| # taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz: Plattitüden, Panzer und Polemik | |
| > Mit einer Rede über die Schönheit der Freiheit für alle eröffnet | |
| > Bundespräsident Gauck die Münchner Sicherheitskonferenz. | |
| Bild: Und schon wieder „Freiheit“ - diesmal aber mit militärischem Einsatz. | |
| MÜNCHEN taz | Mehr Unterstützung hätte sich die Bundesregierung kaum | |
| erwarten können. In seiner Auftaktrede zur Münchner Sicherheitskonferenz | |
| hat sich Bundespräsident Joachim Gauck deutlich dafür ausgesprochen, dass | |
| Deutschland eine größere Rolle in der Welt spielen soll. | |
| Damit ergänzte er die PR-Offensive von Außenminister Frank-Walter | |
| Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) der | |
| vergangenen zwei Wochen zugunsten von „mehr Außenpolitik“ und damit auch | |
| mehr Bundeswehreinsätzen. Gauck erklärte: „Die Bundesrepublik sollte sich | |
| als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen.“ | |
| Jahrzehntelang habe sich Deutschland unter dem Schutz der Nato-Partner zu | |
| einer Wirtschaftsmacht entwickeln können. „Im außenpolitischen Vokabular | |
| der Republik reimt sich Freihandel auf Frieden und Warenaustausch auf | |
| Wohlstand.“ Nun aber sei Deutschland auf dem Weg „vom Nutznießer zum | |
| Garanten von internationaler Ordnung und Sicherheit“. Mehr Verantwortung | |
| bedeute dabei nicht „mehr Kraftmeierei und mehr Alleingänge“, sondern mehr | |
| Zusammenarbeit mit Europa und der Nato. „Alleingänge haben ihren Preis“: | |
| Wie Steinmeier setzte sich auch Gauck von Exaußenminister Guido Westerwelle | |
| (FDP) ab, der seine Enthaltung in der Libyenfrage mit einer „Kultur der | |
| militärischen Zurückhaltung“ erklärt hatte. | |
| Immerhin lieferte Gauck vor den internationalen Gästen mehr als nur | |
| Halbsätze und Versatzstücke einer denkbaren Begründung dafür, warum | |
| Deutschland plötzlich zu einem mehr an Eingreifen bereit sein müsse. Er | |
| bekannte sich klar zum völkerrechtlichen Konzept der „Responsibility to | |
| protect“, der Schutzverantwortung, die die internationale Gemeinschaft dort | |
| zur Intervention berechtigen soll, wo Völkermord droht. Sich dieser Art | |
| Politik zu verweigern, dazu habe die deutsche Gesellschaft kein Recht mehr: | |
| Sechs Jahrzehnte nach Kriegsende und 24 Jahre nach dem Mauerfall müssten | |
| die Bürger genug Vertrauen in ihren Staat haben, dass er ein guter Staat | |
| sei, der Gutes wolle. | |
| ## Viele Superlative | |
| Es fügt sich gut für die Bundesregierung, dass die 50. Sicherheitskonferenz | |
| in München mit einem ganzen Schwung von Superlativen aufwartet: Mehr | |
| Staatschefs, Minister, Generalsekretäre als je zuvor sind zu Gast. Die | |
| Fernsehkameras schwenken unablässig über die Köpfe uralter Geopolitiker wie | |
| Henry Kissinger. Wer im Bayerischen Hof sitzt, darf sich als Weltenlenker | |
| fühlen. | |
| Auch von der Leyen bekam am Freitag Gelegenheit zu ihrem ersten großen | |
| Auftritt vor internationalem Publikum. Sie plädierte dafür, in Konflikten | |
| „verlässliche Partner vor Ort in die Lage zu versetzen, selbst für ihre | |
| eigene Sicherheit zu sorgen“; sei es durch Ausbildung, Beratung oder | |
| Ausrüstung. Dabei müssten die EU-Staaten stärker zusammenarbeiten. | |
