# taz.de -- Kolumne Konservativ: Spießiges Bier | |
> Was ist konservativ? Und ist Aperol Spritz die Spitze des Fortschritts? | |
> Es herrscht große Begriffsverwirrung. So ein Glück. | |
Bild: Diese Spießer: Bier trinkende „Muxe“, mexikanische Vertreter des „… | |
Bei Tisch redet man nicht über Politik. So lautet eine alte Sitte. | |
Natürlich halte ich mich nicht daran, schließlich bin ich nicht | |
konservativ. | |
„Was ist konservativ?“, frage ich zwei Freunde, mit denen ich beim Essen | |
sitze. Die eine ist Journalistin aus Berlin, der andere Betriebswirt aus | |
München. Hier eine sich links Verortende, dort ein selbst erklärter | |
Konservativer. | |
Die Linke sagt: „Konservative lieben das Bestehende zu sehr. Wenn sie die | |
Wahl haben zwischen Pest und Cholera, entscheiden sie sich für die Pest. | |
Fortschrittliche suchen nach einem Heilmittel.“ | |
Toll, denke ich. Mein mittelmäßiges Essen im Tausch für erstklassige | |
Bonmots. Die klaue ich mir. Von wegen „Bei Tisch redet man nicht über | |
Politik“! Was für eine dumme, veraltete Sitte. | |
## Fortschritt oder Aktionismus? | |
„Ach Quatsch!“, ruft der Konservative. „Linke sehen den Wandel als Wert an | |
sich. Konservative hinterfragen seinen Sinn. Und wenn der ’Fortschritt‘ | |
bloß Aktionismus ist, lehnen sie ihn halt ab. So einfach ist das.“ | |
Ist das so einfach? Lässt sich so klar definieren, was konservativ ist? | |
Dann hätte ich ein Problem. Schließlich schreibe ich künftig an dieser | |
Stelle nicht mehr über Männer, sondern über alles, was konservativ ist. Das | |
Thema habe ich mir recht voluminös vorgestellt: Mal lässt sich das | |
Konservative bei den Grünen betrachten, mal das unterschwellig | |
Fortschrittliche in einer Studentenverbindung. Immerhin ist das, was als | |
konservativ gilt, ständig im Wandel. | |
Franz Josef Strauß sagte 1978: „Konservativ heißt nicht nach hinten | |
blicken, konservativ heißt an der Spitze des Fortschritts marschieren.“ Aus | |
dieser Begriffsverwirrung, der Umwertung aller Werte, muss sich doch jede | |
Menge Humor ziehen lassen. Und jetzt? Ist etwa alles klar? Worüber soll ich | |
dann schreiben? | |
„Andererseits“, sagt die Linke widerwillig, „kann man sich von der | |
konservativen Lebenseinstellung etwas abschauen. Das merke ich in armen | |
Ländern. Die meisten Leute sind mit dem Status quo schon recht zufrieden. | |
Über kleinere Veränderungen freuen die sich richtig. Linke wollen alles | |
verbessern und sind frustriert, wenn es nicht klappt.“ | |
## Adenauer! Erhard! | |
„’Kleine Verbesserungen‘?“, fragt der Freund. „Konservative Politiker… | |
die Bundesrepublik nach dem Krieg aufgebaut. Adenauer! Erhard! Diese Männer | |
und ihre Partei haben Großes geleistet, nicht nur ’kleine Verbesserungen‘. | |
Deine Grünen hingegen …“ | |
„Das sind nicht ’meine‘ Grünen!“, ruft die Linke. „Die sind so spie�… | |
du und dein …“ Sie blickt aufs Glas in der Hand des Gegenübers. „… dein | |
Bier!“ | |
„’Spießig‘?“, fragt der Rechte die Linke. „Dann ist dein Aperol Spri… | |
fortschrittlich? Erzählst du deinen linken Journalistenfreunden eigentlich | |
von deinem Plan, aufs Land zu ziehen, wenn du Kinder hast?“ | |
Oh, oh: Der Essens-Plausch eskaliert. „Bei Tisch redet man nicht über | |
Politik“ – was für eine kluge, konservative Sitte. | |
„Also bitte“, sage ich: „Streitet ihr euch ernsthaft darüber, was | |
konservativ ist?“ | |
„Ja!“ „Nein!“ | |
Ich lehne mich lächelnd zurück. Was als konservativ gilt, ist also unklar. | |
Das ist doch schon mal ein Fortschritt. | |
10 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
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