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# taz.de -- Kolumne Konservativ: Depressive Mickymäuse
> An der Krawatte die Haltung erkennen: Wäre es nicht schön, Menschen
> hörten auf, ihre Ängstlichkeit konservative Überzeugung zu nennen?
Bild: Statt Mickymaus-Krawatte mal eine fesche Fliege, wie sie Minny Maus im Ha…
Mickymaus-Krawatten sind konservativ. Das ist die Lehre, die ein Freund von
mir aus seinem jüngsten Abenteuer gezogen hat. Der Freund ist vor wenigen
Monaten Vater geworden. Das ist nicht das Abenteuer, das ich meine. Sondern
seine Ankündigung, er gehe deshalb in Elternzeit.
Besagter Freund, Ingenieur in einem Weltkonzern, ging ins Büro seines
Vorgesetzten und sagte: „Ich möchte in Elternzeit gehen.“ Das schien ihm
ein verständlicher Wunsch zu sein. Der Anteil der Väter, die mindestens
zwei Monate aus dem Job aussteigen, um sich um ein Kind zu kümmern, liegt
auf einem Höchststand von mehr als 27 Prozent. Der Freund fügte aber hinzu:
„Ich möchte sechs Monate Elternzeit nehmen.“ Ein Fehler.
77 Prozent der Väter beziehen das Elterngeld für maximal zwei Monate. So
antwortete der Vorgesetzte: „Zwei Monate – na gut. Ist ja normal heute.
Aber sechs? Vergessen Sie nicht: Wir sind ein konservatives Unternehmen.“
In diesem Moment blickte der Freund auf die Krawatte seines Chefs, und er
fragte sich, ob die Cartoon-Mäuse ihm die ganze Zeit etwas hatten sagen
wollen.
Denn es ist so: „Konservativ“ ist ein schier unendlich stark dehnbarer
Begriff. Das gilt selbst für Kernbestände konservativen Denkens, etwa den
Schutz der klassischen Familie. Sie gilt als Nukleus der Gesellschaft, als
Rückzugsraum und Kraftquell. Aber ist es heutzutage konservativ, dass der
Mann arbeitet, während sich die Frau ums Kind kümmert? Oder, dass sich auch
der Mann ausgiebig ums Kind zu kümmert, weil Familie nun mal das Größte
ist?
## Bitte unauffällig folgen
Der besagte Chef folgt einem anderen Bild vom Konservativen. Er mag keine
gesellschaftlichen Veränderungen, folgt ihnen aber unauffällig. „Ist ja
normal heute.“ Ein Wertesystem steckt nicht dahinter. Er trüge keine
Comic-Krawatte, fürchtete er, dadurch anzuecken.
Das jeweils gesellschaftlich Akzeptierte nehmen Scheinkonservative
resignierend hin. Was andere erstritten haben – Ehe ohne Trauschein,
Schwule mit Trauschein, „freche Frisuren“ –, akzeptieren sie ohne innere
Überzeugung. Ich sehe darin eine große Angst vor Unterscheidung: bloß nicht
weit entfernen vom diffusen gesellschaftlichen Konsens. „Ist ja normal
heute.“ Konservatismus als Konformismus.
Angst vor Unterscheidung ist, psychoanalytisch gesehen, Anzeichen einer
depressiven Persönlichkeit. Das schwache Ich hat übersteigerte Angst vorm
Getrenntsein von anderen Menschen. Aus Angst anzuecken, verkümmert der
eigene Wille. Deshalb neigen solche Menschen auch zu Neid. Der Blick auf
andere, die freier leben, erinnert schmerzhaft an die eigene Gehemmtheit.
Kein Wunder, dass Angela Merkel im Neidland Deutschland so populär ist: Die
Kanzlerin ist mächtig, aber wenigstens sieht sie nicht so aus, als mache
sie das glücklich.
Wäre es nicht schön, Menschen hörten auf, ihre Ängstlichkeit konservative
Überzeugung zu nennen? Mein Freund will seinem Chef Mut machen. Das nächste
Mal möchte er ihm sagen: „Sie dürfen anecken, sich unterscheiden! Ihre
Krawatte zum Beispiel, die ist echt nicht normal.“
21 Aug 2013
## AUTOREN
Matthias Lohre
## TAGS
psychische Gesundheit
Konservative
Elternzeit
Depression
Konservatismus
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Comic
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