| Erster Austragungsort für diesen Entwurf offensiverer Außenpolitik ist | |
| Afrika. Vergangenes Wochenende hatte die große Koalition die Aufstockung | |
| der Ausbildungsmission in Mali und die Entsendung einiger Flugzeuge in die | |
| zerrissene Zentralafrikanische Republik in Aussicht gestellt. Diese | |
| zahlenmäßig eng begrenzte Offerte vor allem an das belastete Frankreich | |
| beeindruckte in der sicherheitspolitischen Szene zunächst jedoch nur | |
| wenige. Die Inszenierung der Sicherheitskonferenz als Bühne einer neuen | |
| außenpolitischen Selbstfindung Deutschlands könnte diese Kritiker vorerst | |
| zum Schweigen bringen. | |
| Die Münchner Tagung hat als halb offizielles Forum für Rüstungslobbyisten | |
| und geopolitische Großerzähler seit je und zu Recht Kritik auf sich | |
| gezogen. Ex-US-Botschafter Wolfgang Ischinger organisiert und moderiert sie | |
| wie seine Vorgänger in einer schulterklopfenden Informalität, der auch die | |
| drängende Enge im altmodischen Hotel Bayerischer Hof entsprechen soll. | |
| ## Chance einer Debatte | |
| Doch gemessen an den offiziellen Ministertreffen und der bislang quälend | |
| wolkigen außenpolitischen Rhetorik, bietet die Münchner Tagung manchmal | |
| auch die Chance zu einer Art Debatte. So wird sich etwa der russische | |
| Außenminister und Stammgast Sergej Lawrow dieses Jahr zur Ukraine und zu | |
| Syrien kritische Fragen anhören müssen. Seinerseits war er in der | |
| Vergangenheit immer schon für ein paar bärbeißige Anmerkungen über die | |
| inneren Widersprüche der Nato gut. | |
| Es sah am Freitag aus, als gelinge es Ischinger, den ukrainischen | |
| Oppositionellen Vitali Klitschko auf eine Bühne mit ukrainischen oder | |
| russischen Ministern zu holen. Dies wäre nicht nur öffentlichkeitswirksam. | |
| Ergänzt durch Gespräche in hinteren Hotelzimmern, könnte es der Ukraine | |
| sogar weiterhelfen. | |
| In geringerem Maße gilt das für den Krieg Baschar al-Assads gegen sein | |
| Volk. Der neue Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, | |
| Norbert Röttgen (CDU), sagte diese Woche im Fernsehen: „Ein früheres | |
| Eingreifen in Syrien hätte Schlimmeres verhindert.“ Jetzt aber wisse | |
| wirklich niemand weiter. Eine „besondere deutsche Rolle“, so spielte er auf | |
| Deutschlands große Beliebtheit im Nahen Osten an, könne sein, „dass wir mit | |
| allen in dieser Region reden können“. | |
| Der Grünen-Außenpolitiker Frithjof Schmidt erinnerte am Mittwoch im | |
| Bundestag aber daran, dass „mehr Außenpolitik“ mehr sein muss als Reden | |
| können und Flugzeuge schicken. Dass erst 3.000 syrische | |
| Kontingentflüchtlinge in Deutschland aufgenommen worden seien, sagte | |
| Schmidt, „ist eine Schande für unser Land“. | |
| Auch in München hat manche(r) RednerIn schon gefordert, Kriegsvermeidung | |
| und Flüchtlingsschutz wichtiger zu nehmen als Rüstungsetats und | |
| Bataillonsstärken. Präsident Joachim Gauck nannte als ersten Punkt zu | |
| Deutschlands Wandel die Entwicklungszusammenarbeit. | |
| Der Konferenz einen solchen breiteren Begriff von Sicherheit in die | |
| Tagesordnung zu schreiben ist bislang aber nicht gelungen. | |
| 31 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
| Ulrike Winkelmann | |
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