| # taz.de -- Debatte Energiewende: Gabriels Aprilscherz | |
| > Die SPD unterstützt massiv die großen Stromkonzerne und bremst die | |
| > Energiewende weiter aus. Einzelinteressen gehen ihr über alles. | |
| Bild: Die Deckelung wird den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern | |
| „Die Summe der Einzelinteressen ist nicht das Gemeinwohl“ – so kommentier… | |
| Vizekanzler Sigmar Gabriel spitz das letzte Treffen von Bund und Ländern | |
| zur Reform der Ökostromförderung. Dienstag geht das Ringen um ein neues | |
| Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) in die nächste Runde. Ausgerechnet am 1. | |
| April wird zum Energiegipfel ins Kanzleramt geladen. | |
| Aber ist dem wirklich so: Gabriel, der Kämpfer für das Gemeinwohl? | |
| Bundesländer, die nur ihre Pfründen sichern? Etliche Länderchefs, allen | |
| voran Torsten Albig aus Schleswig-Holstein, verteidigen mit der Windenergie | |
| an Land eine Energieform, die dem Gemeinwohl wie keine andere zugutekommt. | |
| Sie erzeugt unschlagbar günstig und zugleich klimafreundlich Strom. | |
| Neue Windkraftanlagen produzieren schon heute Strom zu gleichen oder | |
| geringeren Gestehungskosten wie neue fossile Kraftwerke, von den viel | |
| teureren Atomkraftwerken ganz zu schweigen. Auch die Stromgestehungskosten | |
| der Sonnenenergie sind nach massiven Kostensenkungen bereits mit neuen | |
| Gaskraftwerken vergleichbar. | |
| Dies zeigen Untersuchungen führender Forschungseinrichtungen wie des | |
| Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung oder des Fraunhofer Instituts | |
| für Solare Energiesysteme. Die Kosten für Gesundheits- und Klimaschäden | |
| durch konventionelle Energien sind nicht einberechnet. | |
| Nach Berechnungen des Thinktanks [1][Agora Energiewende] würde ein | |
| zusätzliches Gigawatt installierte Windkapazität die EEG-Umlage nur um 0,06 | |
| Cent erhöhen. Warum will dann ein Bundeswirtschaftsminister mit seiner | |
| EEG-Reform den weiteren Ausbau der Windenergie mit einem Deckel bei 2,5 | |
| Gigawatt ausbremsen? | |
| Von seinem Parteifreund Albig wird dies zu Recht als „volkswirtschaftlich | |
| unsinnig“ gegeißelt. Gabriel ist es, der Einzelinteressen bedient: die der | |
| konventionellen Stromversorger. RWE schreibt zum ersten Mal in der | |
| Nachkriegsgeschichte tiefrote Zahlen. 2,8 Milliarden Euro betrugen die | |
| Verluste im Jahr 2013, und für das laufende Jahr sieht es nicht besser aus. | |
| Hohe Abschreibungen auf schlecht ausgelastete Kohle- und Gaskraftwerke | |
| müssen in den Bilanzen vorgenommen werden. | |
| ## Lukrative Nachfragespitzen | |
| Der Grund: Die erneuerbare Energien nehmen durch ihren Vorrang im Netz den | |
| Konzernen Marktanteile ab. Sonnenstrom deckt die lukrativen täglichen | |
| Nachfragespitzen. Und mit jedem Megawatt zugebauter Kapazität bei Wind- und | |
| Sonnenenergie wird das Problem für RWE größer. Da viele sozialdemokratisch | |
| regierte Kommunen Aktienpakete von RWE halten, wird RWEs Problem zu einem | |
| Problem für Sigmar Gabriel. | |
| Auch Vattenfall, Eon und ENBW, die Konkurrenten von RWE, geht es nicht viel | |
| besser. Das ruft einen Akteur auf den Plan, der bestens mit der SPD | |
| verdrahtet ist: die Chemie- und Energiegewerkschaft IG BCE. Mit der neuen | |
| Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi, sitzt eine langjährige Lobbyistin | |
| IG BCE nun an den Schaltstellen im Willy-Brandt-Haus. Die Gewerkschaft | |
| macht sich für die Interessen der Energieversorger stark. Und für die | |
