# taz.de -- Atomenergie in der Ukraine: Fragiles Land, marode AKWs | |
> Die Krise in der Ukraine gefährdet 28 Jahre nach Tschernobyl die | |
> Sicherheit der Atomkraftwerke. Das Land kauft jetzt US-Brennstäbe. | |
Bild: Bekommt zur Zeit einen neuen Sarkophag: AKW Tschernobyl. | |
MÖNCHENGLADBACH taz | 28 Jahre nach der atomaren Katastrophe in Tschernobyl | |
steht die ukrainische Energiewirtschaft vor tief greifenden Problemen: vier | |
alte Atomkraftwerke, zunehmende Spannungen mit dem russischen Nachbarn und | |
Unruhe im Innern. Für viele in Westeuropa alles andere als beruhigende | |
Aussichten. | |
Die ukrainische und die russische Atomwirtschaft sind eng miteinander | |
verflochten. Alle vier ukrainischen Atomkraftwerke mit ihren 15 | |
Kraftwerksblöcken sind sowjetischer Bauart. Die Brennstäbe, werden zum | |
allergrößten Teil aus Russland geliefert, der abgebrannte Brennstoff geht | |
als Atommüll an den Ural oder nach Sibirien. Aber die Spannungen nehmen zu. | |
Bereits am 28. Januar hatte die Janukowitsch-Regierung angesichts der | |
angespannten Sicherheitslage russische Atomtransporte durch die Ukraine, | |
die russische Atomkraftwerke in Slowenien, Tschechien und Ungarn versorgen, | |
verboten. Auch wenn das Transportverbot am 6. März wieder aufgehoben wurde, | |
zeigt es doch, wie fragil die Zusammenarbeit von russischer Atomwirtschaft | |
und der Ukraine in der derzeit aufgeheizten Situation ist. | |
Wenig später, im März, sahen sich die neuen ukrainischen Machthaber | |
gezwungen, das Kraftwerk von Tschernobyl durch Truppen des | |
Innenministeriums stärker zu schützen. Zeitgleich hatte der neue | |
Außenminister des Landes, Andrej Deschiza, die USA, die EU und die Nato | |
gebeten, dem Land zur Verhinderung von Atomkatastrophen beim Schutz seiner | |
Atomobjekte zu helfen. Wenige Tage zuvor hatte der neue Chef des | |
ukrainischen Geheimdienstes, Valentin Naliwaitschenko, berichtet, die Pläne | |
zur Sicherung der Atomkraftwerke seien ihm nicht bekannt, da sein | |
Amtsvorgänger telefonisch nicht erreichbar sei. | |
Am 5. März hatte Russlands Vizepremier, Dmitrij Rogosin, verkündet, | |
Russland werde der Ukraine keinen Atombrennstoff mehr liefern. Die Lage | |
dort sei zu unstabil. Zwei Tage später folgte das Dementi von Rosatom, man | |
werde sich an alle Verträge halten. Offensichtlich fürchtete man, ein | |
politisch motivierter Stopp von Brennstofflieferungen in die Ukraine könnte | |
potentielle Kunden in anderen Ländern vor Verträgen mit Russlands | |
Atomwirtschaft abhalten. | |
## Kein Endlager für Atommüll | |
Der US-amerikanische Atomkonzern Westinghouse und die ukrainische | |
Atomenergiebehörde Energoatom, die für den Betrieb aller ukrainischen | |
Atomkraftwerke zuständig ist, haben Ende vergangener Woche einen bis 2020 | |
befristeten Vertrag über die Lieferung US-amerikanischen Atombrennstoffes | |
in die Ukraine abgeschlossen. | |
Die jüngste Vertragsunterzeichnung mit Westinghouse ist erst ein erster | |
Schritt. Langfristig wird sich die Ukraine in ihrer Energiepolitik | |
umorientieren, um ihre Abhängigkeit von Russland zu verringern. | |
Eigenständigkeit und eine Zusammenarbeit mit westlichen Konzernen werden | |
die ukrainische Atompolitik prägen. | |
Auch zu dem Bau einer Brennelementefabrik in Zusammenarbeit mit Russland | |
wird es wohl kaum noch kommen. Und damit dürften die nächsten Probleme | |
vorprogrammiert sein. Derzeit gibt es in dem Land kein Endlager für | |
Atommüll. Nun ist erstmals ein eigenes Endlagerkonzept im Gespräch. | |
Möglicherweise könnten leer stehende Bergwerksschächte im Gebiet Donezk in | |
der umkämpften Ostukraine als Atommülllager genutzt werden. | |
Aus- und Weiterbildung der ukrainischen Fachkräfte dürften sich nach dem | |
Anschluss der Krim an Russland als schwierig erweisen. Wie man in Zukunft | |
mit der „Universität von Sewastopol für Atomenergie und Atomwirtschaft“, | |
die auch einen Forschungsreaktor betreibt, zusammenarbeiten will, ist | |
derzeit nicht geklärt. | |
26 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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