# taz.de -- Berliner Electro-Produzentin Perel: Vergnügungsfahrt in andere Sph… | |
> „Hermetica“, das Debütalbum der Berliner Electro-Produzentin Perel, ist | |
> ein großer Wurf. Sie ist die erste Deutsche beim New Yorker Label DFA. | |
Bild: Sie singt wie eine Wiedergängerin von Hildegard Knef: Perel | |
Wellenförmiges Rauschen, über einen höflichen Drone rollt von hinten ein | |
pluckernder Dreiklang heran, verhalten schiebt sich ein Bass ins Gefüge, | |
macht seine eigene Sache. Ein Snare-Beat fordert auf, sich gerade zu | |
halten. Jetzt sind alle Ingredienzien genannt. Kurze Verschnaufpause, das | |
Rauschen ebbt langsam ab, der Drone wird jetzt zur Bühne, auf der Bass, | |
Drumsounds und Dreiklang sich wie bei einer Soulrevue abwechselnd den | |
Vortritt lassen. | |
Mit dem technoiden „Projekt 3“ eröffnet Perel ihr Funken sprühendes | |
Debütalbum „Hermetica“, auf dem sie schwerelos House, New Wave, an | |
Giallo-Soundtracks gemahnende Discosplitter und Synthie-Pop zitiert und zu | |
einem absolut im Hier und Jetzt verankerten elektronischen Dancefloorsound | |
modelliert, der auch im Sitzen funktioniert. | |
Ihr „persönlichstes Instrument“ – eine ausgebildete Stimme – setzt die | |
Produzentin, DJ und Multiinstrumentalistin dabei dosiert ein. Nicht jeder | |
Track benötige zwingend Gesang, sagt Perel. Ein hin und wieder geflüstertes | |
„Pastarella Al Limoncello“ im gleichnamigen Track genügt allemal, um neben | |
treibenden Bongobeats, Knüppelbassdrum und Hydrauliksounds einen | |
beglückenden Discobesuch an der italienischen Adriaküste in Erinnerung zu | |
rufen. | |
## Zwischenlandung auf Brache | |
Ähnlich ökonomisch geht die sächsische Berlinerin im Track „Si“ vor. Wie | |
eine aus dem Off agierende Türsteherin, die gnädig bestimmt, wer mit an | |
Bord des Spaceshuttles darf, das auf einer Industriebrache zwischengelandet | |
ist, bevor es seine Vergnügungsfahrt in andere Sphären fortsetzt, haucht | |
sie ein „Si“, das eher bedrohlich ist als zustimmend. Mit tuckernden | |
Synthiesounds, pumpendem Beat, einem stoischen Bass und einer an Joy | |
Division gemahnenden Gitarrenlinie bereitet Perel auf „Alles“ den Boden für | |
einen an der Band Propaganda geschulten New-Wave-Sprechgesang. | |
Rhythmisch und akzentuiert stößt sie mit dunkel gefärbter, runder Stimme | |
Zeilen hervor wie: „Der Weg, das Ziel, sie finden sich nicht. Auf einem Hof | |
ein Herz zerbricht. (…) Alles, was war, wird nie wieder sein. Und alles, | |
was ist, ist stets vorbei.“ Hoffnungslosigkeit macht sich dennoch nicht | |
breit, die Freude an der musikalischen Ausschweifung verströmt Zuversicht, | |
mit flirrenden Soundschnipseln und warmen Spacesounds. Mit dem Gitarrenriff | |
am Ende des Songs sendet sie schöne Grüße an die Helden ihrer Jugend, die | |
Eurythmics, und deren „9 ½ Wochen“-Boostersong „This City Never Sleeps�… | |
Perel heißt mit bürgerlichem Namen Annegret Fiedler, unter dem Namen Annek | |
hat sie bisher als DJ aufgelegt und zusammen mit anderen veröffentlicht. | |
Die Umbenennung in Perel (Afrikaans für Perle, Teil der Bedeutung des | |
Vornamens Annegret – holde Perle) markiert für sie den Beginn einer neuen | |
Schaffensphase mit Soloaktivitäten. Und diese werden beim New Yorker | |
Elektronik-Label DFA Records veröffentlicht, Heimatbahnhof von LCD | |
Soundsystem, The Juan MacLean und Hot Chip. Perel nennt das Label ihre | |
„Jugendliebe“. Dass Perel überhaupt das erste deutsche Signing bei DFA ist, | |
zeigt schon, „Hermetica“ wird noch länger nachhallen. | |
Ihr bereits im Herbst veröffentlichter Track „Die Dimension“ ist nochmals | |
auf „Hermetica“ enthalten und das gleich in dreifacher Ausführung. Zur | |
Albumversion gesellen sich eine Dub-Version und ein Remix der kanadischen | |
Produzentin Jayda G. Die übersteuert bröselnden Pump-Drums sind flankiert | |
von mehrschichtigen lichten Synthie-Bögen. | |
## Wie die Knef im Weltraum | |
Perel singt wie eine Wiedergängerin von Hildegard Knef, mit irgendwo in der | |
Weite des Raums angedocktem Sprechgesang: „Von hier sieht alles ganz anders | |
aus, von hier möcht ich nicht fort. Ein Land, was niemals Grenzen setzt, | |
erstrahlt vor mir, an diesem Ort“, das Ohrfeigen verteilende Schlagwerk | |
weist darauf hin, dass so ein Land nur imaginiert sein kann. | |
Die universelle Gültigkeit von Binsenweisheiten wie „Es hofft der Mensch, | |
was er nicht glaubt, doch glaubt er es, so hofft er auch“ wird untermauert | |
durch einen unwiderstehlichen Synthieshuffle und erhält auch durch die | |
dreifaltige Wiederholung eine ungeahnte Mehrdimensionalität. | |
25 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Sylvia Prahl | |
## TAGS | |
Debütalbum | |
House | |
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