# taz.de -- Linkspartei, Grüne und die Krim: Die Politik wird dümmer | |
> Die Krimkrise hinterlässt Kollateralschäden: Linkspartei und Grüne | |
> bewerfen sich mit Sandkastenförmchen. Sollten sie nicht die Regierung | |
> kritisieren? | |
Bild: Those were the days: Gysi und Trittin im angeregten Gespräch. | |
Die Grünen scheinen sich angesichts der Krimkrise in eine Art Spaßpartei zu | |
verwandeln. In der vergangenen Woche wollte Rebecca Harms, die grüne | |
Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Exkanzler Gerhard Schröder in Sachen | |
Russland das Wort verbieten. Das war bestimmt ein Scherz. Solche | |
Redeverbote passen eher zu Wladimir Putin. | |
Die zweite Aktion der grünen Spaßguerilla ist eine Fotomontage, die Sahra | |
Wagenknecht vor bewaffneten Soldaten zeigt, mit dem Slogan: „Linkspartei | |
erstmals für Auslandseinsätze“. Ist das schon wieder ein grüner | |
Humorversuch? Oder war die Abteilung für Agitation und Propaganda am Werk? | |
Eher Letzteres. Sahra Wagenknecht hat sehr viele falsche und ein paar | |
richtige Dinge zur Ukraine gesagt. Wagenknecht meint zum Beispiel | |
fälschlicherweise, der Westen habe kein Recht, die Verletzung des | |
Völkerrechts durch Russland zu kritisieren. Denn: Der Westen habe ja, von | |
Irakkrieg bis Kosovo, selbst das Völkerrecht verletzt. In dieser Logik | |
dürfen sich künftig nur noch San Marino und Liechtenstein auf das | |
Völkerrecht berufen. Das Völkerrecht, das die Linkspartei gern wie eine | |
Monstranz vor sich herträgt, ist dann nur noch ein Haufen Papier. | |
Mehr als steil klingt auch Wagenknechts Behauptung, dass Merkel in Kiew | |
eine Putschregierung mit Faschisten stützt. Es ist doch etwas | |
komplizierter. Wagenknechts Sprache ist die eines verarmten politischen | |
Denkens. Darin regiert eine Lagerlogik, in der es nur Gut und Böse gibt. | |
Eines aber hat Sahra Wagenknecht nicht getan: den russischen Einmarsch auf | |
der Krim bestritten oder gerechtfertigt. | |
## Gegen die Machtlosigkeit | |
Deshalb ist das grüne Plakat peinlich. Es ist keine Pointierung, die etwas | |
kenntlich macht. Es ist eine Diffamierung. Das Plakat unterstellt der | |
politischen Konkurrenz eine Haltung, die sie nicht hat. Und natürlich ist | |
es eine Retourkutsche. Die Grünen waren mal eine pazifistische Partei, bis | |
sie 1999 Ja zum Kosovokrieg sagten. Das war schmerzhaft für die Grünen – | |
und wie Salz in dieser Wunde wirkte, dass die PDS/Linke den auf dem | |
Müllhaufen der Geschichte gelandeten Pazifismus recycelte und zu ihrem | |
Parteilogo machte. Wenn nun die Linkspartei etwas von ihrer pazifistischen | |
Unschuld verlieren würde, dann würde das Kosovo-Trauma der Grünen | |
segensreich schrumpfen. Dieser Wunsch ist Vater des Plakats. | |
Es ist kein Zufall, dass bei der Linkspartei die Fundis, bei den Grünen die | |
Schwarz-Grün-Fraktion um Cem Özdemir Sprit in den Tank gießen. Die rechten | |
Grünen und die linken Linken haben ein gemeinsames Ziel (und nur eins): Sie | |
wollen 2017 kein Rot-Grün-Rot. Derzeit kann man wirklich froh sein, dass | |
wir weder von grünen Menschenrechtsbellizisten noch von linken | |
Besserwissern regiert werden – sondern von Pragmatikern wie Merkel und | |
Steinmeier. | |
Im Bundestag ergab sich so eine kuriose Lage. Nach Merkels | |
Regierungserklärung fiel die Grüne Kathrin Göring-Eckardt über Gregor Gysi | |
her, obwohl der eine für Linksparteiverhältnisse recht pragmatische Rede | |
gehalten hatte. Die Opposition ist eigentlich dazu da, um die Regierung zu | |
kritisieren. Diese Opposition ist nicht nur die schwächste seit 1969 – | |
sondern auch die narzisstischste. Linkspartei und Grüne scheinen ihre reale | |
Machtlosigkeit durch moralisch überhitzte Spiegelfechtereien zu | |
kompensieren. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie ausgerechnet die | |
größte internationale Krise seit Jahren zum Anlass nehmen, um einen | |
parteipolitischen Kleinkrieg zu führen. | |
Zu alledem haben die SPD-Netzwerker nun Gregor Gysi ausgeladen. Mit dem | |
wollten die Sozidaldemokraten eigentlich über Rot-Grün-Rot 2017 plaudern. | |
Nun mussten sie entsetzt feststellen, dass Gysi in der Ukraine-Frage nicht | |
auf SPD-Linie und mit ihm „kein ernsthaftes Gespräch“ möglich ist. Die | |
Krimkrise verursacht somit in Deutschland einen ersten Kollateralschaden. | |
Die deutsche Politik wird dümmer. | |
18 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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