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# taz.de -- Umstrittenes Kulturgutschutzgesetz: Der Sammler als Anlagestratege
> Das geplante Recht zum Kulturgutschutz wird weiter von Sammlern
> attackiert. Grund genug zu fragen, ob sie Mäzene oder doch nur Anleger
> sind.
Bild: Georg Baselitz will seine Porträtserie aufgrund des geplanten Gesetzes a…
Berlin taz | Eigentlich standen weitere Drohungen von Künstlern und
Kunstsammlern, ihre an den Staat ausgeliehenen oder ihm versprochenen
Schätze aus seinen Museen abzuziehen, nicht mehr zu befürchten: Die
[1][erste Aufregung über einen vorläufigen Referentenentwurf zur
Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes] hatte sich gelegt.
Doch nun droht der SAP-Milliardär und vermeintliche Mäzen Hasso Plattner
damit, seine Privatsammlung nach seinem Tod nicht wie geplant in Potsdam
auszustellen – sollte die von Kulturstaatsministerin Monika Grütters in
Angriff genommene Novellierung des Gesetzes zum Schutz von Kulturgütern
umgesetzt werden.
Wie [2][in den Potsdamer Neuesten Nachrichten zu lesen ist, droht dem
geplanten Kunstmuseum Barberini in Potsdam] damit der Wegfall wertvoller
Bestände von Werken des Impressionismus und der Klassischen Moderne.
Friedrich der Große (1712–1786) hatte einst das Palais nach dem Vorbild des
Palazzo Barberini in Rom errichten lassen. Nachdem der Barockbau im Zweiten
Weltkrieg zerstört wurde, lässt Plattner ihn derzeit originalgetreu
rekonstruieren. Anfang 2017 soll das Museum eröffnet werden.
80 in Potsdam befindliche Werke von achtzehn DDR-Künstlern, wie unter
anderen Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig, Willi Sitte und Werner Tübke
in seiner Sammlung, sollen dann mit bis zu 250 Werken von Renoir, Monet,
Munch oder Sisley, um nur ein paar Namen zu nennen, steuersparend in einer
Stiftung in Potsdam zusammengeführt werden. Bislang hängen die Bilder in
Palo Alto, Kalifornien. Dort sollen sie auch bleiben, setzt Monika Grütters
ihre Gesetzesreform durch.
## Spekulative Absichten?
In diesem Fall nämlich sieht Plattner seine Sammlung „eines erheblichen
Teils ihres Wertes beraubt“, argumentiert er weiter, „eine Wertvernichtung
solchen Ausmaßes“ könne er seiner Stiftung, „die ja gemeinnützig ist“,
nicht zumuten. Diese Argumentation ist zunächst schwer verständlich. Denn
eigentlich böte dieses Gesetz, sofern es überhaupt auf seine Privatsammlung
Anwendung finden würde, seiner Stiftung maximalen Schutz. Gerade nach
seinem Tod könnte er sich sicher sein, dass sein Museum in der von ihm
bestimmten Form als mäzenatische Gabe an Potsdam für alle denkbaren Zeiten
erhalten bleibt. Ein Wertverlust ist nirgends auszumachen.
Es sei denn, Hasso Plattner sammle gar nicht für seine Stiftung und sein
zukünftiges Museum in Potsdam, sondern er verfolge damit spekulative
Absichten. Nur dann, wenn die zukünftige Veräußerung der Kunstwerke geplant
ist, wird das Argument vom Wertverlust sinnvoll. Man muss nach seinen
Äußerungen also davon ausgehen, dass die Bilder auch wieder aus Potsdam
abgezogen werden sollen.
Was übrigens nach Sachlage auch künftig möglich ist. Denn nur wenn die
Werke aus Plattners Privatsammlung in ein nationales Kulturgutverzeichnis
eingetragen würden, dürften sie nicht mehr abwandern. Ohne diesen Eintrag –
und wer sollte ihn betreiben wollen? − greift nur die Bestimmung, dass für
Werke, die älter als 70 Jahre sind und wertvoller als 350.000 Euro, eine
Ausfuhrgenehmigung einzuholen ist.
## Es geht nicht um einen Renoir mehr oder weniger
Das gilt schon in der etwas schärferen Form eines EU-Gesetzes (älter als 50
Jahre und mehr wert als 150.000 Euro) bei der Ausfuhr in die Schweiz, etwa
zur Art Basel oder nach Russland und die USA, also außerhalb des
europäischen Binnenmarkts und bedeutet keineswegs, dass eine solche
Ausfuhrgenehmigung nicht gewöhnlich schnellstens erteilt wird. Einen Renoir
mehr oder weniger in Deutschland, darum geht es nun wirklich nicht.
Ein Renoir mehr oder weniger in Potsdam, das macht natürlich einen
gewaltigen Unterschied. Insofern Hasso Plattners Kunstgabe an Potsdam
offenkundig so ernst nicht gemeint ist, könnte die Stadt beziehungsweise
das Land Brandenburg geneigt sein, mehr Verlässlichkeit zu erreichen, indem
sie die Werke zum schützenswerten nationalen Kulturgut erklärt.
