# taz.de -- Kolumne Konservativ: Spiel’s noch einmal, Sozi | |
> Bei den Koalitionsverhandlungen zeigt sich: Es gibt noch eine | |
> konservative Partei. Die SPD. Sie fügt sich deprimiert ins selbst | |
> gemachte Schicksal. | |
Bild: Wird schon schiefgehen: SPD-Kanzlerkandidaten 1966 und 2013. | |
Es gibt noch eine konservative Volkspartei in Deutschland. Eine Partei, | |
deren Mentalität sich seit fünf Jahrzehnten kaum verändert hat. Eine Heimat | |
für Menschen, die sich nach Traditionen und Beständigkeit sehnen. Ein | |
Refugium für wahre Konservative. Man muss sie einfach mögen, diese SPD. | |
„Politischer Wagemut, das zeigte sich in den letzten Wochen, ist nicht die | |
hervorstechendste Eigenschaft der Sozialdemokraten.“ So urteilte der | |
Hauptstadt-Korrespondent der Zeit, Rolf Zundel, anlässlich der | |
Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. Also: denen im Jahr 1966. | |
Zundel beschrieb damals den Weg zur ersten „Großen Koalition“. Seine | |
Einschätzungen klingen beruhigend bekannt: „Das Verhaltensmuster für die | |
Politiker in der Bundesrepublik lässt sich in vier Worten kennzeichnen: | |
Sicherheit um jeden Preis.“ Kommt mir irgendwie bekannt vor. | |
Und vor meinem inneren Auge sehe ich einen wissend in sich hinein | |
lächelnden Sigmar Gabriel, wenn Zeit-Mann Zundel schreibt: „Wer auf die | |
letzten Wochen zurückblickt, gewinnt den Eindruck, als ob die Entwicklung | |
trotz vieler verwirrender Zwischenspiele mit merkwürdiger und fataler | |
Zwangsläufigkeit dieser Lösung zutrieb, die zu Anfang nur wenige gewollt | |
hatten und am Ende die meisten für unausweichlich hielten.“ | |
## 2013 ähnelt 1966 | |
Die Szenerien der Koalitionsverhandlungen gleichen sich: Halb zog die Union | |
die SPD, halb sank sie hin. Einen eigenen Willen scheinen Sozialdemokraten | |
nie gehabt zu haben. Sie fügen sich deprimiert ins selbst gemachte | |
Schicksal. Ist das nicht tröstlich? | |
Denn Berechenbarkeit und Gleichförmigkeit gewähren Erholung in einer | |
chaotisch anmutenden Welt. Die SPD weiß das. Rituale sind wichtiger als | |
Inhalte, das hat sie von der katholischen Kirche gelernt. Die Partei hat in | |
150 Jahren ihre eigene Liturgie entwickelt. Zundel beschreibt sie so: | |
„Die Sozialdemokraten standen vor einer deprimierenden Alternative. In der | |
Opposition konnten sie nicht bleiben, wenn sie nicht alle ihre bisherigen | |
Beteuerungen […] Lügen strafen wollten. Hätten sie in der Opposition | |
verharrt – die Wähler hätten es als Flucht vor der Verantwortung | |
empfunden.“ Ihr Credo damals wie heute: Wie man’s macht, macht man’s | |
falsch. Wie beruhigend. | |
Sozialdemokraten sind gern depressiv. Deshalb müssen wir uns die SPDler, | |
die Zundel beschreibt, als glückliche Menschen vorstellen: „Die meisten | |
plagten und quälten sich redlich, bis sie schließlich glaubten, was ihnen | |
die Führung einhämmerte: Es gebe gar keine Alternative, sondern nur die | |
Notwendigkeit, zusammen mit der CDU zu regieren.“ Amen. | |
## Gestörte CDU | |
Auch die Union wusste schon damals, was eine richtige | |
Persönlichkeitsstörung ist. Ein anonymer CDUler sagte dem Zeit-Mann 1966: | |
„Es wird künftig schwierig werden, den Leuten klarzumachen, was eigentlich | |
die Union von den Sozialdemokraten noch unterscheidet.“ | |
Zwei Jahrzehnte später hatte Zundel genug vom depressiven | |
Strukturkonservatismus der Politik. Mit 60 Jahren wurde er Psychotherapeut. | |
13 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
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