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# taz.de -- Forschung zur NS-Raubkunst: Ein weißer Fleck in der Geschichte
> NS-Rauborganisationen sind bisher zu wenig untersucht worden. 1.400 vom
> „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ konfiszierte Gemälde fehlen bis
> heute.
Bild: Eine alte Inventarliste des Landesmuseums Hannover. Noch immer hängen in…
Im Jahr 1998 ging mit der Konferenz von Washington ein Ruck durch die
Museumslandschaft der westlichen Welt. Alle führenden Kulturnationen
verpflichteten sich auf dieser Tagung, in ihren öffentlichen Sammlungen
nach sogenannter Raubkunst zu suchen. Gemälde und andere Kunstwerke, die
während der nationalsozialistischen Herrschaft gestohlen, unterschlagen
oder zwangsweise verkauft wurden, sollten ermittelt und den rechtmäßigen
Eigentümern zurückgegeben werden.
Die Forschungen, die sich in den folgenden Jahren hierzu entwickelten,
konzentrierten sich bald auf den internationalen Kunsthandel. Das hatte
einen guten Grund: Den Diebstahl von Kunstwerken durch
nationalsozialistische Organisationen arbeiteten die alliierten
Siegermächte direkt nach dem Ende des Krieges in den Nürnberger Prozessen
auf. Gefundene Raubkunst gaben sie zügig an die Herkunftsländer zurück.
Gegenstände, die aus den Beschlagnahmungen und Zwangsverkäufen in den
Kunsthandel gingen, entzogen sich jedoch einer solchen Aufarbeitung. Sie
müssen bis heute in den Museen ermittelt werden.
Die wichtigen und notwendigen Forschungen über den Kunsthandel lassen
jedoch außer Acht, dass es auch auf der Ebene der nationalsozialistischen
Rauborganisationen bis heute weiße Flecken in der Geschichte gibt. Dieses
ist beispielsweise bei dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg der Fall.
Rosenberg war ab 1934 als „Beauftragter des Führers für die Überwachung der
gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“
der Chefideologe im Dritten Reich. Zudem erhielt er den Titel
„Reichsleiter“.
1940 erhielt er zusätzlich den Auftrag, in den besetzten Gebieten
Kulturgüter zu beschlagnahmen. Im Oktober 2010 stellte die Conference on
Jewish Material Claims Against Germany in Zusammenarbeit mit mehreren
Archiven und Museen [1][eine Datenbank ins Netz], welche über 21.000
Kunstwerke auflistet, die vom Einsatzstab gestohlen wurden.
Anhand der Datenbank der Claims Conference lässt sich nach sorgfältigen
Untersuchungen zeigen, dass aus Rosenbergs Beschlagnahmungen bis heute gut
1.400 Gemälde und andere Objekte aus jüdischem Besitz nachweislich fehlen.
Den größten Teil dieser Kunstwerke hatten die Mitarbeiter der Einsatzstäbe
noch während des Krieges verkauft oder weggetauscht. Seit dem Ende des
Krieges sind bislang nur 28 Tauschgeschäfte bekannt, bei denen die
Nationalsozialisten beschlagnahmte Kunst verwerteten.
Das 2013 in der Sammlung Gurlitt aufgetauchte Gemälde von Matisse aus dem
Besitz von Paul Rosenberg gehört auch zu diesen Werken. Der jüdische
Sammler aus Paris hieß ironischerweise mit Nachnamen genauso wie sein
Verfolger aus Deutschland. Die Claims-Datenbank zeigt, dass insgesamt 985
Objekte für einen Verkauf oder Tausch vorgesehen waren.
