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# taz.de -- Kommentar Joachim Gauck: Der Schlafwandler aus Berlin
> Gaucks Rede auf der Münchern Sicherheitskonferenz war ein Ärgernis. Ihr
> mangelte es an Präzision. Stattdessen bot sie nur Selbstgefälligkeit.
Bild: Bundespräsident Joachim Gauck in München.
Joachim Gaucks Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz war ein
Ärgernis. Seit das verstärkte militärische Engagement der Deutschen nach
1990 begann, hat es nicht an Reden gefehlt, die eine veränderte
Außenpolitik einforderten. Und es hat, etwa im Kosovokrieg, zeitweise auch
Mehrheiten unter den Wählern für militärische Einsätze gegeben.
Für deren heutige Skepsis ist nicht „Weltabgewandtheit oder
Bequemlichkeit“, wie Gauck mutmaßte, verantwortlich. Sondern, dass die
deutsche Politik zu viel Gewicht auf Sonntagsreden und zu wenig auf
konsistente Begründungen und Konzepte für die jeweiligen Einsätze gelegt
hat.
Dass etwa der Afghanistankrieg auch mit der Befreiung der Frauen
legimitiert wurde, obwohl es sich um einen Anti-Terror-Einsatz gegen
al-Qaida handelte. Dass die Bundeswehr jetzt abzieht, obwohl die Situation
der Frauen immer noch offen ist.
Auch in Gaucks Rede mangelt es an Präzision. Mal spricht er vom „Konzept
der Schutzverantwortung“, das militärische Einsätze bei Völkermord und
Kriegsverbrechen gebietet. Dann von der Richtigkeit des Afghanistankriegs,
obwohl dieser mit einem Einsatz gegen Völkermord nichts zu tun hatte.
Und zu Beginn davon, dass sich „im außenpolitischen Vokabular der Republik
Freihandel auf Frieden und Warenaustausch auf Wohlstand“ reime.
Deutschlands wichtigstes Interesse sei es, eine Weltordnung, die Interessen
mit Werten verbinde, „zukunftsfähig zu machen“.
Interessenpolitik und das „Konzept der Schutzverantwortung“ sind jedoch
zwei verschiedene Dinge. Ersteres sprach gegen eine Intervention in Syrien,
weil das Verhältnis zum Iran wichtiger für Deutschland ist, das zweite
dafür. Und der Einsatz in Zentralafrika ist auch keine „Existenzfrage“, wie
Gauck nahelegt – jedenfalls nicht für Europa.
Wer Kriege für notwendig hält, muss zumindest ihre Gründe, Ziele, Einsatz-
und Exit-Optionen genau definieren. Sonntagsreden und Selbstgefälligkeit
sind die besten Voraussetzungen, um in Auseinandersetzungen zu
schlafwandeln.
Die Angehörigen der Toten von Varvarin, wo die Nato 1999 eine zivile Brücke
bombardierte, als ihr militärische Angriffsobjekte ausgegangen waren,
dürften über Joachim Gaucks Satz: „Nicht weil wir die deutsche Nation sind,
dürfen wir vertrauen, sondern weil wir diese deutsche Nation sind“, nur
müde lächeln.
2 Feb 2014
## AUTOREN
Martin Reeh
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