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# taz.de -- Kolumne Konservativ: Seelenverwandt mit Putin
> Russland war einst Sehnsuchtsort deutscher Konservativer – als gefühlige
> Alternative zur Industrialisierung. In der Krim-Krise zeigt sich: So ist
> es wieder.
Bild: Kann man diesem Mann misstrauen? Für Wladimir Putins Aktionen zeigen deu…
Die Bolschewiki mordeten sich 1921 an die Macht, da schrieb der
konservative Bildungsbürger Thomas Mann schwärmerisch: „In der Tat sind es
zwei Erlebnisse, welche den Sohn des neunzehnten Jahrhunderts, der
bürgerlichen Epoche, zur neuen Zeit in Beziehung setzen, ihn vor Erstarrung
und geistigem Sterben schützen und ihm Brücken in die Zukunft bauen, –
nämlich das Erlebnis Nietzsches und das des russischen Wesens.“
Dem „russischen Wesen“ fühlen sich vor allem konservative Deutsche seit
langem nah. In der Krim-Krise erweist sich ihr Glaube, Russland besser
begriffen zu haben als die Russen selbst, als ungebrochen. „Der Bogen der
Nachsichtigen“, schreibt der Spiegel, „reicht vom CDU-Politiker Philipp
Mißfelder bis zu Alice Schwarzer, von der Linken über das gutbürgerliche
Milieu bis weit ins konservative Lager“. Das hat eine lange Geschichte.
Friedrich Nietzsche, dem Thomas Mann ein Bildungserlebnis verdankte, hatte
schon 1889 geschwärmt: Russland sei „der Gegensatz-Begriff zu der
erbärmlichen europäischen Kleinstaaterei und Nervosität, die mit der
Gründung des deutschen Reiches in einen kritischen Zustand eingetreten
ist“.
Das riesige Reich schien vielen Deutschen als gefühlige Alternative zum
hektischen Zeitalter der Industrialisierung, Demokratisierung und
Wissenschaft. Noch 1920 schrieb Rainer Maria Rilke euphorisch: „… was
verdankt ich Russland –, es hat mich zu dem gemacht, was ich bin, von dort
ging ich innerlich aus, alle Heimat meines Instinkts, all mein innerer
Ursprung ist dort!“
## Seele gegen Krämerseele
Thomas Mann zufolge ähnelten deutsches und russisches Wesen einander in
ihrer Tiefe und Unergründlichkeit. Beide könnten deshalb nie Verständnis
finden in den kleingeistigen Kapitalistennationen Großbritannien und USA.
Seele gegen Krämerseele. Doch wofür Russland stand, war letztlich stets
weniger wichtig als das, wofür es nicht stand: den, wie Mann 1918
verächtlich schrieb, „Köhlerglauben“ der Demokratie.
Die Sehnsucht nach dem vordemokratischen Idyll hat selbst Gulag, Kalten
Krieg und 65 Jahre Bundesrepublik überlebt. Zur Krim-Krise sagte der
konservative Publizist und stellvertretende AfD-Sprecher Alexander Gauland:
Das „Sammeln russischer Erde“ sei in der russischen Geschichte üblich
gewesen. „In unserer postheroischen Zeit mag es so sein, dass wir das nicht
mehr verstehen können.“
Diese Sicht entmündigt nicht nur die Ukrainer. Sondern auch alle Russen,
die eine andere Meinung vertreten als der Kremlherr. Sie kommen in der Welt
konservativer Putin-Verteidiger nicht vor.
Manche erfüllt der Gedanke an Demokratie im Riesenreich gar mit Furcht. Die
rechte Wochenzeitung Junge Freiheit schreibt: „Wenn (…) Russland erst
einmal in den Westen inkorporiert sein würde – und die Damen von Pussy Riot
mit staatlicher Billigung auf allen Kirchenaltären tanzen –, gehen auch auf
dem Kulturkontinent Europa endgültig die Lichter aus.“
In diesem Bild gerät der Ex-KGB-Agent und Autokrat Putin zum letzten
Verteidiger des christlichen Abendlandes. Dummerweise können manche das
nicht mehr verstehen in unserer postheroischen Zeit.
3 Apr 2014
## AUTOREN
Matthias Lohre
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