| # taz.de -- Kolumne Konservativ: „Willst du, dass wir sterben?“ | |
| > Heino, „Die Ärzte“ und der Zweite Weltkrieg haben vieles gemein. | |
| Bild: Heino gibt sich rockig, jetzt auch als DSDS-Juror. Ein Verlierer steht sc… | |
| Die folgenden 102 Druckzeilen handeln von Krieg, Traumata und | |
| Generationenkonflikten. Illustriert wird das Ganze am Beispiel von Heino | |
| und den „Ärzten“. Das ist so kompliziert, da gilt es, keinen Platz zu | |
| vergeuden. Etwa durch Vorreden wie diese. | |
| Als 2013 Heinos Version des „Ärzte“-Lieds „Junge“ erschien, freute ich | |
| mich. Doch als ich erfuhr, wie der Interpret seine Version verstanden | |
| wissen wollte, nahm meine Freude eine kleine Auszeit. | |
| Der Sänger Jan Delay nannte Heino in einem Interview einmal einen „Nazi“. | |
| Das war nicht nur faktisch falsch, sondern, was noch wichtiger ist, | |
| unoriginell. Heino gilt seit Jahrzehnten als Idol konservativer Deutscher. | |
| Passender wäre es, von kleinbürgerlich geprägten Milieus zu sprechen. | |
| Heinos Interpretationen von Volksliedern und Schlager malen ein | |
| vorindustrielles Idyll voller luftiger Berggipfel, fescher Mädel und grüner | |
| Wiesen. Einfache Gegenentwürfe zur Lebenswelt seiner Hörer. Akustische | |
| Fluchten. | |
| Heino ist ein Kriegskind. Heinz Georg Kramm wurde 1938 geboren. Sein Vater | |
| starb, da war er noch nicht drei Jahre alt, 1941 als Wehrmachtssoldat. Wie | |
| Millionen Kinder erfuhr er Vertreibung, Hunger und den Verlust von | |
| Angehörigen. Die etwa zwischen 1930 und 1945 Geborenen – zu jung für den | |
| Fronteinsatz, aber alt genug fürs Erleben von Not – sterben langsam aus. | |
| Büchern wie „Die vergessene Generation“ der Publizistin Sabine Bode gelingt | |
| es, das frühe Leid der Alten zu beschreiben, ohne in unfruchtbare | |
| Schuldfragen zu verfallen. | |
| ## Wie ferngesteuert gelebte Leben | |
| Es entsteht das Bild einer Generation, die ihre Gefühle abspalten musste, | |
| um zu überleben. Die in materiellem Wohlstand und rastloser Tüchtigkeit | |
| Zuflucht vor den eigenen Ängsten suchte. Und die im Alter, da die Korsetts | |
| von Beruf und Familie sich lockern, ratlos aufs wie ferngesteuert gelebte | |
| Leben blickt. Das heilsame Trauern über das, was nicht sein durfte, beginnt | |
| in manchen Fällen spät, in den meisten nie. | |
| Die Kinder der Kriegskinder, heute etwa 40 bis 55 Jahre alt, sind die Erben | |
| dieser Gefühlserstarrung. Das Lied „Junge“ des heute 50-jährigen | |
| „Ärzte“-Sängers Farin Urlaub bringt Sicherheitsstreben und Lebensangst der | |
| Kriegskinder auf den Punkt: „Denk an deine Zukunft / Denk an deine Eltern / | |
| Willst du, dass wir sterben?“ Deren Nachwuchs wollte alles anders machen, | |
| frei sein und vor allem glücklich. Die Kriegskinder und ihre erwachsenen | |
| Kinder stehen einander verständnislos gegenüber. | |
| Deshalb freute ich mich, als ich hörte, Heino singe „Junge“. Ich vermutete | |
| dahinter eine humorvolle Milde des alt gewordenen Kriegskinds. Eine neue | |
| Milde gegenüber den eigenen Macken – und denen der Jüngeren. Dann hörte ich | |
| Heinos Erklärung, weshalb er ein Album mit Coverversionen von Rocksongs | |
| aufgenommen hatte: | |
| „Jahrelang hat man mit meiner Person Schabernack getrieben – jetzt zeige | |
| ich den jungen Leuten mal, was man aus ihren Liedern machen kann.“ | |
| Keine neue Milde, nur alte Verhärtung. Schön fände ich es, spielten die | |
| „Ärzte“ und Heino einmal ein Lied des Älteren gemeinsam neu ein: „Es ist | |
| nie zu spät für ein neues Leben.“ | |
| 14 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Matthias Lohre | |
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