| Befreiung von Industriebetrieben von der Ökostromumlage – ein Umstand, der | |
| die Energiewende für alle anderen Stromkunden teuer gemacht hat. | |
| Der Ausbaudeckel ist bei weitem nicht das Einzige, mit dem Gabriel bei den | |
| Erneuerbaren auf die Bremse tritt. Er will einen Akteur herausnehmen aus | |
| der Energiewende: den Bürger als Stromproduzenten. Als Konsument wird er | |
| verstärkt zur Kasse gegeben. Doch die breite Beteiligung von Bürgern an der | |
| Stromerzeugung über erneuerbare Energien soll massiv behindert werden. | |
| Deckelung von Wind und Sonne, Direktvermarktung des Stroms, Ausschreibungen | |
| ab 2017: All dies erhöht Investitionsrisiken, erschwert die Teilhabe von | |
| Bürgern an der Energiewende – entgegen allen Sonntagsreden. | |
| ## Subvention der Braunkohle | |
| Zu alledem soll auch noch auf selbst erzeugten Strom aus erneuerbaren | |
| Energien die EEG-Umlage erhoben werden. Eine Art „Sonnensteuer“ mit | |
| gewaltigem bürokratischem Aufwand und minimalem Ertrag. Das Gerede von der | |
| „Entsolidarisierung“ ist dabei nur Vorwand, um der solaren Eigenerzeugung | |
| das Genick zu brechen. Nach der bewährten Methode „Haltet den Dieb“ wird | |
| von der milliardenschweren Umverteilung von Bürgern zu Industrie abgelenkt. | |
| Wenn es nach Gabriel geht, wird Sonnenstrom von der Scheune, dem Mietshaus | |
| und der Kirche EEG-Umlage zahlen, industrieller fossiler Eigenstrom dagegen | |
| weiter befreit bleiben. 2013 profitierte die Braunkohle davon mit satten | |
| 166 Millionen Euro. | |
| Der Bürger wird gemolken, Industriestrom dagegen subventioniert. Die | |
| günstige Windkraft wird ausgebremst, Sonne mit einer Steuer belegt, während | |
| Kohlekraft von Abgaben verschont wird und am Netz bleibt. RWE wird | |
| gehätschelt. Für Gabriel macht das alles Sinn: Er kann für die SPD wichtige | |
| Einzelinteressen bedienen. Nur mit Gemeinwohl hat das nichts zu tun. | |
| ## Die CO-Emissionen stagnieren | |
| Der in einem „Korridor“ gebremste Ausbau erneuerbarer Energien würde | |
| fossiler Energie für die nächsten 15 Jahre einen konstanten Anteil am | |
| deutschen Strommarkt sichern. Die Erneuerbaren kompensieren gerade den | |
| Atomausstieg, die CO2-Emissionen stagnieren statt zu sinken. Was daran | |
| brandgefährlich ist: Es geht nicht um ein paar Solarmodule und Windräder | |
| mehr oder weniger. Es geht nicht nur um einige Millionen Tonnen | |
| CO2-Ausstoß: Es geht darum, ob die deutsche Energiewende weltweit | |
| ausstrahlen kann für eine Energiepolitik, die das Klima schützt und unser | |
| aller Zukunft sichert. | |
| Angesichts schleppender Klimaverhandlungen gilt für die deutsche | |
| Energiewende: Nie war sie so wertvoll wie heute. Um so wichtiger ist es, | |
| dass Torsten Albig, Stephan Weil, Winfried Kretschmann und Co. beim Treffen | |
| mit Merkel und Gabriel am 1. April das Gemeinwohl obenan stellen und die | |
| Energiewende retten. Denn der Klimawandel ist kein Aprilscherz. | |
| 1 Apr 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.agora-energiewende.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Christoph Bautz | |
| Jörg Haas | |
| ## TAGS | |
| Energiewende | |
| Sigmar Gabriel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| SPD | |
| Windkraft | |
| Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) | |
| Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) | |
| Braunkohle | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) | |
| Sigmar Gabriel | |
| Energiewende | |
| Kühlschrank | |
| Energiewende | |
| Bundesverfassungsgericht | |
| Vermittlungsausschuss | |
