Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zweite Auflage des Ökohandys: Was das Fairphone besser macht
> Die Hersteller des Fairphones wollen eine weitere Charge ihres ethisch
> korrekten Telefons produzieren. Bei der Neuauflage könnte man einiges
> ändern.
Bild: Weg mit herkömmlichen Smartphones. Her mit dem Fairphone.
BERLIN taz | Noch in diesem Jahr soll eine zweite Auflage des sogenannten
Fairphones hergestellt werden. „Wir werden definitiv eine zweite Charge
produzieren“, sagte Tessa Wernink, Sprecherin der gleichnamigen
niederländischen Initiative, der taz. Geplant sei, die Geräte im zweiten
Quartal des Jahres auszuliefern. Bislang haben sich knapp 29.000 Kunden für
eine zweite Auflage interessiert.
Als erstes Smartphone wird das Fairphone unter möglichst fairen Bedingungen
produziert. Für die erste Auflage stammen mit Zinn und Coltan zwei
Rohstoffe aus konfliktfreien Quellen.
Für die zweite Charge soll voraussichtlich auch Gold dazukommen. In der
ersten Runde hatte die Initiative 25.000 Stück produziert – 5.000 mehr als
ursprünglich geplant. Eine viel größere Stückzahl soll es jedoch auch
dieses Mal nicht geben. „Wir wollen nicht zu schnell zu viel wachsen“,
sagte Wernink.
Für die Beziehung zu den Zulieferern und den Kunden sei es von Vorteil,
eher klein zu bleiben. So lasse sich beispielsweise der Service für die
Kunden persönlicher gestalten. Auch die Reparatur von Geräten müsse nicht
ausgelagert werden. Von den Arbeitsbedingungen in den Rohstoffländern bis
hin zur Unternehmenskultur der Transportfirmen – am Fairphone soll
möglichst viel fair sein. Die einzelnen Punkte im Überblick:
##
Kamera, WLAN, UMTS, GPS – das Fairphone bringt alles mit, was ein
durchschnittliches Smartphone heutzutage an Fähigkeiten hat. Und die
Funktionsfähigkeit ist solide. Auch wenn die Fairphone-Macher direkt zur
Auslieferung ein Update des Betriebssystems hinterherschickten, das unter
anderem Fehler bei der Kamera, der Tastatureingabe und der
Standortbestimmung beheben sollte, machte das Telefon im Test der taz dahin
gehend keine Probleme.
Berichte über einen Rotstich in der Bildmitte bei Kameraaufnahmen scheinen
nur einen Teil der ausgelieferten Telefone zu betreffen. Die Techniker
prüfen derzeit, ob ein Update auch diesen Fehler ausmerzen kann.
Mit einer Bildschirmdiagonalen von 4,3 Zoll, einem Gewicht von 163 Gramm
und einer Dicke von zehn Millimetern ist das Gerät verhältnismäßig schwer
und etwas dicker als andere Smartphones dieser Größe. Das liegt an dem aus
zwei Schichten bestehenden Display (siehe Öko-Faktor).
Allerdings nutzt das Display die Fläche des Gerätes gut aus – der Rand des
Gehäuses ist sehr schmal gehalten. So lässt sich das Gerät noch einhändig
bedienen.
Chips für die Near Field Communication, die etwa für das Bezahlen per Handy
eingesetzt werden, wird das Telefon nicht haben. Auch LTE, den schnelleren
Nachfolger von UMTS, beherrscht das Fairphone nicht.
Ein weiteres Manko ist die eher mittelmäßige Laufzeit des Akkus – auch wer
nicht rund um die Uhr telefoniert, Musik hört oder die GPS-Verbindung aktiv
lässt, muss das Gerät spätestens alle paar Tage an die Steckdose hängen.
Immerhin: Da das Telefon mit der Standard-Ladebuchse Mikro-USB ausgestattet
ist, sollte die Suche nach einem Kabel nicht allzu lange dauern.
##
Bei gewöhnlichen Herstellern ist es so: Mit dem Smartphone kauft man ein
Betriebssytem. Am weitesten verbreitet sind dabei Apples IOS und das
Androidsystem von Google. Wer keine Lust auf große Konzerne mit all ihren
Nebenwirkungen hat, muss mit technischem Know-how ein alternatives
Betriebssystem wie etwa Cyanogenmod aufspielen. Der Nachteil: Gibt es dann
ein Problem mit dem Gerät, verweigert der Hersteller in der Regel die
Garantie. Das Fairphone, auf dem regulär ein Android 4.2.2 läuft, geht hier
weiter: Es ermöglicht den Nutzern ausdrücklich, ein alternatives System zu
installieren, und gibt ihnen den entsprechenden Zugriff darauf.
