# taz.de -- Münchner Modband Der Englische Garten: Schokokuchen und schales Bi… | |
> Soul, Pop, Ska, dahingerotzt mit Chuzpe: Das leistet die stilbewusste | |
> Band Der Englische Garten auf ihrem Album „Die aufgeräumte Stadt“. | |
Bild: Sehr entspannt in schwarz und blau: der Englische Garten. | |
Denk ich an München am Tag, kommt mir zuallererst der Schokokuchen im Café | |
Baader in den Sinn. Wer ihn gerne am Tresen dieser Institution einnimmt, | |
dem wird das Regal dahinter auffallen, in dem Musikkassetten einsortiert | |
sind. Auf diesen Analogbändern ist ein nicht unbedeutender Teil des | |
musikalischen Gedächtnisses der Stadt gesammelt. | |
Womit wir auch schon mittendrin sind im Kosmos der Band Der Englische | |
Garten. Seit den frühen achtziger Jahren, als die Münchner Mod-Szene | |
Bürgersteig und Straße vor dem Cafe mit italienischen Motorrollern | |
zuparkte, tummeln sich die Pop-Nerds der Stadt um Tresen und Plattenspieler | |
des Cafés. Sie lassen sich auch von schalem Bier, das hier traditionell | |
ausgeschenkt wird, nicht abschrecken und hinterlassen dem Cafe | |
musikalisches Knoff-hoff in Form von Mixtapes. | |
Diese sind nicht nur Ornament, sie werden tatsächlich regelmäßig aufgelegt. | |
Auch Bandmitglieder vom Englischen Garten wohnen im Viertel und gehen hier | |
ein und aus. Standesgemäß haben sie ihre Kassetten hinterlassen. Und | |
bekommt man eine aus den Achtzigern zu hören, wird das elegante | |
musikalische Universum schon abgesteckt: Dexy’s Midnight Runners, Style | |
Council und Madness. | |
Soul, Pop und Ska. Und immer wieder satte Bläsersätze, die der Musik eine | |
unwiderstehlich flimmernde Energie verleihen. Schmissige, im Geist des Punk | |
dahingerotzte Pop-Perlen. Auf den Tapes, wie auch auf dem tollen zweitem | |
Album „Die aufgeräumte Stadt“. | |
Kennengelernt haben sich die Bandgründer Axel Koch und Bernd Hartwich – | |
standesgemäß für Musik-Aficionados – im Plattenladen. Eine gemeinsame | |
Vorliebe für oben genannte Bands und obskuren Sunshine-Pop der sechziger | |
Jahre war schnell ausgemacht. Hartwichs frühere Band Die Merricks hatte | |
gerade das Zeitliche gesegnet, auch Koch war auf der Suche nach neuen | |
musikalischen Pfaden. | |
Wie beim Vorbild, dem Schwabing der späten sechziger und siebziger Jahre, | |
in dem schon Werner Enke mit „Zur Sache, Schätzchen“ oder Helmut Dietl und | |
der Schauspieler Helmut Fischer mit Fernsehserien wie „Münchner | |
Geschichten“ und „Monaco Franze“ die deutsche Sprache vom Mief befreiten, | |
einigte man sich schnell auf Songtexte in der Muttersprache. | |
## Bläsersätze und Stadtumwandlung | |
Und wie bei den musikalischen Vorbildern mussten Bläser her. „Sauber / Die | |
frisch gefegten Straßen / Die blankgeputzten Scheiben / Die aufgeräumte | |
Stadt / Ein Auto fährt vorbei / Der Fahrzeughalter lacht / Bestimmt ist er | |
versichert / Und denkt an seine Yacht“. Wobei, was Der Englische Garten im | |
Titelstück damit beschreiben, ist in Schwabing leider seit Langem Realität. | |
Und im Glockenbachviertel, in dem das Café Baader liegt, ist die | |
Stadtumwandlung ebenfalls kaum mehr zu verleugnen: Das Leben der Boheme | |
findet aufgrund der gestiegenen Mieten längst woanders statt. | |
Was in Großbritannien seit Ende der Siebziger mit Bands wie Scritti | |
Politti, Human League oder Aztec Camera selbstverständlich und | |
massenkompatibel funktioniert, lebt hierzulande eher in der Nische. In | |
Deutschland hat ernst zu nehmende Musik gefälligst schwer und tiefschürfend | |
zu klingen. Für das Prätentiöse stehen die Tore der Kritik sperrangelweit | |
offen, an Popmusik haftet der Malus des Banalen. Als hätte es Burt | |
Bacharach, Brian Wilson oder Ennio Morricone nie gegeben. | |
Umso höher ist es der neunköpfigen Band anzurechnen, all diese Klippen | |
gekonnt zu umschiffen. Wie eine Sommerbrise haben sie ihre Einflüsse | |
eingeatmet und mit dem Stenz-Lebensgefühl angereichert ein kleines | |
Meisterwerk geschaffen. Dazu weht das Boheme-Fähnchen trotzig im Wind: „Was | |
manche Leute so alles tun / Für ein paar Euro und den schnellen Ruhm / Ich | |
sitze lieber in meinem Schaukelstuhl“. Sehr gerne würde man sich | |
dazusetzen. | |
21 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Alex Bechberger | |
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