| Energiewende | |
| Energiewende | |
| Schwerpunkt Atomkraft | |
| EEG-Umlage | |
| Die Linke | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Erneuerbare-Energien-Gesetz: Einigung in letzter Minute | |
| Union und SPD wollen die Bagatellgrenze für Eigenstromproduzenten | |
| beibehalten. Ein wichtiger Konflikt mit der EU bleibt ungelöst. | |
| Braunkohle in Brandenburg: Die Zeichen stehen auf Abbau | |
| Der Braunkohletagebau in Brandenburg soll erweitert werden. Der zuständige | |
| Ausschuss stimmte dafür, den Abbau in Welzow-Süd zu vergrößern. | |
| Kritik an Merkels Energiepolitik: Die Renaissance der Kohle | |
| Aus Angela Merkels Bekenntnis zum Klimaschutz folge nichts, kritisiert ein | |
| Kieler Klimaforscher. Deutschland habe eine Reform des Emissionshandels in | |
| Europa verhindert. | |
| Gerangel um Energiewende: Gabriel bestreitet Kostensprung | |
| Die EEG-Umlage soll durch die geplante Reform nicht wesentlich stärker | |
| steigen als geplant. 500 Firmen könnten die Vergünstigungen verlieren. | |
| Weniger Privilegien für Unternehmen: Strompreis-Rabatt nicht für alle | |
| Wirtschaftsminister Gabriel hat angekündigt, rund 500 Firmen von der | |
| Ausgleichsregelung auszunehmen. Die EU hatte die Rabatte zuvor als | |
| unerlaubte Beihilfe kritisiert. | |
| Dezentrale Energiewende: Kommunen wollen selbst gestalten | |
| Das, was in Berlin in Sachen Energiewende passiert, gefällt nicht allen | |
| Kommunen. Und sie zeigen, wie die Wende auch geschafft werden kann. | |
| Abwrackprämie für alte Kühlschränke: Energiewende zu Hause | |
| Einen Gutschein über 150 Euro gibt’s für arme Haushalte, wenn sie einen | |
| sparsamen Kühlschrank kaufen. Dafür muss eine Energieberatung besucht | |
| werden. | |
| Debatte Strompreise und Energiewende: Große Koalition gegen Verbraucher | |
| Auch nach der Bund-Länder-Einigung werden private Stromkunden übermäßig zur | |
| Kasse gebeten – zum Nutzen von Industrie und Versorgern. | |
| Energiewende vorm Verfassungsgericht: Unzulässige Beschwerden | |
| Eine Papierfabrik hatte dagegen geklagt, dass die Netzagentur Zugriff auf | |
| das hauseigene Kraftwerk hat. Das Bundesverfassungsgericht sieht das | |
| anders. | |
| Energiegipfel im Kanzleramt: Mehr Biogas! Nein, mehr Windräder! | |
| Die Länder wollen jede Menge Änderungen an Gabriels EEG-Reform. Doch der | |
| Bundeswirtschaftsminister sitzt wohl am längeren Hebel. | |
| Erneuerbare Energien-Gesetz: Experten warnen vor Windstille | |
| Die Denkfabrik Agora Energiewende befürchtet das Aus für Windkraft, wenn | |
| die Regierung ihre Reform umsetzt. Sie schlägt eine andere Vergütung vor. | |
| Energiepolitik in Deutschland: Ein beispielloser Alarmismus | |
| Die Regierung schürt Panik: Die Industrie würde das Land wegen hoher | |
| Strompreise verlassen. Belegen kann sie ihre Behauptungen allerdings nicht. | |
| Zehntausende Demonstranten: Für die Sonne auf die Straße | |
| Erneuerbare statt Kohle und Atom: Von Kiel bis Freiburg haben Demonstranten | |
| das Festhalten an der Energiewende gefordert. Umweltverbände hatten dazu | |
| aufgerufen. | |
| Brüssel prüft EEG-Ausnahmen: Freiheit für den Fruchtsaft | |
| Bis zu 65 Ausnahmen: EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia will der | |
| Industrie im Streit um das Erneuerbare-Energien-Gesetz weit entgegenkommen. | |
| Soziale Energiewende gefordert: Linke wollen Strompreis senken | |
| Dem EEG-Reformkonzept der Regierung stellt die Linke eigene Vorschläge | |
| entgegen. Sie sollen Kosten reduzieren, ohne die Energiewende zu bremsen. |