##
Zu hundert Prozent fair ist das aktuelle Fairphone nicht. Aus rund 30
Metallen besteht ein durchschnittliches Telefon – beim Fairphone kommen
bislang mit Zinn und Coltan zwei davon aus halbwegs fairen Quellen.
„Konfliktfrei“ sollen die Rohstoffe sein – das bedeutet, dass mit ihrem
Abbau keine bewaffneten Kräfte finanziert werden. Auch das war nach Angaben
der Macher schon kompliziert. Denn die Rohstoffieferketten sind komplex,
weshalb Mitarbeiter nach China und in den Kongo reisten, um sich die
Produktionsbedingungen vor Ort anzuschauen.
Nach Angaben der Fairphone-Macher hat die Nachfrage nach solchen
„konfliktfreien“ Rohstoffen bereits dazu geführt, das Einkommen der
dortigen Minenarbeiter dank höherer Kilopreise zu verdoppeln. Das Projekt
für die nächste Auflage: fair gewonnenes Gold.
Abgesehen von den Materialien sollen auch die Arbeitsbedingungen besser
sein. Zwar wird auch das Fairphone in chinesischen Fabriken
zusammengeschraubt. Doch die Initiative unterstützt unter anderem die
Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und gibt an, dass
bestimmte Bedingungen wie ein Mindestlohn von 169 US-Dollar im Monat
erfüllt werden. Um strukturelle Veränderungen vor Ort anzustoßen, wandern
von jedem verkauften Telefon 1,93 Euro in einen Fonds.
Auch wenn all das nur erste Schritte sind – von Umwelt- und
Menschenrechtsorganisationen gibt es Lob. „Das Fairphone zeigt erstmals,
was machbar ist“, sagt Nunu Kaller, Konsumentensprecherin bei Greenpeace.
„Ich denke, dass die Großen sich diese Entwicklung ganz genau anschauen“
sagt Tobias Schleicher vom Öko-Institut in Freiburg.
##
In Zeiten, in denen man bei vielen Smartphones nicht mal den Akku wechseln
kann, ist das Fairphone ein echter Lichtblick. Der Akku ist einfach
herausnehmbar, was den Austausch und das Recycling erleichtert. Das Telefon
hat zwei Slots für SIM-Karten, um ein Zweithandy überflüssig zu machen, und
das Display besteht aus zwei Schichten. Wird die äußere beschädigt, lässt
sie sich austauschen, ohne dass man den darunterliegenden Sensorteil
erneuern muss. Zubehör wie Ladekabel und Headset werden nur auf extra
Bestellung mitgeliefert. Das ist angesichts dessen, dass allein die
Ladekabel EU-weit für 51.000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr sorgen, keine
unerhebliche Entscheidung.
##
13,18 Euro. Das ist der Betrag, den jeder Käufer dafür zahlt, dass Zinn und
Coltan aus fairen Quellen stammen. Offengelegt haben die Macher des
Fairphones diesen Betrag in einem ausführlichen Bericht. Dort erläutern sie
nicht nur, wie viel Geld in soziale Projekte fließt, sondern auch, wie sich
der Preis von 325 Euro insgesamt zusammensetzt. Der größte Posten ist
demnach mit 129,75 Euro das Gerät selbst: Design, Entwicklung, Komponenten,
Herstellung. Der zweitgrößte Betrag geht mit 63,25 Euro an Steuern an den
Staat. 25 Euro fließen als Lizenzgebühren an Patentinhaber. 18,25 sind an
Garantiekosten eingeplant.
##
Speziell aus Deutschland kommt viel Kritik am Transport der Geräte.
Langsam, unzuverlässig und so überhaupt nicht fair. Denn die Pakete werden
mit GLS verteilt, und die stehen wegen zweifelhafter Arbeitsbedingungen in
der Kritik. „Das ist natürlich ein branchenweites Problem“, sagt Sprecherin
Tessa Wernink. Trotzdem soll es mit dem Transporteur ein Gespräch über
Verbesserungen geben.
##
Wenn es an einer Stelle noch deutlichen Nachholbedarf gibt, dann hier. Denn
von Bewusstsein für fairen Umgang mit Kundendaten ist nicht viel zu spüren.
So laufen auf der Website der Initiative diverse Dienste großer,
datensammelnder Konzerne wie Google und Facebook. Die E-Mail zur
Bestellbestätigung wird – mitsamt allen angegebenen Daten wie Adresse,
Geburtsdatum und Telefonnummer – unverschlüsselt an den Kunden gesendet.