(Tatsächlich passiert im Moment das Gegenteil und eine willfährige Stadt
und ein nicht minder willfähriges Land Brandenburg unterstützen Plattners
Lobbyarbeit gegen die Novellierung des Gesetzes nach Kräften.)
Der Beitrag Hasso Plattners zur Debatte über die Angleichung des „Gesetzes
zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung“ von 1955 an
internationalen Vereinbarungen, ist die Frage nach dem Mäzenatentum heute.
Eigentlich wäre sie ja einfach zu beantworten: Als Mäzene geben an
materiellen wie auch immateriellen Gütern reiche Menschen ihre Güter der
Allgemeinheit ganz oder teilweise zum Geschenk. Was ihnen dann
richtigerweise zu Ruhm und Ehren gereicht.
Heute freilich leihen diese Menschen ihre Güter der Allgemeinheit nur aus,
zu fälligen Leihgebühren in Form kräftiger Steuernachlässe vonseiten der
Kommunen, Länder und des Bundes. Die Ehre, als Mäzen gefeiert zu werden
reklamieren sie gleichwohl. Deshalb krankt das deutsche Museum an der
Dauerleihgabe. Sie soll ihm in Zeiten unbezahlbarer Kunstmarktpreise
helfen, Lücken in den Beständen zu schließen, sie zu aktualisieren und im
Fall der zeitgenössischen Kunst auf dem Laufenden zu bleiben.
Dabei bringt sie reichlich Folgekosten mit sich, will sie doch gepflegt,
wissenschaftlich betreut und last but not least im kuratorischen Programm
des Hauses eine prominente Rolle spielen. Hier kann das Museum mit ihr
nicht nach eigenem Gutdünken verfahren, da sie ihm nicht gehört und der
drohende Verlust immer im Raum steht. Am Ende hilft sie dem Sammler, der
seine Sorgfaltspflichten und Kosten abwälzt, immer sehr viel mehr als dem
Museum, das sie übernimmt.
## Wertsteigerung durch Dauerleihgabe
Wenig verwunderlich drängt ein viel zu hoher Bestand von Dauerleihgaben ins
Museum, in dessen traditionsreichem Sammlungskontext sie – im Fall der
zeitgenössischen Kunst – erst richtig an Wert gewinnen. Entsprechend wirkt
das Programm der Museen selbst auffällig uniform: Es bildet keineswegs den
Reichtum an zeitgenössischen Positionen, sondern vor allem deren einzelne
Konjunktur ab. Über die Leihgaben kommt hauptsächlich der Markt ins Museum,
weil das Endziel der Leihgabe ja wieder der Markt ist.
Wie sehr sich inzwischen die Meinung verfestigt hat, nur die für den
Sammler geldwerte Dauerleihgabe, die je nach Konjunktur erst auf- und dann
wieder abgehängt wird, mache das Museum aus, zeigt ein Kommentar auf den
Wirtschaftsseiten der FAS. Der Autor befürchtet dort aufgrund der
Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes ein „Regulierungsparadox: Je
länger ein Werk in einem Museum hängt, desto bedeutender wird es für die
Nation. Und desto weniger darf es gehandelt werden. Also wird jeder
Besitzer versuchen, große Kunstwerke nicht zu lange im Museum zu zeigen“.
Genau betrachtet ist das schon eine Geschäftsidee: Sammlern für gutes
Honorar verraten, wann es bei maximaler Wertsteigerung höchste Zeit ist,
die Dauerleihgabe zurückzufordern. Die Idee, das Kunstwerk dem Museum doch
einfach zu schenken, ist old school. Die Museumsdirektoren selbst raten
davon ab. Wie Ingrid Mössinger, die Generaldirektorin der Kunstsammlungen
Chemnitz, in der Süddeutschen Zeitung erklärte, wäre für Georg Baselitz
eine Schenkung der zwei in ihrem Haus gezeigten Dauerleihgaben ungünstig,
schließlich müsste er den Abzug aus seinen Betriebsvermögen versteuern. Das
ist Georg Baselitz natürlich nicht zuzumuten.
Der Meister aus Sachsen, Hasso Plattner, Gerhard Richter, sie alle nennen
sich Mäzene, peinlicherweise, wo sie doch nur Anlagestrategen sind. Als
solchen muss ihnen ein Kulturgutschutzgesetz, das eine kulturelle
Solidargemeinschaft kennt, unverständlich bleiben. Was freilich an der
Tatsache nichts ändert, dass dieses Gesetz keinen Sammler und keinen
Künstler auch nur kratzen müsste, gäbe es eine echte mäzenatische Kultur in
Deutschland und ginge es den Sammlern und Künstlern nicht um
Steuernachlässe und Renditen, sondern um die Allgemeinheit.
11 Aug 2015
## LINKS
[1] /Novelle-des-Kulturgutschutzgesetzes/!5212245/
[2] http://www.pnn.de/potsdam/992551/
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
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