## Gewinne durch Verkäufe
In welchem Umfang Kunstwerke tatsächlich verkauft wurden, ist aber
unbekannt. Sicher ist jedoch, dass es dem Einsatzstab gelang, durch die
ausgeführten Geschäfte satte Gewinne zu erwirtschaften. Bis 1944 konnten
über drei Millionen Reichsmark an Devisen als Erlös von den Verkäufen auf
das Konto des Reichsfinanzministers überwiesen werden, wie aus Dokumenten
des Bundesarchivs Berlin hervorgeht. Bei diesen Geschäften gelangte aber
nur eine geringe Anzahl von Objekten in die Hände deutscher Händler. Der
Einsatzstab suchte vielmehr gezielt die Zusammenarbeit mit französischen
Kunsthändlern. Die abgestoßenen Objekte, darunter auch impressionistische
Gemälde von Claude Monet, Auguste Renoir und Camille Pissarro galten aus
ideologischen Gründen für den deutschen Markt als ungeeignet. Wo sich die
so verkauften Werke heute befinden, ist aber vollkommen unbekannt.
Am 10. September 1999 gründete die französische Regierung eine Kommission
für die Entschädigung der Opfer von Enteignungen auf Grund antisemitischer
Gesetzgebungen während der deutschen Besatzungszeit (CIVS). Seit dem Beginn
ihrer Tätigkeit verzeichnete die Kommission über 28.000 Anträge für die
Entschädigung entzogenen jüdischen Eigentums.
Im Zuge dieser amtlichen Tätigkeit bemüht sich die Dienstelle auch,
Kunstwerke ihren früheren Besitzern zurückzugeben. Bei den von Reichsleiter
Rosenberg in Paris verkauften Objekten kann sie allerdings nicht
eigenmächtig für in Frankreich entzogene Gegenstände ermitteln und
Ansprüche anmelden. Die Kommission wird nach Angaben ihres Berliner Büros
nur dann tätig, wenn Nachfahren der Opfer dazu individuell eingereichte
Anträge stellen.
Bei mehr als 400 Objekten kann heute allerdings durch die Angaben der
Datenbank der Claims-Conference sicher davon ausgegangen werden, dass sie
durch Kampfhandlungen verloren gingen oder unter der Aufsicht von
US-Soldaten nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzungen aus den
eroberten Depots Rosenbergs verschwanden. Lange war auch unklar, was
Rosenberg mit den umfangreichen Kunstbeständen, die er nicht verkaufte und
nach Deutschland bringen ließ, anfangen wollte: Hierzu gab es die weit
verbreitete Ansicht, dass die umfangreichen Beschlagnahmungen schon 1943
für ein Museum zur Verfügung gestellt wurden, dass Hitler in seiner
Heimatstadt Linz errichten wollte.
## Geplante Ausstellungen
Ein von der Forschung bislang wenig beachteter Vermerk aus dem
[2][Bundesarchiv] vom Februar 1944 berichtet jedoch über ein Gespräch
zwischen Rosenbergs Mitarbeitern und einem Angehörigen der Parteikanzlei
der NSDAP, der mehr Klarheit schaffen kann: Im Januar 1944 hatte Hitler
Rosenberg angewiesen, die wertvollsten der beschlagnahmten Werke in das
unterirdische Depot im Salzberg von Altaussee zu bringen. Einen Monat
später sollten die technischen Details der Einlagerung von den Fachleuten
besprochen werden. Bei dieser Gelegenheit bestätigte der Mitarbeiter der
Parteikanzlei die Absprachen zwischen Hitler und Rosenberg. Danach waren
beide übereingekommen, dass der Reichsleiter „bis nach dem Krieg“ die
alleinige Verfügungshoheit über die geraubten Gegenstände erhalten sollte.
Zudem erhielt Rosenberg die Erlaubnis, mit den geraubten Objekten eine
Ausstellung zu bestreiten. Wo diese stattfinden sollte und was auf ihr
gezeigt werden sollte, ist aber noch vollkommen unbekannt. Die hier
aufgeführten Beispiele zeigen beispielhaft, dass auch beim Thema Kunstraub
des Reichsleiters Rosenberg noch weitere Forschungen nötig sind.
12 Mar 2014
## LINKS
[1] http://www.errproject.org
[2] http://www.argus.bundesarchiv.de
## AUTOREN
Hanns C. Löhr
## TAGS
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