Praktischerweise ist das Mailing gleich ganz ausgelagert – an einen
US-Anbieter. „Die Problematik hat bislang bei uns nicht im Fokus gestanden,
aber wir versuchen, das zu ändern“, sagt Sprecherin Wernink.
##
Wer auf eine gute Kamera oder einen schnellen Prozessor angewiesen ist,
weil er etwa 3-D-Spiele nutzen oder sein Blog mit Handyfilmen bestücken
will, für den ist das 325 Euro teure Telefon eher nichts. Und für Kunden,
die auf jeden Cent schauen, gibt es günstigere Geräte mit den gleichen
technischen Voraussetzungen.
Klar: Wer in hoher Stückzahl fertigt, kann sowohl bei den Rohstoffen als
auch im Fertigungsprozess geringere Preise herausschlagen – doch genau das
wollten die Fairphone-Macher schließlich nicht. Wer jedoch darauf Wert
legt, sein Telefon möglichst lange nutzen zu können, und wer kleine Anstöße
für Veränderungen auf dem Markt geben möchte, für den ist das Gerät
sicherlich eine gute Investition.
3 Feb 2014
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Fairphone
Smartphone
Arbeitsbedingungen
Seltene Erden
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Nachhaltigkeit
Fairphone
Coltan
Recycling
Apple
Apple
Apple
Handy
Fairphone
Mobiltelefon
Smartphone
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rohstoffe in nachhaltigem Smartphone: Immerhin fast fair
Fairphone macht die Handelskette all seiner verwendeten
Konfliktmineralien transparent. Auch Wolfram sei jetzt konfliktfrei,
so das Unternehmen.
Aus Le Monde diplomatique: Smart und schmutzig
Ein fair produziertes Handy gibt es nicht. Aber es gibt Initiativen, die
sich um bessere Arbeitsbedingungen in den Montagefabriken kümmern.
Nachhaltige Produktion von Smartphones: Fairer ist noch nicht ganz fair
Eine Studie zeigt: Auch die Hersteller des Fairphones haben Nachholbedarf –
beim Umgang mit Chemikalien oder der Steuertransparenz.
Kommentar blutiges Fairphone: Zertifizierung als Alibi
Das Fairphone trägt das Siegel „konfliktfrei“. In der Mine im Kongo, die
Rohstoffe für das Telefon fördert, wird aber auf die Bergleute geschossen.
Gewinnung von Coltan im Kongo: Konflikt in „konfliktfreier“ Mine
Die Coltanminen im Ostkongo gelten als unbedenklich. Im „Fairphone“ sind
Rohstoffe aus den Gruben verarbeitet. Nun wurden mehrere Bergleute getötet.
Recycling von Ozeanmüll: Flasche mit Meerwert
„Ocean Plastic“: Der belgische Ökoseifenhersteller Ecover bringt eine
Spülmittelflasche aus Meeresabfall in den Handel. Das Ergebnis ist grau.
Patentstreit zwischen Apple und Motorola: Man mag sich wieder – ein wenig
Apple und Motorala haben ihre Patentklagen beigelegt. Damit ist ein
Konflikt im Streit um Googles Android gelöst. Der Kampf mit Samsung geht
aber weiter.
Apple warnt vor Sicherheitslücke: Gefahr für die schöne i-Welt
Der US-Konzernt erklärt, dass Hacker auf mobile Geräte wie das iPhone und
das iPad zugreifen können. Wann und wie Apple davon erfahren hat, bleibt
unbekannt.
Verzicht auf Konfliktmineralien: Apple will sauberes iPhone
In Zukunft will das Unternehmen für seine Produkte keine Rohstoffe aus
Konfliktregionen mehr nutzen. Apple listet alle belangten Förderminen auf.
Debatte Elektroschrott: Sinnlose Selbstverpflichtung
Nicht nur Handys produzieren zu viel Müll. Damit Tablet und Co nachhaltiger
werden, muss die EU endlich neue Regeln durchsetzen.
Fairphone erklärt Kosten: 1,93 Euro für Arbeiter-Sozialfonds
325 Euro. So viel kostet ein Fairphone. Die Macher listen auf, wie sich der
Preis zusammensetzt. Die Erkenntnis: Faire Rohstoffe müssen nicht teuer
sein.
Fairphone geht in die Produktion: Über 6.000 Bestellungen eingegangen
Der Pre-Order war erfolgreich, jetzt kann es losgehen mit der Herstellung
des ersten fairen Handys. Doch die nächste Hürde steht schon bevor.
Ethisches Smartphone „Fairphone“: „Wir wollen die Industrie inspirieren“
Smartphones werden mit Rohstoffen aus Kriegsgebieten und von ausgebeuteten
Arbeitern hergestellt. Eine Initiative aus den Niederlanden will das
ändern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.