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# taz.de -- Kommentar Atomkraft-Ideologie: Nein danke, zu teuer!
> Atomenergie wurde lange als sicher und billig gepriesen. Seit Fukushima
> ist auch dieses Argument vom Tisch. Schlechte Zeiten für die AKW-Lobby.
Bild: Klare Botschaft
Der Super-GAU im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daichi vor drei Jahren
war eine Katastrophe für die direkt Betroffenen. Zusätzlich zu den
Verwüstungen durch Erdbeben und Tsunami wurden Arbeiter verstrahlt,
Zehntausende Menschen evakuiert, eine ganze Region zumindest zeitweilig
entvölkert. Aber ohne zynisch zu werden, kann man auch feststellen: Der
nukleare Alptraum am Pazifik hatte Folgen, die man erst mit dem Abstand
einiger Jahre sieht. Denn mit den Reaktorblöcken von Fukushima flog auch
das letzte große Versprechen der Atomkraft in die Luft: die Illusion von
der bezahlbaren Energie.
„Sicher und billig“, war das Verkaufsargument für die „friedliche Nutzun…
der Atomenergie seit den fünfziger Jahren. Das Hirngespinst von der
„Sicherheit“ explodierte spätestens 1986 mit der Reaktorkatastrophe in
Tschernobyl, wenn man die vielen kleineren und größeren nuklearen Desaster
in der militärischen und „zivilen“ Nutzung vornehm verschweigt. Seitdem
aber galt die Atomkraft immer noch als „billig“ – bis der GAU in einem
reichen Hightechland wie Japan das Gegenteil zeigte. Die technische
Inkompetenz der AKW-Betreiber von Tepco wurde von einem finanziellen
Totalschaden begleitet.
Die japanischen Steuerzahler mussten und müssen mit Dutzenden von
Milliarden Euro das verstrahlte Erbe antreten. Ähnlich wie die Geldhäuser
in der Bankenkrise „too big to fail“ waren, wurde auch in Fukushima klar:
Im Zweifel muss auch in der Atomwirtschaft der Staat den Dreck wegräumen,
den privater Profit angerichtet hat. Diese Struktur ist überall gleich:
Atomkraft lohnt sich nur, wenn der Staat bereit ist, für Forschung,
Sicherheit, Entsorgung, Versicherung und mögliche Schäden die Zeche zu
zahlen. Das ist eine Binsenweisheit, die Atomgegner schon lange monieren.
Wer heute Atomkraft will, der muss gute Gründe haben. Und zu viel Geld.
Anders als vor 50 Jahren, als die Atomprogramme begannen, haben die
Industrieländer heute weder einen steigenden Stromverbrauch noch volle
Steuerkassen. In einem liberalisierten Energiemarkt, wie er zumindest in
der EU angestrebt wird, hat die unflexible und kapitalintensive Atomkraft
mit extrem hohen Kosten für Bau, Betrieb, Sicherheit und Entsorgung keine
Chance mehr.
Banken geben keine Kredite, Unternehmen steigen aus. Die Atomlobby wittert
nur da eine Zukunft, wo von Marktwirtschaft keine Rede ist: Frankreich
schottet seinen Energiemarkt ab, Großbritannien verteilt für sein geplantes
Neubauprogramm großzügig Subventionen, China hat Geld wie Heu und eine
Planwirtschaft. Ob Länder wie Polen, Tschechien, Brasilien oder Indien ihre
Atomprogramme auch nur annähernd so ehrgeizig verwirklichen wie geplant,
steht in den Sternen.
## Reaktoren aus nuklearem Mittelalter
Die größte Gefahr droht denn auch nicht von neuen Meilern, sondern von
Reaktoren aus dem nuklearen Mittelalter, die an ihre Belastungsgrenze
kommen und trotzdem weiterlaufen, weil sie abgeschrieben sind und nur so
noch den versprochenen billigen Strom produzieren. Seit Tschernobyl sind
die Konkurrenten des Atoms viel günstiger geworden. Kohle gibt es genug,
billiges Fracking-Gas überschwemmt zumindest in den USA den Markt, aber die
günstigste Variante für neue Anlagen ist Strom aus Wind und Sonne. Wer
anders rechnet – wie teilweise die EU-Kommission –, muss sich vorhalten
lassen, absichtlich Atom zu billig und Erneuerbare zu teuer zu rechnen.
Wer heutzutage neue Atommeiler bauen will, muss seinen Bürgern erklären,
warum er die gefährlichste Art wählt, teuren Strom zu produzieren: mit
Klimaschutz und einer Aversion gegen Erneuerbare, wie es die Briten
versuchen. Mit der nuklearen Tradition wie in Frankreich. Mit alten
Verträgen, nationalem Stolz – oder einfach gar nicht, wie in China, wo
Demokratie auch in der Energiepolitik nichts gilt.
Die guten ökonomischen Argumente haben heute nicht mehr die Fans der
Atomkraft. Wer kurzfristig und nur betriebswirtschaftlich denkt, setzt auf
Kohle oder Gas. Bei fairen Preisen bringen zumindest mittel- und
langfristig die Erneuerbaren die besten ökonomischen und ökologischen
Renditen. Auch das ist eine Folge von Fukushima: Ideologisch aufgeladen und
gegen die wirtschaftliche Vernunft argumentieren heute nicht mehr die
Ökospinner, sondern die Atomfreaks.
11 Mar 2014
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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Fukushima
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Energiepolitik
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