# taz.de -- Novelle des Kulturgutschutzgesetzes: Ist das Kultur oder darf das w… | |
> Der neue Entwurf soll Kunst in Deutschland schützen. Doch die staatliche | |
> Zwangsverwaltung könnte unangenehme Folgen haben. | |
Bild: Der Maler und Bildhauer Baselitz im Albertinum in Dresden 2010. | |
Georg Baselitz hat die Faxen dicke. Das kommt öfter vor. Aber in diesem | |
Fall könnte sein Ärger berechtigt sein. Denn der Künstler hat dem | |
Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Hartwig Fischer, | |
am Freitag persönlich mitgeteilt, dass er seine Leihgaben abziehen werde. | |
Der Baselitz-Saal im Albertinum ist dann Geschichte. Ähnliche Mitteilungen | |
gingen an die Münchner Pinakothek der Moderne und die Kunstsammlungen | |
Chemnitz. Grund seines Wutausbruchs ist die von Kulturstaatsministerin | |
Monika Grütters geplante Verschärfung des Kulturgutschutzgesetzes. Er | |
fürchtet wohl, bald nicht mehr die Hoheit über seine eigenen Kunstwerke zu | |
haben. | |
Bis Anfang letzter Woche hatte man eigentlich nur positive Erwartungen mit | |
der Novellierung des seit Jahr und Tag als vollkommen untauglich | |
kritisierten deutschen Kulturgutschutzgesetzes verknüpft. Sollte es doch | |
endlich den üblen Raubkunsthandel mit Antiken aus den krisengeschüttelten | |
Ländern das Nahen Ostens und anderen außereuropäischen Kostbarkeiten in | |
Deutschland wirksam bekämpfen und Rückführungen ermöglichen. | |
Nicht der beraubte Staat muss fürderhin über Inventarlisten nachweisen, | |
dass ihm das Kulturgut ungerechtfertigt entwendet wurde, sondern Händler | |
beziehungsweise Käufer müssen eine Exportgenehmigung vor- und eine stimmige | |
Provenienz nachweisen können. | |
## Die Verhinderung des Raubkunsthandels ist nur Beiwerk | |
Doch das ist nur Beiwerk, stellt sich nun heraus. Tatsächlich muss die | |
Kunst in Deutschland vor den gierigen internationalen Großsammlern aus | |
China, USA, Russland und Südamerika geschützt und vor den Auktionsgiganten | |
wie Christie’s und Sotheby’s gerettet werden. Dazu wird sie jetzt unter | |
bürokratische Zwangsverwaltung gestellt. | |
Sämtliche Werke in öffentlichen Institutionen fallen unter die Liste | |
„national wertvollen Kulturguts“, das aus Deutschland nicht ausgeführt | |
werden darf. Dass selbst Dauerleihgaben in öffentlichen Museen und | |
Kunstsammlungen als Teil einer „Sachgesamtheit“ unter Schutz gestellt | |
werden können, sagt die Bundeskulturministerin, sei nicht wahr und eine | |
Fehlinterpretation. | |
Weil Baselitz die Klärung dieses Punkts nicht abwarten will, „sollte man | |
diese Woche ins Albertinum gehen, wenn man die Werke noch mal sehen will“, | |
sagt Harmut Fischer. „Der Raum wird so nicht mehr weiter existieren.“ | |
Überhaupt könnte es bald die große Abwanderungswelle geben. Denn mit dem | |
neuen Gesetz sollen auch Ausfuhren in die EU genehmigungspflichtig sein. | |
Was bislang nur für außereuropäische Verkäufe galt, nämlich dass Werke, die | |
älter als 50 Jahre und mehr als 150 000 Euro wert sind, einer | |
Ausfuhrgenehmigung bedurften, soll dann generell gelten. | |
## Bürokratischer Aufwand | |
Das bedeutet nicht nur eine gesetzlich erzeugte Marktverzerrung, die für | |
Monika Grüters ein zentraler Punkt ihrer Gesetzesreform ist. Denn der über | |
die flächendeckenden Ausfuhrverbote erzeugte Ausschluss der internationalen | |
Konkurrenz führt zu einem Preisverfall, was die deutschen Museen mit ihren | |
geringen Budgets wieder zum Zuge kommen lassen soll. | |
Die Genehmigungsverfahren bedeuten auch einen immensen bürokratischen | |
Aufwand. Und man soll sich nicht täuschen: So klandestin der Kunsthandel | |
gern agiert, der staatliche Behördenapparat geriert sich nicht weniger | |
geheimniskrämerisch. Wer sitzt in den Gremien und Kommissionen, die | |
zuständig sind, zu entscheiden, was nationales Kulturgut ist oder nicht? Es | |
ist nicht in Erfahrung zu bringen. Müssen Sachverständige hinzugezogen | |
werden? Nein, bislang nicht. Die zuständigen Länder können hinter | |
verschlossenen Türen entscheiden. | |
Es wäre also nicht überraschend, brächten vor Inkrafttreten des Gesetzes | |
potente Sammler ihre Schätze ins Ausland oder sähen sich auch klamme | |
Kommunen veranlasst, ihre Kunstsammlungen rechtzeitig auf dem | |
internationalen Markt zu verkaufen. Und es verwundert nicht, dass Künstler | |
wie Baselitz eine Art stille Enteignung fürchten und deshalb schon jetzt | |
die Notbremse ziehen. | |
14 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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