz bleibt experimentell, klassische Songstrukturen | |
scheut Fehler Kuti. Die Tracks wirken unfertig, das Skizzenhafte scheint | |
immer durch und ist dennoch relativ eingängig. Auf „IL“ sind ein | |
Schellenkranz, Hörner und schließlich Frauengesang zu hören, die die von | |
Fehler Kuti wiederholte Textzeile „Interracial Love“ begleiten. Es ist eher | |
ein poppiges Experimentalalbum als ein experimentelles Popalbum. | |
In den Texten verarbeitet Fehler Kuti ernste Themen, etwa rassistische | |
Praktiken, die er beobachtet hat. Mit seiner Musik will er ein Angebot | |
machen zur Dekonstruktion und zum Neudenken: „Ich will nicht nur, dass die | |
Polizei aufhört, mich wegen meiner Hautfarbe zu kontrollieren, ich will | |
eine andere Form von Polizei haben.“ | |
1 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Münch | |
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